Grönwohld. Apotheker in Schutzausrüstung stellen große Mengen her, um sie anschließend an Altenheime und andere Einrichtungen zu liefern.

Per Knopfdruck schließt Biersommelier Torsten Schumacher das Rolltor vor seiner Brauerei in Grönwohld, dann beginnt im bisherigen Verkaufsraum ein ungewöhnlicher Arbeitsprozess. Apotheker in Schutzausrüstung kippen etliche Behälter mit Isopropanol, Wasserstoffperoxid, Glycerol und Wasser in einen Gärtank, der normalerweise für die Bierproduktion genutzt wird. Doch wegen der Coronakrise hat Schumacher seine Anlage kurzerhand umfunktioniert, stellt sie nun vorübergehend Apothekern für die Herstellung von Desinfektionsmitteln in großen Mengen zur Verfügung. In der vergangenen Woche wurden in Grönwohld die ersten 1500 Liter hergestellt, am Mittwoch kamen weitere 500 Liter dazu.

Apotheker können in Brauerei hundertfache Menge herstellen

Brauerei-Chef Torsten Schumacher stellt in seinen Braukesseln Maische her, aus der dann Ethanol gewonnen wird.
Brauerei-Chef Torsten Schumacher stellt in seinen Braukesseln Maische her, aus der dann Ethanol gewonnen wird. © Janina Dietrich

Florian Köppel, Leiter der Walddörfer-Apotheke in Großhansdorf, und Kent Blake von der Antares-Apotheke in Hamburg-Jenfeld haben sich für die Arbeit zusammengetan. Hergestellt wird nach der Rezeptur der Weltgesundheitsorganisation (WHO). „Die Zutaten haben wir vorher in der Apotheke eingewogen, so dass wir jetzt nur noch alles zusammenkippen müssen“, sagt Köppel. Nach einer knappen Stunde sind 500 Liter fertig, können in 25-Liter-Kanister abgefüllt werden. Am zeitintensivsten ist mit 30 Minuten der Rührvorgang, dafür können die Apotheker die professionellen Geräte der Brauerei nutzen.

„In der Apotheke können wir nur fünf Liter auf einmal herstellen“, sagt Imke Carsjens, pharmazeutisch-technische Assistentin und Pharmaziestudentin. „Die Nutzung der Brauerei ermöglicht uns eine enorme Zeitersparnis.“ Ein wichtiger Aspekt, denn die Nachfrage nach Desinfektionsmitteln ist in der Coronakrise extrem hoch. Die Apotheker geben das in Grönwohld hergestellte Produkt zum Selbstkostenpreis an Einrichtungen und Institutionen ab, etwa an Altenheime. „Dort wird es dringend benötigt“, sagt Köppel. „Die ersten Pflegeheime haben Coronafälle. Dort muss das Desinfektionsmittel ganz schnell hin, um eine Ausbreitung zu verhindern.“

Blake und sein Team versorgen 80 Krankenhäuser

Gesundheitsbehörden, Jobcenter und Schulen hätten ebenfalls schon angefragt, sagt Blake. Letztere wollten es für die bevorstehenden Abiturprüfungen nutzen. „Auch der Hamburger Tafel haben wir etwas gespendet“, sagt Blake. An Endverbraucher werde nicht verkauft. Im Unterschied zu den Altenheimen seien Krankenhäuser bislang gut versorgt. Der Grund: Wegen der Coronakrise seien viele aufschiebbare Operationen abgesagt worden, die Kliniken dadurch leerer als sonst. Deshalb reichten die gelieferten Mengen momentan noch aus.

„Wir haben aber immer 500 Liter Desinfektionsmittel für Kliniken auf Vorrat, um notfalls schnell ausliefern zu können“, sagt Blake, der mit seinem Team von Hamburg aus 80 Krankenhäuser versorgt. „Dadurch haben wir große Lagerkapazitäten.“ Institutionen, die Desinfektionsmittel benötigen, können sich bei der Antares-Gruppe melden. „Wir erfassen immer den wöchentlichen Bedarf und entscheiden dann, wie viel wir herstellen“, sagt Blake. Für die kommende Woche seien 1000 Liter geplant.

Es gibt noch Kapazitäten für weitere Apotheker

Apotheker schütten die Zutaten für Desinfektionsmittel in einen Gärtank der Grönwohlder Hausbrauerei.
Apotheker schütten die Zutaten für Desinfektionsmittel in einen Gärtank der Grönwohlder Hausbrauerei. © Janina Dietrich

Ein Problem: Ethanol sei knapp, zudem schwankten die Preise sehr stark. „Als die Coronakrise losging, wurden 22 Euro pro Liter verlangt“, sagt der Apotheker. „Jetzt liegt der Preis bei vier bis sechs Euro pro Liter.“ Um die Apotheker auch bei diesem Thema zu unterstützen, stellt Torsten Schumacher in seinen Braukesseln Maische her – allein in der vergangenen Woche waren es seinen Angaben zufolge 5000 Liter. Sie wird von der „Feingeisterei“, der Brennerei auf Gut Basthorst, abgeholt. „Dort wird sie vergoren und dann destilliert, um Ethanol zu gewinnen“, sagt Schumacher.

Er betont, seine Anlagen zum Selbstkostenpreis zur Verfügung zu stellen, damit kein Geld verdienen zu wollen. „Ich möchte den Menschen helfen“, sagt der 60-Jährige, der sein Grönwohlder Bier weiterhin verkauft. Er sei begeistert, dass ihn andere Firmen bei seinem Plan unterstützten. So habe der Ahrensburger Gewürzhersteller Hela 320 Kanister zum Abfüllen der Desinfektionsmittel gespendet, der Gabelstapler-Hersteller Still ein Fahrzeug zur Verfügung gestellt.

„Ich habe noch Kapazitäten für weitere Apotheker“, sagt Schumacher. Köppel und Blake werben dafür, sich ihnen anzuschließen. „In der Gemeinschaft funktioniert es besser, weil wir größere Mengen herstellen können“, sagt der Großhansdorfer, der diese Arbeit als eine „gute Nachbarschaftshilfe“ bezeichnet.