Mönkhagen. 20-Jährige wird verschleppt, vergewaltigt und gefesselt an der A20 zurückgelassen. Zehn Verhandlungstage, 30 Zeugen geladen.
Es sollte ein fröhlicher Partyabend werden – doch für eine junge Frau aus Stormarn endet eine Studentenfeier in Lübeck im Oktober 2019 mit einem grausamen Verbrechen. Die 20-Jährige wird auf dem Heimweg verschleppt, vergewaltigt und dann gefesselt und geknebelt an einem einsamen Feldweg bei Mönkhagen im Norden des Kreises ausgesetzt.
Opfer drohte wegen niedriger Temperaturen zu erfrieren
Nur durch einen glücklichen Zufall wird sie dort von einem Autofahrer gefunden und befreit – der Mann rettet ihr vermutlich das Leben. Davon jedenfalls ist die Staatsanwaltschaft Lübeck überzeugt. Sie ist zu der Auffassung gelangt, dass wegen der niedrigen Temperaturen am Morgen des Tattages „die Gefahr eines Erfrierungstodes bei der geschädigten Zeugin bestand“. Drei Wochen nach der Tat nimmt die Polizei einen 43 Jahre alten Mann türkischer Abstammung fest. Ein DNA-Abgleich mit an der Kleidung und dem Knebel gefundenen Spuren ergab den Ermittlern zufolge eine Übereinstimmung. Der Mann sitzt seitdem in Untersuchungshaft.
Am heutigen Donnerstag beginnt nun der Prozess wegen versuchten Mordes, Vergewaltigung und Freiheitsberaubung vor dem Landgericht Lübeck. Die Staatsanwaltschaft verliest ihre Anklage um 13.30 Uhr in der Außenstelle des Gerichts (Am Flugplatz 4) in Lübeck-Blankensee.
Der Fall wird vor der Schwurgerichtskammer unter dem Vorsitz von Richter Christian Singelmann verhandelt. Das Gericht hat zehn Verhandlungstage anberaumt sowie 30 Zeugen, vier Sachverständige und einen Dolmetscher geladen. Das Urteil wird nach derzeitigen Planungen am Freitag, 12. Juni, erwartet.
Die 20 Jahre alte Studentin wurde an Ästen festgebunden
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Frau in den frühen Morgenstunden des 12. Oktober 2019 auf dem Heimweg von einer Party in der Gollan-Werft in Lübeck war, als sie von dem Angeklagten überfallen wurde. Er brachte sie demnach in einem Transporter zu dem Feld in Mönkhagen, vergewaltigte sie dort.
Anschließend soll er die Hände der jungen Frau auf dem Rücken gefesselt und sie dann mit einem Seil an den Ästen eines Knicks festgebunden haben, so dass sie sich nicht selbst befreien und wegen des Knebels in ihrem Mund auch nicht durch Rufe auf sich aufmerksam machen konnte.
Studentin wird zufällig entdeckt und gerettet
Gegen 8.30 Uhr wurde sie zufällig von einem Mann (62) entdeckt, der auf dem Weg zur Ostsee kurz angehalten hatte, um eine Toilettenpause einzulegen. Offenbar ein Glücksfall: „Der von der Straße aus nicht einsehbare Feldweg wird so gut wie ausschließlich zu landwirtschaftlichen Zwecken, nicht hingegen von Fußgängern genutzt“, hieß es dazu von der Polizei.
Den Angaben zufolge wies die Studentin „erhebliche äußere Verletzungen, insbesondere Prellungen im Gesichtsbereich“ auf. Die Ermittler untersuchten den Tatort anschließend gründlich auf Spuren, baten immer wieder Zeugen um Mithilfe – und erhielten dadurch einen entscheidenden Tipp.
Angeklagter soll bereits zuvor eine Frau verschleppt haben
Ein Zeuge meldete sich bei der Polizei und berichtete, dass er in der Nähe des Veranstaltungsgeländes einen weißen Transporter gesehen habe. Er brachte die Polizei so auf die Spur des 43-Jährigen, der bei einer Lübecker Firma aushilfsweise als Fahrer arbeitete.
Bei dem Angeklagten handelt es sich nach Angaben der Ermittler um einen türkischstämmigen Mann, der seit 2009 in Lübeck lebt, aber nur gebrochen Deutsch spricht. Es besteht der Verdacht, dass er bereits Ende September 2019 eine 25-Jährige auf dem Heimweg von einer Veranstaltung auf der Wallhalbinsel in Lübeck verschleppt hat. Er soll sie in eine Kleingartenparzelle im Bereich des Bahnweges/Katharinenstraße gebracht haben. Die Frau konnte sich aber selbst befreien und flüchten.
Da der Polizei eigenen Angaben zufolge zum damaligen Zeitpunkt keine Hinweise auf ein versuchtes Sexualdelikt vorlagen, wurde diese Tat zunächst als Freiheitsberaubung gewertet.