Reinbek/Trittau. Die Tiere richten immer wieder Schäden an. Die Bejagung der stark wachsenden Population ist wegen naher Siedlungen oft schwierig.

Im Dunkel der Nacht wagen sich die Tiere aus den Wäldern, reißen auf der Suche nach Essbarem Zäune nieder, verwüsten Gärten. Wildschweine richten weiterhin vielerorts in Stormarn erhebliche Schäden an, sind zur regelrechten Plage geworden. Stormarner Jäger bestätigen, dass die Population weiter wächst. Nach Angaben der Unteren Jagdbehörde des Kreises Stormarn ist die Zahl des geschossenen Schwarzwildes in den vergangenen Jahren nicht signifikant gestiegen. Das Probleme könnte also größer werden.

Im Süden Schleswig-Holsteins leben besonders viele Tiere

Demnach schossen Jäger im Jagdjahr vom April 2018 bis März 2019 mit 1361 weniger Wildschweine als im Vorjahreszeitraum. Damals hatte die Jagdstrecke noch 1479 Wildschweine betragen. In der Saison 2016/17 erlegten die Stormarner Jäger 1186 Tiere. Dem Artenschutzbericht 2018 des Landesumweltministeriums zufolge weist der Süden Schleswig-Holsteins, darunter Stormarn, landesweit die größten Schwarzwilddichten auf. In diesem Gebiet würden 86 Prozent der Schwarzwildstrecke erzielt.

Ein Schild warnt vor Jagdbetrieb im Ahrensburger Tunneltal.
Ein Schild warnt vor Jagdbetrieb im Ahrensburger Tunneltal. © HA | Ralph Klingel-Domdey

In Ahrensburg und Reinbek haben Wildschweine immer wieder große Schäden angerichtet, Gärten regelrecht umgepflügt. Seit 2016 wird das Schwarzwild im Tunneltal verstärkt bejagt, Hinweisschilder an den Wanderwegen verbieten das Betreten des Naturschutzgebietes in der Zeit zwischen einer Stunde vor und einer Stunde nach Sonnenaufgang mit Verweis auf den Jagdbetrieb. In Reinbek durchwühlte eine Rotte erst Anfang Oktober einen Garten, der an das Waldstück Vorwerksbusch grenzt. Die Rasenfläche auf dem Grundstück wurde vollständig zerstört.

Die Tiere durchwühlen Gärten auf der Suche nach Nahrung

Im vergangenen Winter waren Wildschweine bereits wiederholt in Stormarner Wohngebiete vorgedrungen. „Wenn sich die Tiere in Gärten oder Siedlungen wagen, dann wühlen sie dort meist nach Engerlingen und Würmern“, sagt Kreisjägermeister Uwe Danger zum Abendblatt. Dank ihres kräftigen Gebrechs, wie Jäger die Schnauze der Tiere nennen, können Wildschweine auch harte Böden aufbrechen. Neben pflanzlichem Eiweiß benötigen Wildschweine auch tierisches.

Auf einem Waldwanderweg nahe des Golfclubs Hamburg-Walddörfer in Ammersbek hatte ein Wildschwein im November den Hund einer Spaziergängerin attackiert und lebensgefährlich verletzt. Die Gemeinde warnte Spaziergänger daraufhin mit Schildern vor der Gefahr. In Trittau hatte eine Rotte eine Rasenfläche am Friedhof in unmittelbarer Nähe zu einem Wohngebiet umgegraben.

Wegen der milden Witterung gibt es reichlich Nahrung

Wildschweine vermehren sich dank milder Witterung seit einigen Jahren rasant. „Ist das Frühjahr warm und sonnig, bilden Laubbäume wie Eichen und Buchen mehr Blüten aus und tragen im Herbst mehr Früchte“, sagt Dirk Prigge, Förster in der Trittauer Hahnheide. „Im vergangenen Jahr hatten wir eine starke Eichelmast, in diesem Jahr gibt es besonders viele Bucheckern“, so Prigge.

Das große Nahrungsangebot führe dazu, dass die Frischlinge früher die Geschlechtsreife erreichten. „Die Frischlinge können so schon nach acht bis zehn Monaten selbst Nachwuchs bekommen“, erklärt der Förster. Gleichzeitig bedeuteten die milden Winter eine deutlich geringere Frischlingssterblichkeit. Und natürliche Fressfeinde haben Wildschweine nicht.

Jäger müssen auf gute Sicht in der Nacht warten

Die Bejagung des Schwarzwildes erweist sich als eine echte Herausforderung. „Wildschweine sind nachtaktiv“, sagt Kreisjägermeister Uwe Danger. „Damit wir gute Sicht haben, müssen wir die Mondphasen abwarten.“ Mindestens Halbmond müsse es sein, damit das Licht genügt. Führende Bachen, also solche, die noch säugen, dürften nicht geschossen werden.

Vielerorts kommt die Nähe der Wildschweinhabitate zur Zivilisation als Herausforderung hinzu. Unmöglich sei die Jagd in unmittelbarer Nähe von Siedlungen, Landstraßen oder Autobahnen, betont Dirk Prigge. „Hier ist kein Schuss möglich, ohne Menschen zu gefährden.“

Der Kreisjägermeister rät: „Hunde unbedingt anleinen!“

Mit Blick auf die Hahnheide sagt Prigge: „Immerhin ist die Population nicht weiter angewachsen.“ 100 Tiere habe er allein 2018 erlegt. Gleichwohl verbleibe die Population auf enorm hohem Niveau. Neben der Hahnheide gilt auch das Gebiet um Reinbek als Schwerpunkt. „Der Vorwerksbusch ist für Wildschweine ein ideales Habitat, weil viel Deckung vorhanden ist und es dort keine Wanderwege gibt“, weiß Reinbeks Förster Fritz Ole Wolter. Gleichzeitig sei das Gebiet schwer zu bejagen. Wolter: „Das Waldstück ist von Bahngleisen und Wohnbebauung umgeben, es gibt dort einen Waldkindergarten.“ Den Anliegern rät er, einen stabilen Zaun zu errichten. „Viele Gärten waren kaum eingezäunt, das wirkt auf die Wildschweine wie eine Einladung. Gerade, wenn Fallobst oder ähnliches herumliegt“, sagt er.

Eine Gefahr für Menschen seien Wildschweine nur im Ausnahmefall, betont Uwe Danger: „In der Regel flüchten sie. Wenn es sich aber um eine Bache handelt, sie ihren Nachwuchs bedroht sieht, reagiert sie aggressiv.“ Dies sei der Fall, wenn Spaziergänger Hunde freilaufend durch das Gebüsch streunen ließen. Danger: „Hunde sind unbedingt anzuleinen!“ Komme es zur Konfrontation, sei Vorsicht geboten. „Die Tiere sind bis zu 150 Kilo schwer, laufen 50 Kilometer in der Stunde.“ An Weglaufen sei nicht zu denken. Danger rät: „Schreien Sie, machen Sie sich groß und klettern Sie notfalls auf einen Baum!“

Allesfresser haben keine natürlichen Feinde

Wildschweine (latein. Sus scrofa) gehören zur Ordnung der Paarhufer. Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich über Europa, Nordafrika sowie weite Teile Asiens. Sie bevorzugen unterholzreiche Laub- und Mischwälder, sind aber auch in offenen Feldfluren zu Hause. Die Sauen leben in Rotten von fünf bis 20 Tieren, die von der Leitbache, dem ältesten Tier, angeführt werden. Keiler sind Einzelgänger. Die Allesfresser können bis zu 150 Kilogramm schwer werden und erreichen eine Schulterhöhe von etwa 110 Zentimetern. Zwischen November und Februar paaren sie sich, im Frühjahr bringen die Bachen die Jungen in einem geschützten Wurfkessel zur Welt. Die Bache verschafft den Frischlingen durch ihre Wühltätigkeit Nahrung und verteidigt sie entschlossen. Natürliche Fressfeinde haben die Tiere in Norddeutschland nicht.