In einem offenen Brief wenden sich die Sängerin Katharina Maria Kagel aus Großensee und ihre Kollegen an das Hamburger Abendblatt.

Sehr geehrte Redaktion des Hamburger Abendblattes,

ich schreibe Ihnen diese Zeilen, sie sind gedacht als offener Leserbrief. Seit ich denken kann lesen meine Eltern, lese ich das Hamburger Abendblatt und ich habe mich als freischaffende Künstlerin immer besonders über den Regionalteil, den sogenannten Stormarnteil im Hamburger Abendblatt gefreut. Dort erfahren wir alle viel über die regionale Kunst, Kultur, und alles, was außerhalb, sozusagen am Rande Hamburgs, stattfindet. Gerade die Region Stormarn hat eine blühende Kulturlandschaft von Künstlern, ehemaligen oder Noch-Hamburgern und verschmilzt vorbildlich mit ihrer großen Stadt nebenan. Dabei bleibt sie doch selbstständig und autark, zeigt vielfältig ihr Gesicht.

Seit ein paar Wochen gibt es den Stormarnteil so gut wie nicht mehr, ein paar dünne Seiten, keine ansprechende Berichte über uns Künstler, die wir in einer Vielzahl hier draußen in Stormarn der Coronakrise trotzen.

„Fast jeder wünscht sich eine Vielzahl von Kunst und Kultur“

Es wäre mein Wunsch, über die Künstler und über die Vielzahl der Möglichkeiten, innerhalb dieser Krise Kunst anzubieten, zu lesen und zu erfahren. Ich selbst würde gerne berichten, was ich als freischaffende Künstlerin anbiete, eine Vielzahl meiner Kollegen auch. Ich habe den Eindruck, dass, aufgrund der Tatsache, dass Kultur im Moment „nicht stattfindet“, es auch nicht von Interesse ist, über uns Künstler und die Kultur in der Region zu berichten.

Das bedeutet, wir Künstler und Freischaffende finden zur Zeit offensichtlich nicht statt. Gerade jetzt?! Nicht genug damit, dass wir Künstler und Freischaffende, Publizisten, Schauspieler, Sänger und Orchestermusiker ohnehin an den Rand der finanziellen Möglichkeiten und der Gesellschaft gedrängt werden, da wir oft keine wirtschaftlich orientierten Unternehmen sind; nicht genug mit der Erkenntnis, dass wir trotzdem gebraucht werden, auf eine gewisse Art und Weise dringender denn je. Fast jeder wünscht sich eine Vielzahl von Kunst und Kultur jeder Sparte und schwärmt vom künstlerischen Überfluss und Reichtum der Region. Nicht genug damit, dass wir oft ums nackte Überleben kämpfen in einer wirtschaftlich hochgradig kommerziellen Gesellschaft, obwohl wir oft viele Stunden und über das ganze Jahr verteilt alles geben, was in unseren Kräften steht – jetzt finden wir eben auch einfach nicht statt.

„Gerade jetzt lohnt es sich, zusätzlich über uns zu berichten“

Das macht mich ziemlich fassungslos. Gerade jetzt ist es besonders wichtig, loyal zu den Kunstformen, die es in einer atemberaubenden Vielzahl in und um Hamburg herum gibt, zu stehen. Zu zeigen, was wir für viele Möglichkeiten schaffen, wie wir Freischaffenden und auch wir angestellten Künstler in dieser Zeit arbeiten, schöpfen und unglaublich kreative und liebevolle Möglichkeiten bieten, dass die Menschen weiter zu ihrer Kultur kommen!

Darüber will ich in meiner Zeitung lesen, darüber wollen Fans, Freunde und Abonnenten lesen, was wir Künstler und Kulturschaffenden treiben, was wir anbieten, wie es uns geht, welche Vielzahl an Möglichkeiten es gibt, trotzdem mit Schwung, Motivation und kulturellem Inhalt, die Menschen um uns herum, die Gesellschaft zu versorgen. Hinter jeder Kunstform steckt ein Mensch aus Fleisch und Blut. Gerade jetzt lohnt es sich, zusätzlich über uns zu berichten und zu lesen, füreinander miteinander!

„Ich finde weiterhin statt. Und mit mir eine Menge Kollegen und Kolleginnen“

Wir finden nicht statt? Ich finde statt! Jeden Tag, extrem lebendig, voller Kraft, voller schöpferischer Energie, Ideen und Möglichkeiten. Auch wenn zurzeit die Lebensgrundlage unter den Füßen weggerissen ist: Ich finde weiterhin statt. Und mit mir eine Menge Kollegen und Kolleginnen, Fans, Freunde und Menschen. Ich möchte Sie daher höflich bitten, dringend Schulterschluss, ja Menschlichkeit und regionales Interesse zu zeigen und wieder über uns und unsere Vielzahl von innovativen Möglichkeiten und Ideen zu berichten!

Die von mir eingefügten Unterschriften der freischaffenden, Künstler, Musiker und Leser, die diesen offenen Brief unterstützen wollen, zeigen damit ihre Loyalität und sind einverstanden genannt zu werden.

Mit freundlichen Grüßen,
Katharina Maria Kagel

Unterzeichner: Andre Böttcher, Jurij Kandelja, Mona Bentien, Maren Ahner, Stefanie Bornheim, Carmen Weiß, Jutta Schröder, Sandra Scharfenberg, Karolina Trojok, Ulrike Stehr, Steffen Huth, Maja Kagel, Sigrid und Ingo Rusch, Ingolf Burkhardt, Petra und Claudia Frohnert, Friedhelm Reymann, Susanne Jegotka, Nina Bernsdorf, Erich Bentin

Lesen Sie hier die Antwort von Redaktionsleiter Hinnerk Blombach:

„Kultur auch in der Krise wichtig“

Liebe Frau Kagel, liebe Unterzeichner und liebe Leser,

Sie sprechen ein ganz wichtiges Thema an, das sicherlich auch für viele unserer Leser relevant ist. Deswegen dokumentieren wir gern Ihren offenen Brief und wollen ihn auch gern beantworten. In „normalen“ Zeiten sind Sie es von uns gewohnt, dass wir täglich auf der kompletten zweiten Seite des Stormarn-Teils über kulturelle Themen berichten. Wir geben also schon seit einigen Jahren der Kultur einen überdurchschnittlich breiten Raum in unserer Berichterstattung – aus zwei guten Gründen:

„Stormarn hat eine sehr lebendige und vielfältige Kulturszene“

Zum einen hat Stormarn tatsächlich eine sehr lebendige und vielfältige Kulturszene mit (normalerweise) zahlreichen attraktiven Angeboten. Zum anderen wissen wir, dass unsere Leser ein großes Interesse an dem Themenbereich haben, das insbesondere unsere Tipps und Empfehlungen betrifft. Leider sind die Zeiten im Moment aber nicht „normal“. Das erleben alle täglich im privaten und beruflichen Alltag. Auch wir in der Redaktion arbeiten seit mehr als fünf Wochen in einer Art Ausnahmezustand. Fast alle Mitarbeiter sind zur Zeit nicht in der Redaktion. „Homeoffice“ und „Reporter“ sind aber zwei Begriffe, die schon im Wortsinne nur schwer vereinbar sind. Normalerweise ist unser Alltag dadurch geprägt, dass die Kollegen rausgehen, sehen, hören und fühlen was passiert, und das Erlebte dann „zurücktragen“ – reportieren. Das ist im Moment aus den bekannten Gründen nur sehr eingeschränkt möglich. Und so verändert sich zwangsläufig auch unsere Berichterstattung an der einen oder anderen Stelle.

„Informationsinteresse ist überdurchschnittlich hoch“

Gleichwohl versuchen wir täglich so gut wie möglich, die Bedürfnisse unserer Leser zufriedenzustellen. Wir haben in all den Wochen den Umfang unserer regionalen Berichterstattung nicht reduziert – und wir hoffen alle, dass es so bleiben kann. Denn das Informationsinteresse ist überdurchschnittlich hoch und wir erfahren derzeit auch außergewöhnlich viel Zuspruch und Dank für unsere Arbeit. Das motiviert uns sehr – und dafür möchten wir auch an dieser Stelle ganz herzlich danken. Wir versuchen auch in „Coronazeiten“, das Themenspektrum möglichst vielfältig zu gestalten. Vor allem im Bereich Sport und Kultur ist das nicht immer ganz einfach.

Hinnerk Blombach ist Redaktionsleiter der Abendblatt-Regionalausgabe Stormarn.
Hinnerk Blombach ist Redaktionsleiter der Abendblatt-Regionalausgabe Stormarn. © Thomas Jaklitsch

Aber, wie Sie sicherlich bemerkt haben, bieten wir Ihnen auch immer wieder Berichte aus diesen beiden Themenfeldern an. Denn wir erachten sie auch in der Krise für sehr wichtig und relevant. Für sehr viele Menschen ist die Coronakrise mit teils erheblichen negativen Folgen verbunden. Auch die Medienunternehmen sind betroffen, was die Umstände auch für unsere Redaktionsarbeit erschwert. Aber wir werden weiterhin täglich unser Bestes für unsere Leser geben. Und dazu gehören natürlich auch die Kultur-Themen, die Sie hoffentlich bald zunehmend in gewohntem Umfang bei uns finden können.

Mit freundlichen Grüßen,
Hinnerk Blombach