Rümpel. Im Wohnpark Rohlfshagen sind 70 Prozent der Bewohner und 40 Prozent der Mitarbeiter infiziert. Warum die Lage so kompliziert ist.
Seit 53 von 70 Bewohnern und 19 Mitarbeiter der Pflegeeinrichtung „Wohnpark Rohlfshagen“ in Rümpel mit dem Sars-CoV-2-Virus infiziert sind, ist die 1300-Seelen-Gemeinde über Nacht zum Standort des landesweit bislang am stärksten vom Coronavirus betroffenen Pflegeheims geworden. Erstmals musste der Kreis eine der 47 Pflegeeinrichtungen für ältere Menschen in Stormarn unter Quarantäne stellen. Entsprechend groß war am Dienstagnachmittag das Medieninteresse bei der Pressekonferenz der Kreisverwaltung. Knapp 20 Medienvertreter, darunter auch Fernsehsender und überregionale Tageszeitungen, waren gekommen, um sich von Amtsarzt Dr. Jörg Günther, Ingo Lange von der Heimaufsicht, Landrat Henning Görtz und Rümpels Bürgermeister Torben Schmahl die aktuelle Lage in der Einrichtung erklären zu lassen.
70 Menschen zwischen 61 und 98 Jahren in Betreuung
„Derzeit sind nachweislich 70 Prozent der Bewohner und 40 Prozent der Mitarbeiter mit dem Virus infiziert“, so Amtsarzt Dr. Jörg Günther. Heute sollen die letzten drei noch nicht getesteten Bewohner und zehn Mitarbeiter auf eine mögliche Infektion hin überprüft werden. Auslöser für die ersten Testungen am vergangenen Donnerstag war die Erkrankung einer Mitarbeiterin, die vorletzte Woche noch in der Einrichtung tätig war, danach Krankheitssymptome entwickelte und am vergangenen Mittwoch dann positiv auf das Coronavirus getestet wurde.
Dass es überhaupt zu einer so hohen Infektzahl gekommen ist, sei der besonderen Heimsituation geschuldet, so Günther. In der Einrichtung der Pflegeheime Riedel GmbH werden 70 Menschen zwischen 61 und 98 Jahren betreut, die an Demenz und psychischen Auffälligkeiten leiden. „Solche Menschen halten sich nicht an die empfohlenen Hygiene-Maßregeln“, sagt Günther. Deshalb entschied der Kreis auch, die Heimgebäude nicht zu evakuieren, sondern den gesamten Wohnpark unter Quarantäne zu stellen.
Manche Bewohner suchen immer wieder den Körperkontakt
Die positiv und negativ getesteten Mitarbeiter arbeiten bis auf drei bereits an Symptomen erkrankte Kollegen gemeinsam im Dienst weiter, allerdings unter Quarantänebedingungen. Das heißt, sie bewegen sich nur zwischen Arbeits- und Wohnstätte, ihre Mitbewohner sind ebenfalls in Quarantäne.
„Wir können unseren demenziell veränderten Bewohnern keine weiteren Veränderungen zumuten. Sie sind auf vertraute Gesichter und Räumlichkeiten angewiesen“, erklärt Heimleiter Daniel Schöneberg auf Anfrage. „Manche suchen immer wieder den Körperkontakt, andere vergessen, in welches Bett sie gehören und legen sich auch bei anderen dazu oder setzen sich die dritten Zähne eines anderen in den Mund. Zu uns kommen nur schwer betreubare Fälle.“
Verschlechterungszustände müssen schnell erkannt werden
Die Stimmung unter den Mitarbeitern sei dennoch gut. Man helfe sich gegenseitig und stehe die Situation gemeinsam durch, so Schöneberg. Ausreichend Schutzkleidung habe es in den vergangenen Wochen gegeben, aber nicht jeder Bewohner, der eine Schutzmaske tragen solle, behalte diese auch auf. Der Kreis stellte dem Heim nun weitere Schutzausrüstung sowie medizinische Gerätschaften zur Kontrolle von Sauerstoffversorgung und Puls zur Verfügung. „Wir wollen Verschlechterungszustände schnell erfassen, um rechtzeitig zu erkennen, wer im Krankenhaus behandelt werden muss“, so Günther. „Wir gehen davon aus, dass wir am Ende bei 100 Prozent Infizierten landen. Die Bewohner sind sehr mobil. Es ist schwierig, Infizierte und Nicht-Infizierte im Heim voneinander zu trennen. Wir müssen ganz nah an der Entwicklung bleiben.“
Umliegende Krankenhäuser sind über Situation informiert
Landrat Henning Görtz hat einen Sonderstab mit Vertretern von Gesundheitsamt, Heimaufsicht, Rettungsdienst und Katastrophenschutz eingerichtet, um die Einrichtung zu unterstützen.
Der Kreis hat wegen der hohen Zahl Infizierter im Wohnpark Rohlfshagen die umliegenden Krankenhäuser informiert, damit diese sich auf mögliche Intensivpatienten durch schwere Verläufe vorbereiten können. „80 Prozent nehmen einen milden Verlauf. Schwere Verläufe zeigen sich meist in der zweiten Woche der Infektion“, sagt Dr. Günther. Ein Arzt betreue die Einrichtung zudem vor Ort und sei „für den Ernstfall“ gewappnet.
Ein weiterer Coronapatient ist in Stormarn gestorben
Unterdessen ist in Stormarn laut Kreisverwaltung ein über 80 Jahre alter Mann, der mit dem Coronavirus infiziert war, gestorben. Er ist der vierte Coronatote Stormarns. Am Dienstagnachmittag betrug die Zahl der klinisch bestätigten Coronafälle im Kreisgebiet 315. Während 190 davon in häuslicher Quarantäne sind, befinden sich derzeit 23 Stormarner in stationärer Behandlung. Ein knappes Drittel, nämlich 98 Menschen, gelten inzwischen als genesen.
Im Reinbeker Krankenhaus St. Adolf-Stift werden derzeit fünf Coronapatienten behandelt. Alle liegen auf der normalen Isolierstation und sind stabil.