Ahrensburg. Bürgermeister verhängt Haushaltssperre wegen Folgen der Coronapandemie. Bauprojekte gestoppt. Koch warnt vor den Konsequenzen.
Die Entscheidung des Ahrensburger Bürgermeisters Michael Sarach, wegen der Coronapandemie eine Haushaltssperre zu verhängen, hat beim CDU-Fraktionsvorsitzenden im schleswig-holsteinischen Landtag Kritik und Unverständnis ausgelöst. „Es ist unverantwortlich, so zu agieren“, sagt Tobias Koch, der selbst seit vielen Jahren in der Schlossstadt lebt und von 2010 bis 2017 Vorsitzender der hiesigen CDU-Fraktion war. Auch die Grünen üben Kritik am Vorgehen des Verwaltungschefs. Und Peter Egan, Fraktionschef der Wählergemeinschaft WAB, mahnt: „Wir müssen so schnell wie möglich aus dieser Situation herauskommen.“
Tobias Koch spricht von einem „völlig falschen Signal“
Wie berichtet, führt die Haushaltssperre dazu, dass zahlreiche große und kleine Bauprojekte in Ahrensburg vorerst gestoppt sind. Das betrifft alle Vorhaben, für die noch keine Aufträge an Firmen erteilt wurden, zum Beispiel den Architektenwettbewerb für den Neubau des Badlantic, die Umgestaltung des Stormarnplatzes mit Tiefgarage, Rathausanbau und urbanem Stadtpark sowie die Fertigstellung des Umkleidehauses für die Sportvereine. „Wir dürfen künftig mit neuen Maßnahmen erst beginnen, wenn sie von der Politik abgesegnet wurden“, sagt Bauamtsleiter Peter Kania. Hintergrund ist, dass die Stadt wegen der Coronapandemie mit deutlich geringeren Steuereinnahmen rechnet.
Tobias Koch spricht von einem „völlig falschen Signal“, der Wirtschaft nun „dringend benötigte Aufträge wegzunehmen“, wirft der Verwaltung Panik und Aktionismus vor. Er sagt: „Wegen der Coronapandemie befinden wir uns bereits in einer schweren Rezession. Gerade jetzt ist die öffentliche Hand gefordert, Firmen durch Aufträge zu unterstützen.“ Architekten, Planer, Hoch- und Tiefbauer gehörten zu den wenigen Berufsgruppen, die trotz der Epidemie noch gut arbeiten könnten. Wenn diese nun auch noch gebremst würden, verschärfe das die Wirtschaftskrise weiter. „Auf Landesebene stoppen wir keinen einzigen Auftrag“, sagt der 46-Jährige. Seiner Ansicht nach sollte sich die Stadtverwaltung in Ahrensburg eher Gedanken darüber machen, zusätzliche Aufträge zu erteilen. Koch schlägt vor, die Leere in den Schulen zum Beispiel für Malerarbeiten zu nutzen.
Nachtragshaushalt soll im Juni beschlossen werden
Verwaltungschef Michael Sarach weist die Kritik zurück. Er sagt: „Es ist die Pflicht eines Bürgermeisters, den Haushalt zu sichern.“ Die Sperre habe er zum 1. April beschlossen, „als Sicherungsmaßnahme, damit nichts aus dem Ruder läuft“. Es gehe ihm nicht darum, „Projekte auf Eis zu legen“, sondern den Politikern die Wahl zu lassen, wie sie mit der neuen Situation umgehen wollten. In der vergangenen Woche habe er sich mit den Fraktionschef im Foyer des Rathauses getroffen und ihnen aktuelle Übersichten zur Beratung innerhalb der Fraktionen mitgegeben. Spätestens im Juni sollen die Stadtverordneten laut Sarach in einer öffentlichen Sitzung einen Nachtragshaushalt beschließen.
Es sei die Entscheidung der Politiker, ob sie Projekte streichen oder Kredite aufnehmen wollten. Sarach betont, dass insbesondere der Einbruch an Gewerbesteuereinnahmen massiv sei. Vor diesem Hintergrund sei es seine Aufgabe, das Wohl der Stadt im Auge zu behalten. Die Situation der Wirtschaft im Allgemeinen sei für ihn zweitrangig. Er sei auch nicht der einzige Bürgermeister, der sich in der Coronapandemie zu diesem Schritt entschlossen habe.
Levenhagen: „Wir sind gewillt, Schulden aufzunehmen“
So gilt beispielsweise in Barsbüttel bereits seit Mitte März eine hauswirtschaftliche Sperre. Mit den Fraktionsvorsitzenden wurde dort aber laut Bürgermeister Thomas Schreitmüller bereits festgelegt, „dass die größeren Investitionen weiterhin ihre Berechtigung haben und umgesetzt werden sollen“.
Einen ähnlichen Weg hätten die Grünen auch für Ahrensburg bevorzugt. „Wir hätten uns eine bessere Zusammenarbeit und frühzeitige Abstimmung gewünscht, damit wir weiter Investitionen tätigen können“, sagt Fraktionschefin Nadine Levenhagen. „Die beschlossenen Projekte sind uns wichtig.“ Es sei ihrer Fraktion klar, dass die Stadt in einer solchen Ausnahmesituation keinen ausgeglichenen Haushalt haben könne. „Wir sind gewillt, Schulden aufzunehmen“, sagt sie. „Die strikte Haushaltssperre ist für uns der falsche Weg, die Wirtschaft leidet so schon genug.“ Sie ärgere besonders der Stillstand beim Thema Umkleidehaus auf dem Stormarnplatz. „Eigentlich sollte dort im Juni oder Juli Baubeginn sein“, sagt sie. Doch daraus wird nun wohl nichts.
Im Rathaus herrsche derzeit ein absoluter Stillstand
Auch Tobias Koch hält die Aufnahme von Krediten für einen besseren Weg als Projekte zu streichen. In der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009/10 habe sich Ahrensburg auch verschulden müssen, stehe mittlerweile aber besser als zuvor da. Auch damals habe Michael Sarach bereits eine Haushaltssperre verhängen, den Neubau der Turnhalle im Hagen aufschieben wollen. Das habe die Politik damals verhindert, so Koch.
Er warnt vor den Folgen, die ein Aufschieben der Projekte haben könnte. „Die Technik im Badlantic wird bald das Ende ihrer Lebensdauer erreichen“, sagt er. „Es besteht die Gefahr, dass wir an einen Zeitpunkt kommen, an dem wir das alte Schwimmbad schließen müssen, das neue aber noch nicht gebaut ist.“ Ähnlich sieht das der aktuelle CDU-Fraktionschef in Ahrensburg, Detlef Levenhagen: „Wir sollten nicht alles wegstreichen, denn die Wirtschaft braucht Aufträge.“ Es herrsche ein absoluter Stillstand im Rathaus, wochenlang habe er nichts vom Bürgermeister gehört.
SPD und FDP unterstützen den Schritt des Bürgermeisters
„Volle Unterstützung“ erhält Sarach dagegen von SPD und FDP. „Er muss so reagieren, wenn ein Großteil der Einnahmen wegbricht. Alles andere wäre kommunalrechtlich angreifbar gewesen“, so Thomas Bellizzi, Fraktionschef der Liberalen. „Wir müssen die Prioritäten neu setzen.“ Ein Problem sei auch die Mehrbelastung der Verwaltungsmitarbeiter durch die Coronakrise. „Jetzt auch noch Investitionen zu starten, könnte die Kapazitäten im Rathaus übersteigen“, sagt Bellizzi. Bei zu erwartenden Mindereinnahmen im zweistelligen Millionenbereich sei eine „Haushaltssperre dringend nötig gewesen“, sagt SPD-Fraktionschef Jochen Proske. „Da können wir nicht einfach so weitermachen wie bisher.“ Als der Haushalt beschlossen wurde, sei die aktuelle Lage nicht im Entferntesten absehbar gewesen. „Es ist wichtig, jetzt neu auf die Projekte zu gucken“, sagt Proske. Er betont, dass die SPD damit nicht die Hoffnung verbinde, über diesen Hebel die politischen Beschlüsse zu kippen, die ihnen nicht gepasst hätten.
Für WAB-Chef Peter Egan ist der Schritt des Bürgermeisters verständlich. Der einzige Weg aus dieser Situation heraus sei über einen Nachtragshaushalt. Dieser benötige aber Zeit und die Mitarbeit aller Ausschüsse. Auf seinen Wunsch, im Mai eine Sitzung des Finanzausschusses abhalten zu dürfen, habe er bisher nur die Bitte aus dem Rathaus gehört, es nicht zu tun. „Bei solch gravierenden Umwälzungen müssen wir tagen“, sagt Egan. Er warnt: „Wenn die Haushaltssperre zu lange läuft, entstehen irreparable Schäden für die Stadt.“ Auch Detlef Levenhagen sagt: „Wenn das noch über den Sommer andauert, wäre es eine Katastrophe für Ahrensburg.“