Glinde. Rolf Urban und seine Kollegen kontrollieren die Abstandsregeln mehrmals am Tag. Das Abendblatt begleitete eine Tour am Vormittag.
Es ist Mittwochmorgen, 10 Uhr. Rolf Urban blickt in seinem Büro noch einmal auf das Volksparkstadion in Miniaturformat, das auf einem Sideboard positioniert ist. An der Wand hat der HSV-Fan einen Schal seines Vereins angebracht. Dann streift er sich seine blaue Dienstjacke mit dem weißen Schriftzug „Stadt Glinde Ordnungsamt“ über und holt seinen Kollegen Alexander Schaermann (32) aus einem benachbarten Raum des Rathauses ab. Die beiden Männer gehen auf Coronastreife und kontrollieren zum Beispiel, ob die Menschen die Abstandsregeln einhalten. Dabei hat sie das Abendblatt begleitet.
Pylonen markieren Abstände von zwei Metern
„Wir machen die Rundgänge immer mit zwei Personen für den Fall, dass es Stress geben sollte, um dann einen Zeugen dabei zu haben“, sagt Urban. Heute ist Markttag. Die Händler verkaufen zwar schon seit drei Stunden ihre Waren, doch erst jetzt wird es voller. Auffällig, dass vor allem ältere Menschen Mundschutz und Handschuhe tragen. Urban (55) arbeitet seit 28 Jahren für die Stadt und kennt daher viele Bürger. Ein junger Vater mit kleinem Sohn kreuzt seinen Weg, begrüßt den Mann, der auch für Obdachlose und Flüchtlinge zuständig ist, mit einem „Moin Moin“. Am Fischstand stehen zehn Personen in einer Reihe, zwischen ihnen ist ausreichend Platz.
Pylonen oder auf dem Boden angebrachte Klebebänder weisen die Kunden daraufhin, wo die Grenze zum Vordermann ist. Die Markierungen sind jeweils zwei Meter voneinander entfernt. Händler bringen sie selbst an. Schummeln ist nicht möglich. Marktmeister Frank Werner ist bereits beim Aufbau um 5 Uhr dabei und prüft das Vorhandensein.
Die Leute in der Umgebung seien sehr einsichtig
Derweil nehmen es vier Senioren nicht so genau, kommen sich an einem Obststand sehr nahe: geschätzt 20 Zentimeter. Das Virus könnte damit leicht von einem auf den anderen Menschen übertragen werden. Urban registriert das sofort, ruft: „Ein bisschen auseinander bitte.“ Das Quartett befolgt die Anweisung, jedoch antwortet ein älterer Herr: „Jetzt soll ich mich also in Luft auflösen.“ Das ignoriert der Ordnungsamtsmitarbeiter, setzt seinen Weg fort.
Es geht weiter über die Marktpassage. Urban und Schaermann blicken in eine Bäckerei – alles in Ordnung. Vor der Apotheke halten sich die Menschen ebenfalls an den Mindestabstand von 1,5 Metern, sechs stehen in einer Schlange. Auch sind keine Dreiergruppen unterwegs – mit Ausnahme von Familien. Wer sich im öffentlichen Raum mit mehr als einer nicht im Haushalt lebenden Person aufhält, muss zahlen: Jeder Beteiligte ist in so einem Fall mit 150 Euro dabei. „Wir haben in den ganzen Wochen während der Coronakrise kein Verfahren eingeleitet, die Leute sind sehr einsichtig“, sagt Urban. Wobei man natürlich nicht überall sein könne.
Positive Rückmeldungen von Bürgern an Ostern
Das Ordnungsamt ist täglich mehrmals in der Stadt auf Kontrollgang, allerdings zu keinen festen Zeiten. Sechs Mitarbeiter aus anderen Bereichen unterstützen bei den Streifen, die sich jetzt acht Verwaltungskräfte aufteilen. Urban ist in regem Kontakt mit der Polizei, die ebenfalls auf Sicherheitsregeln achtet. Bei kleineren Verstößen wie das Nichteinhalten vom Mindestabstand an Marktständen zeigt er Fingerspitzengefühl und belässt es zunächst bei einer Ermahnung.
„Wir hatten am Ostersonntag positive Rückmeldung von Bürgern, weil wir vor Ort waren“, berichtet der Rathausmitarbeiter. Er habe gerade zu Ostern nicht damit gerechnet, dass sich alle an die Vorgaben halten. „Selbst auf den gesperrten Spielplätzen gab es keine Verstöße.“ Bürgermeister Rainhard Zug sagt über die Einschränkungen: „Ich weiß, dass es für viele Menschen im Moment sehr hart ist.“ Er dankt den Bürgern für das sensible Verhalten und richtet einen Appell an die Glinder: „Lasst uns diese positive Haltung beibehalten und daraus die Hoffnung ziehen, dass wir diese schwere Phase auch weiterhin gemeinsam überstehen.“
Rundgang startet und endet auf dem Marktplatz
Dass sich die Marktbesucher vorbildlich verhalten, bestätigt auch Muammar Cicek (54), der mit seinem Sohn Abdullah (30) einen Obst- und Gemüsestand betreibt und seit 25 Jahren in Glinde Waren offeriert. „Bei mir hat sich nur ein Herr vorgedrängelt, ich habe ihn sofort ermahnt“, sagt der Hamburger. Am Ostersonnabend hatte Cicek sehr viel Kundschaft. Mitunter standen 20 Personen an und achteten dabei auf Abstand. An diesem Tag hat er 165 Kilo Spargel verkauft. „In Zeiten von Corona machen wir mehr Umsatz, vor allem Ananas, Orangen, Zitronen und Ingwer sind nachgefragt“, sagt der Händler.
Christel Müller ist wie jeden Mittwoch und Sonnabend auf dem Markt, kauft Frisches, obwohl sie eine Vorerkrankung hat und zur Risikogruppe zählt. Die 74-Jährige trägt einen Mundschutz und Handschuhe. Sie sagt: „Ich fühle mich hier sicher, weil der Abstand in der Regel eingehalten wird.“ Sie erledige ihre Einkäufe jetzt schneller als vor Corona und verzichte auf Klönschnack. „Der Besuch ist mir wichtig, ich liebe meinen Markt.“ Ihr Sohn schimpfe zwar mit ihr, weil er sich Sorgen mache. Das aber hält die Rentnerin nicht ab.
Die Pandemie lässt das Kilometerkonto steigen
Nach 30 Minuten endet die vormittägliche Coronastreife von Rolf Urban und Alexander Schaermann – dort, wo sie begonnen hatte. Noch einmal gehen die beiden an den Ständen vorbei, müssen sich nicht zu Wort melden. Er habe in den vergangenen Wochen wegen der Pandemie etliche Kilometer abgerissen, sagt Urban. Und es kommen heute noch einige hinzu. Ein zweiter Kontrollgang während der Mittagszeit und ein weiterer am Nachmittag im Zuge anderer Tätigkeiten im Außendienst waren schon zu Dienstbeginn geplant. Dann nicht nur in der City. Der Weg um den 3,4 Hektar großen und bei Spaziergängern beliebten Mühlenteich garantiert einen raschen Anstieg des Kilometerkontos.