Ahrensburg. Handelsverband kritisiert willkürliche Beschränkung auf Ladengrößen bis zu 800 Quadratmeter. Umsatzausfälle sind nicht kompensierbar.
Unter Stormarns Einzelhändlern herrscht Vorfreude und Aufbruchstimmung. Am Montag dürfen Geschäfte mit einer Größe von bis zu 800 Quadratmetern unter bestimmten Voraussetzungen nach dem vierwöchigen Shutdown wieder öffnen. „Das war eine lange Durststrecke. Deshalb begrüßen wir die Lockerung der gravierenden Einschränkungen sehr“, sagte Mareike Petersen, Geschäftsführerin und Sprecherin des Handelsverbands Nord, dem Abendblatt. Allerdings hätte sich der Verband einen „diskriminierungsfreien Wiedereinstieg“ gewünscht. „Die Beschränkung auf Ladenflächen bis 800 Quadratmeter ist willkürlich und wirkt wettbewerbsverzerrend. Darüber sind wir nicht glücklich“, so Petersen.
Das Aufatmen vieler Stormarner Händler ist unüberhörbar
Für Wolfgang Sarau, den Vorsitzenden des Rings Bargteheider Kaufleute (RBK), ist bei dieser Entscheidung wohl „ein bisschen Bauch und ein bisschen Kopf“ im Spiel gewesen. „Weil es keine echten Erfahrungswerte gibt, gibt es auch keine richtige Größenordnung für diese Festlegung. Trotzdem müssen wir sie erst einmal so akzeptieren“, erklärte Sarau seine Sicht der Dinge.
Unterdessen ist das Aufatmen vieler Händler, insbesondere in den kleinen inhabergeführten Geschäften unüberhörbar. Sven und Ewa Leya waren kurz vor dem Shutdown noch für sechs Tage in Südfrankreich. „Das war wohl für längere Zeit unser letzter Urlaub“, glaubt Sven Leya, der seit September 2016 mit seiner Frau das Modegeschäft Herrenhaus in Ahrensburg betreibt. „In unserem ersten Geschäftsjahr hätten wir so eine Krise wohl nicht überstanden“, glaubt Ewa Leya. „Aber inzwischen sind wir etabliert, haben viele Stammkunden.“
Zunächst nur einen Kunden zur Zeit in den Laden lassen
Und trotzdem: Die beiden Mode-Experten mussten alle Reserven ins Geschäft pumpen, um die einmonatige Schließung ohne größeren Schaden zu überstehen. Sven Leya: „Wir fangen jetzt praktisch wieder bei Null an. Aber: Die Kunden sind da und der Wille weiterzumachen auch.“
Das Paar ist auf die Geschäftsöffnung am kommenden Montag bestens vorbereitet. Einmalmasken, Handschuhe, Desinfektionsmittel – alles steht ausreichend zur Verfügung. Die Leyas wollen zunächst nur einen Kunden zur Zeit ins Geschäft lassen. „Viele haben immer noch Angst, oder zumindest Respekt vor der Situation“, sagt Sven Leya. „Alle sollen sich bei uns sicher fühlen. Für uns ist das wichtigste, dass jeder, der in den Laden kommt, gesund bleibt.“ Für die ersten Tage und Wochen rechnen beide aber ohnehin noch nicht mit dem ganz großen Ansturm. „Trotzdem sind wir glücklich, dass es wieder los geht und wir Gas geben können“, sagt Sven Leya.
Situation sei für viele Geschäftsleute existenzbedrohend gewesen
Ähnlich denkt Niklas Tschirch, Inhaber des Ahrensburger Spielwarengeschäfts Ollefant. „Ich glaube nicht, dass uns ab Montag die Bude eingerannt wird“, sagt der 37-Jährige. „Corona wird uns noch lange beschäftigen, und in vielen Familien ist die Unsicherheit noch immer groß. Das wird der Handel weiter zu spüren bekommen. Trotzdem sind wir richtig glücklich, die Wiedereröffnung ist ein großer Schritt.“
Tschirch hat die vergangenen Wochen damit verbracht, telefonische Bestellungen seiner Kunden abzuarbeiten und auszuliefern. „Die Unterstützung, die wir da erfahren haben, war überwältigend“, sagt Tschirch. Trotzdem sei das nur ein Tropfen auf den heißen Stein gewesen. Sein Geschäft bietet neben Spielwaren vor allem Schulbedarfsartikel an – mit einer Schulranzenauswahl, die ihres Gleichen sucht. „In diesem Bereich sind der März und April die entscheidenden Monate, deshalb tat uns die Schließung richtig weh – auch wenn sie natürlich völlig richtig war.“ Die Situation sei für ihn absolut existenzbedrohend gewesen, aber zugleich auch Antrieb, die Aktivitäten im Internet zu forcieren. Tschirch: „Am vergangenen Sonnabend sind wir mit einem Schulranzen-Webshop online gegangen. Gut möglich, dass wir den bald um Spielwaren erweitern.“
Kunden haben angeboten, die Ware auszuliefern
Die Ahrensburger Buchhandlung Stojan ist schon länger im Onlinegeschäft aktiv. „Zum Glück“, so die Inhaber Joachim Becker und Gabriele Niebuhr. Beide wurden von einer Welle an Bestellungen überrascht. Becker: „Damit haben wir nicht gerechnet. Wir mussten von morgens bis abends im Laden sein, um alles zu bearbeiten.“ Was Becker besonders berührte: „Einige Kundinnen haben uns angeboten, die bestellte Ware auszuliefern. Das ist wirklich ein beachtliches und zu Herzen gehendes Zeichen an Solidarität.“ Der Arbeitsaufwand sei aber bestimmt vier- bis fünfmal so hoch gewesen wie sonst und die Einnahmen kein Ersatz für die Barverkäufe mit Publikumsverkehr. Becker: „Deshalb sind wir heilfroh, dass es wieder losgeht.“
Mit Hochdruckreiniger und Putzlappen bewaffnet waren beim Abendblatt-Besuch Jürgen und Martin Moldenhauer vom Schuhhaus Behsen in Trittau. „Wir haben das sonnige Wetter genutzt, um klar Schiff zu machen“, so Jürgen Moldenhauer, Lebenspartner der Inhaberin Renate Behsen-Beischreiber. Ihr Großvater Ernst Behsen hatte das Geschäft 1924 gegründet. „Seit dem Krieg war es nie wieder so lange geschlossen, wie jetzt“, sagt sie. Nun keime die Hoffnung, von Montag an wieder etwas von dem entgangenen Umsatz aufholen zu können. Leicht werde das aber nicht, weil das Frühjahr Teil der umsatzstarken Saison sei.
Werkstatt konnte einen Teil des Umsatzverlustes auffangen
Hochbetrieb herrscht um diese Zeit normalerweise auch im Trittauer Blumenhaus Kubbernuss. „Das Frühjahr gehört zu unserer Hauptsaison. Deshalb hat uns die erzwungene Schließung besonders hart getroffen“, so Geschäftsführerin Birgit Münster. Der Umsatzverlust von geschätzt 70 Prozent sei nicht zu kompensieren. „Auch deshalb, weil Baumärkte, Supermärkte und Discounter keinen Einschränkungen unterworfen waren und verstärkt auch Blumen und Pflanzen verkauft haben. Das ist unfair und schmutzig“, zürnt Münster.
Bei Radsport Runge in Bargteheide konnte immerhin die Werkstatt einen Teil des Umsatzverlustes auffangen. „Doch auch für uns ist das Frühjahr geschäftlich enorm wichtig, wenn es die Leute wieder raus und aufs Rad zieht“, sagt Inhaber Bernd Runge. Deshalb sei er froh, dass der Shutdown nicht länger gedauert habe: „So kommen wir vielleicht mit einem blauen Auge davon.“
Stammkunden hielten Bargteheider Händlerin die Treue
Das hofft auch Anke Harder, Inhaberin der Boutique Chic-Chic, gleich um die Ecke. „Ich habe meine Ware verstärkt über Facebook, Instagram und WhatsApp angeboten. Viele Stammkunden haben mir die Treue gehalten und online geordert, das hat mir sehr geholfen“, sagt sie. Nun freue sie sich aber wieder auf den direkten Kundenkontakt. „Dafür bin ich mit Atemschutzmasken und Desinfektionsmitteln gut gerüstet“, so Harder. Um das Abstandsgebot einzuhalten, werde sie vorerst aber nur zwei Kunden gleichzeitig Einlass gewähren.