Grossensee. Förster pflanzen 150.000 Bäume und beseitigen Totholz. Die Zeit drängt, denn bald werden die Schädlinge wieder aktiv.

Rund 150.000 Bäume, darunter Douglasien, Buchen, Kiefern und Lerchen werden bis Ende April in Stormarns Wäldern gepflanzt. 300.000 Euro werden dafür aufgewendet, um Schäden, verursacht durch Stürme, Trockenperioden und vor allem Borkenkäfer, auszubessern. Doch Waldexperten schlagen Alarm. Trotz des regenreichen Winters sind die Wasserspeicher noch immer nicht aufgefüllt. Ein trockenes Frühjahr könnte den geschwächten Restbestand massiv gefährden.

Borkenkäfer brauchen eine Temperatur von 15 Grad

In Großensee ragt ein regelrechter Geisterwald empor. Graue Stämme, ohne Rinde und ohne Leben. Schuld daran sind Buchdrucker und Kupferstecher. So werden die zwei bis fünf Millimeter großen Borkenkäfer genannt, die in Stormarns Wäldern ihr Unwesen treiben. „Ihren Namen verdanken die Käfer ihrem unterschiedlichen Fraßbild, das sie auf der Innenseite der Rinde hinterlassen“, sagt Bezirksförster Reinhard Schulte. „Sie haben gemein, dass ihre Angriffe massiv sind.“

Eine Temperatur von 15 Grad brauchen Borkenkäfer, bis sie aktiv werden. Dann haben sie nur ein Ziel: sich in Massen zu vermehren. Eine Million Nachkommen kann ein Käfer produzieren und damit großen Schaden anrichten. „Der Harzdruck eines vitalen Baumes entspricht etwa vier Bar“, sagt Steffen Burkhard, Leiter der Forstbetriebsgemeinschaft Stormarn. „In der Trockenheit nimmt dieser Druck ab und die Käfer können sich ohne große Barriere in die Rinde des Baumes bohren.“

Bis Ende April haben die Forstwirte Zeit, Schäden zu beheben

Bezirksförster Reinhard Schulte zeigt Fraßschäden des Borkenkäfers.
Bezirksförster Reinhard Schulte zeigt Fraßschäden des Borkenkäfers. © Melissa Jahn | Melissa Jahn

Milde Temperaturen wirken sich besonders günstig auf die Vermehrung der Käfer aus. Während normalerweise drei Generationen in einem Jahreszeitenzyklus entstehen, sind es in warmen, trockenen Jahren sogar ein bis zwei Generationen zusätzlich. „Der diesjährige Winter mit weniger als fünf Frostnächten hat dem Käfer leider geholfen“, so Schulte. „Er konnte ohne Probleme im Boden und in der Rinde überwintern, war deshalb nicht wirklich gefordert.“

Bis Ende April haben die Forstwirte nun Zeit, die Schäden zu beheben und das Totholz aus den Wäldern zu bringen – bevor sich die Käfer in Scharen darüber hermachen. 30 Hektar der insgesamt 3000 Hektar Waldfläche im Kreis Stormarn sind betroffen. Die Hälfte der Fläche konnte bereits aufgeforstet werden. 85 Prozent der Kosten werden aus einem Fördertopf genommen, den sich EU (50 Prozent), Bund (25 Prozent) und das Land (25 Prozent) teilen.

Um den Verdienst ist es derzeit nicht gut bestellt

Vor einer Woche erst wurde eine Fläche in Rausdorf/Witzhave angelegt. Dabei achten die Experten vor allem auf Artenvielfalt. Mindestens sechs von 28 verschiedenen Baumarten müssen sich in einem Areal abwechseln, um den genetischen Mindestpool zu erhalten und dadurch den Wald zu stärken. Die Anlage von Monokulturen, wie großflächige Fichtenwälder aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, sollen dadurch vermieden werden. Was in den Boden kommt, hängt vom Standort ab, der selbst im Kreis Stormarn im Nord-Südgefälle extrem variiert. Die Pflanzabstände werden dabei nicht allzu groß gewählt. „Wir nutzen das Konkurrenzdenken der Bäume“, sagt Burkhard. „Wenn sie eng beieinanderstehen, wachsen sie schneller hoch und bieten mehr Qualität.“ Denn letztendlich geht es in ein paar Jahren wieder darum, die Stämme zu ernten und damit die heimische Forstwirtschaft in Gang zu halten.

Doch um den Verdienst ist es derzeit nicht gut bestellt. Obwohl das Holz der von Borkenkäfern geschädigten Bäume noch verwendet werden kann, sind die Holzpreise niedrig. „Das überregionale Wetterereignis ist unser Problem“, sagt Steffen Burkhard. „Die Holzpreise sind bereits jetzt um 50 bis 90 Prozent gesunken. Die trockenen Stämme haben eine mangelhafte Qualität.“

Der Waldboden sei in großen Teilen durchlöchert

Neben dem Borkenkäfer gibt es noch andere Ereignisse, die Stormarns Wäldern massiv zusetzen – und zwar nicht nur den in Verruf geratenen Kiefern. Pilze, Schmetterlingsarten wie Eichenspanner und Eichenspinner und vor allem Mäuse werden durch das warme Klima immer mehr zum Problem. Um diese Angriffe in den Griff zu bekommen, fehlen der Natur die Fröste, so Schulte. Zudem ist es bereits im Frühjahr schnell sehr warm.

„Bei den Mäusen haben wir die Erd-, Feld-, Rötel- und Schermaus, die in den vergangenen zwei Jahren eine besonders hohe Population entwickelt haben“, sagt der Bezirksförster. „Letztere fressen nicht nur die Rinde ab, sondern nagen sehr gern an den Wurzeln herum, was die Neuanpflanzungen zerstört.“ Auch der Regen der vergangenen Monate habe das Problem nicht nachhaltig gelöst. Bereits jetzt sei der Waldboden in großen Teilen durchlöchert. Um die Mäusepopulation wenigstens ansatzweise in den Griff zu bekommen, haben Förster überall im Kreis Stormarn sogenannte Julen aufgestellt, Ansitzstangen, die Greifvögeln bei der Jagd nach den kleinen Nagern helfen sollen.

Fachleute wünschen sich deutlich mehr Niederschläge

„Das A und O unserer Arbeit ist die Vorbereitung des Bodens, damit die Bäume gut anwachsen“, so Burkhard. „Material, das nicht weiterverarbeitet werden kann, dient als Rindenmulch, den weder die Borkenkäfer noch die Mäuse besonders mögen.“ Ansonsten sei es wichtig, neu angelieferte Bäume sofort in den Boden zu bringen, da diese sehr anfällig seien. Das sei eine logistische Herausforderung, sagt Burkhard. „Dazu kommt, dass das Saatgut in Deutschland derzeit knapp ist. Es werden nur die besten Bäume genutzt, um besonders vitale Nachkommen zu erhalten.“ Laut Gesetz dürfe zudem nur Saatgut aus der Region verwendet werden.

Trotz aller Hindernisse sind die Forstexperten zuversichtlich, die Arbeit zügig voranbringen zu können. Nicht beeinflussen können die Förster jedoch das Wetter. Vor allem ausreichend Niederschläge sind jetzt wichtig, damit die Jungpflanzen anwachsen können. Doch die Niederschlagsdefizite von 2018/2019 konnten bisher nicht restlos ausgeglichen werden. Vor allem schwere Böden seien nach wie vor knochenhart. „Erkennbar ist dies durch Wasserflächen auf den Äckern und der angestauten Trave“, sagt Steffen Burkhard. „Entscheidend ist die Wasserverfügbarkeit, also das, was im Boden ankommt und dort verbleibt. Eine Frühjahrstrockenheit wäre für den Wald katastrophal.“

Nicht vergessen werden darf, dass neben aller wirtschaftlichen Erträge der Wald vor allem als Kohlenstoffdioxid-Speicher dient. Aber nur, solange die Bäume gesund sind.

Neue Baumarten sollen etabliert werden

Mehr als 30 Förstereien gibt es in Schleswig-Holstein, fünf davon in Stormarn. Nur elf Prozent des waldärmstes Flächenlandes, also 173.000 Hektar, sind von Wald bedeckt. 1450 Hektar entfallen davon auf die Hahnheide in Trittau. Obwohl Stormarns Wälder in ihrem Ausmaß keine große Bedeutung haben, will das Institut für Forstgenetik in Großhansdorf einen großen Beitrag für das Fortbestehen dieses Naturraums liefern. In dem Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei arbeiten Forscher in vier verschiedenen Arbeitsbereichen daran, den Wald auf die veränderten Klimabedingungen vorzubereiten. Sie geben beispielsweise Antwort auf die Frage, welche Bäume auf neu angelegten Flächen gepflanzt werden sollen. Eine Maßnahme ist unter anderem, Saatgut aus südlichen Ländern einzubringen, deren Bäume an Trockenheit und Hitze gewöhnt sind. Auch neue Arten wie die Douglasie sollen in Norddeutschland etabliert werden, die trockenheits- und käferresistent sind sowie schneller wachsen als die heimische Fichte.