Ahrensburg. Gespräche vom Balkon, Grüße per Fotoaktion und ein Plan für den Ernstfall – Angehörige und Mitarbeiter werden zu dieser Zeit kreativ.
„Was gibt es heute bei dir zu essen?“ Die Frage von Sabine Krohn schallt über den Vorplatz des Seniorenpflegeheims Domicil Hamburger Straße in der Ahrensburger Innenstadt. Die 95 Jahre alte Irmgard Hasenbein steht auf dem Balkon im ersten Stock und freut sich sichtlich darüber, in Zeiten von Coronapandemie und Besuchsverbot mit ihrer Enkelin reden zu können. Sabine Krohn hat eine Möglichkeit gefunden, den Kontakt trotz aller Auflagen nicht abreißen zu lassen.
Angehörige müssen kreativ werden
„Da meine Oma nicht mehr telefonieren kann, musste ich kreativ werden“, sagt Krohn. „Neben kleinen Grüßen wie Päckchen mit Süßigkeiten und Postkarten hat der persönliche Kontakt nach wie vor den größten Wert“, sagt sie. „Meine Oma fragt mich jedes Mal, wann ich wieder vorbeikomme.“ Kurz vor dem jeweiligen Termin ruft die Enkeltochter in der Domicil-Rezeption an, damit eine Pflegerin Irmgard Hasenbein auf den Balkon begleiten kann.
In den ersten Tagen der Krise gab es noch die Möglichkeit, mit genügend Abstand Verwandte im Festsaal zu empfangen. Seit das Land Schleswig-Holstein die Schutzvorschriften gegen die Ausbreitung des Virus verschärft hat, ist dies nicht mehr möglich.
82 Mitarbeiter sorgen für einen reibungslosen Alltag
Es ist still geworden in der Einrichtung, in der momentan 89 ältere Menschen leben. Davon wohnen 18 in einem geschützten Demenzbereich. Dort können sie sich frei bewegen, haben einen eigenen Gartenabschnitt. Wenn jemand den Bereich verlässt, macht ein akustisches Signal die Mitarbeiter darauf aufmerksam.
82 Mitarbeiter sorgen für einen reibungslosen Alltag – von Pflege und Betreuung über Küche, Wäscherei und Reinigung bis zu Haustechnik und Verwaltung. „Wo sonst jeden Monat mehrere Feste und kulinarische Höhepunkte gefeiert werden und wo Besucher und Angehörige von früh bis spät gern gesehene Gäste sind, ist es nun fast andächtig ruhig“, sagt Domicil-Einrichtungsleiterin Mareike Neuenburg. „Zum Glück haben wir einen großen Garten, in dem sich unsere Bewohner aufhalten können, und ein wirklich starkes und engagiertes Mitarbeiterteam.“
Das Büfett wird vom Saal in die Wohnbereiche verlegt
Um direkte Kontakte untereinander zu minimieren, wurden die Denksportgruppen und Bewegungsangebote vom Festsaal in die Wohnküchen verlegt. „Unser großes Osterbüfett findet nun auf den Wohnbereichen statt, und auf den Fluren wird gekegelt“, sagt Mareike Neuenburg. Der Duft von frisch gebackenen Waffeln, italienischem Eis (eine Spende) und Erdbeeren halte die Vorfreude auf den Sommer in Schwung.
Kontakt nach außen gebe es über tägliche Telefonate. Auch ein herzliches Geburtstagsständchen sei schon von der Straße hoch zum Balkon gesungen worden. Das Pflegeteam hat außerdem eine Fotoaktion gestartet: Bewohner können ihren Verwandten zu Ostern „ein Lächeln“ per Post zukommen lassen.
Mitarbeiter tragen rund um die Uhr vorsorglich Schutzmasken
Die Wohnbereiche werden derzeit nur noch von Mitarbeitern betreten, die dort dringend benötigt werden. „Alle tragen rund um die Uhr vorsorglich Schutzmasken, um die Bewohner vor Ansteckung zu bewahren“, so Neuenburg. Nicht nur beruflich, sondern auch privat achteten die Beschäftigten darauf, sich nirgends anzustecken und so eine Infektionskette unabsichtlich in Gang zu setzen. Viele gingen gar nicht mehr selbst einkaufen oder wenn, dann nur noch mit Mundschutz. „Es ziehen wirklich alle Angehörigen und Bewohner gemeinsam mit uns an einem Strang, das Virus nicht ins Pflegeheim hineinzulassen.“
Doch auch für den Ernstfall ist die Einrichtung gerüstet. „Wir haben bis ins letzte Detail alles dafür vorbereitet, sollte ein Bewohner positiv getestet werden“, sagt Neuenburg. So kann ein Bereich des Pflegeheimes vollständig als Quarantänestation separiert werden. Mit Sauerstoffgeräten, Pflegeutensilien und Schutzausrüstung ausgestattet wäre der Gebäudeteil schon jetzt jederzeit einsatzbereit, um einen infizierten Bewohner aufzunehmen und weitere Ansteckungen mit der gefährlichen Lungenerkrankung zu verhindern.
Heimleiterin: „Wir werden viel aus dieser Krise lernen“
Ein betroffener Bewohner würde umgehend in sogenannter Eins-zu-eins-Pflege betreut werden, damit weder er noch die Mitarbeiter bei der Verrichtung täglicher Aufgaben das Virus weiter im Haus verbreiten. „Das verlangt unglaublich viel innere Stärke von den Menschen, die wissen, dass sie im Ernstfall ganz nah ran müssen, wo doch jeder von uns schon bei dem Gedanken an Corona zusammenzuckt“, sagt Neuenburg. „Und auch von denen, die dann noch mehr Verantwortung übernehmen müssen, um die fehlenden Fachkräfte im täglichen Stationsalltag bestmöglich zu ersetzen.“
Doch noch ist alles ruhig im Domicil Hamburger Straße. „Der Regenschirm ist eingepackt, und wir hoffen, ihn nicht zu brauchen“, sagt die Heimleiterin. Ihr Resümee: „Wir werden viel lernen aus dieser Krise und am Ende mit Stolz und Ehrfurcht auf diese Zeit zurückblicken.“