Stormarn. Forstwirte melden Schäden am Wurzelwerk der Bäume. Auch Landwirte haben Probleme wegen der Nager, deren Population stark ansteigt.

Die Wiesen sind von einem Netz aus Gängen und Löchern durchzogen. Am helllichten Tag huschen ungezählte Nager über Spazierwege und Straßen – Stormarn hat ein ernsthaftes Problem mit Mäusen. Nach zwei trockenen Sommern ist deren Population extrem angestiegen. Tierschützer freuen sich über ein hervorragendes Brutjahr für Schleiereulen und andere Tiere, die sich von Mäusen ernähren. Doch Land- und Forstwirte sind in großer Sorge um frisch gesetzte Buchen und Eichen.

Letzte Ratten- oder Mäuseplagen sind lange her

„Feld- und Wühlmäuse machen uns das Leben schwer“, sagt Peter Koll, Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes. „Auf den Grünlandflächen ist ein Mäuseloch neben dem anderen – und zwar flächendeckend.“ Fachleute haben einen Verlust von drei Euro pro Maus ermittelt, wenn aus Gras Silage für Milchvieh gewonnen werden soll. Problematisch seien vor allem die Schäden durch unterirdischen Fraß. Wurzeln sterben ab und kahle Flächen entstehen – eine Eintrittspforte für Unkräuter.

Der Trittauer Revierförster Dirk Prigge sorgt sich um junge Pflanzen.
Der Trittauer Revierförster Dirk Prigge sorgt sich um junge Pflanzen. © Dorothea Benedikt

„Die Folge ist eine Verschmutzung des Futters durch Sand und so genannte mitgeerntete Mäuse“, sagt Peter Koll. „Die Landwirte haben zudem Mehrarbeit mit der Pflege des Grünlandes, weil sie die Stellen nachsähen müssen.“ Historische Aufzeichnungen verdeutlichten, dass es immer wieder Ratten- oder Mäuseplagen gab. Aber das ist lange her. Im 18. und 19. Jahrhundert sowie in den 1950er-Jahren gab es Mäuseplagen. Wirksame Möglichkeiten zur Eindämmung fehlten, sagt Koll. Die Lagerschädlinge tummelten sich auf Kornböden. Lose gebundene Getreidegarben boten paradiesische Bedingungen für die Nager. Seit Einführung der Mähdrescher und Silos könne die Mäusepopulation heute zumindest in der Nähe des Bauernhofes besser überwacht werden. „In anderen Bundesländern wie Sachsen werden Mäuse auch auf den Feldern mit Gift bekämpft“, sagt Peter Koll. „In Schleswig-Holstein ist das nicht Praxis.“

Mäusekot stelle Gefahr für Menschen dar

Mäusefraß stellt auch für die Forstwirtschaft ein massives Problem dar. Nach dem extrem trockenen Sommer in 2018 hat Dirk Prigge, Förster der Trittauer Hahnheide, im Herbst rund 20.000 junge Buchen und Eichen nachgepflanzt. Als Mischbestände unter Fichten sollen die Laubbäume den Wald in den kommenden Jahren unempfindlicher für extremes Wetter und Schädlinge machen. Vor allem der Borkenkäfer setzt den Forstwirten seit Jahren massiv zu. Jetzt sind es Erd- und Rötelmäuse mit ihrer Vorliebe für Laubholz, die die jungen Pflanzen in Gefahr bringen. „Sie fressen die Wurzeln, vor allem aber die Rinde“, sagte Prigge. „Wenn dies stammumfassend geschieht, kann die ganze Pflanze absterben.“ 20 Prozent Ausfall bis zu einer kompletten Vernichtung der Bestände seien möglich. „Viel machen können wir nicht“, sagt Prigge. „Wir müssen auf einen natürlichen Zusammenbruch der Population warten.“

Neben Schäden stelle vor allem der Mäusekot eine Gefahr für Forst- und Landwirte und für Gartenliebhaber dar – wegen des gefährlichen Hantavirus. Hohes Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen sind die Symptome der Krankheit, die in der Regel zwischen ein bis sieben Wochen nach Infektion auftritt. Im schlimmsten Fall kann es zu einem Nierenversagen kommen.

Störche profitieren von der hohen Anzahl der Mäuse

ie Eulen in Stormarn zählen zu den wenigen Profiteuren der stark anwachsenden Population der Mäuse.
ie Eulen in Stormarn zählen zu den wenigen Profiteuren der stark anwachsenden Population der Mäuse. © Sina Schuldt

Bis Ende August wurden bundesweit 1184 Fälle vom Robert Koch-Institut gemeldet, im Vorjahreszeitraum waren es nur 123 gewesen. Einen Zusammenhang sieht das Institut durch die massive Vermehrung der Rötelmäuse. Auch wenn das Virus derzeit hauptsächlich in Baden-Württemberg und Bayern auftritt und sich in Schleswig-Holstein bis Mitte September nur fünf Menschen infiziert haben, ist dem Bauernverband das Problem bekannt. „Aufpassen sollte man vor allem beim Ausfegen von Lagerräumen oder Werkstätten, weil dann Staub aufgewirbelt wird“, erläutert Peter Koll die Sicherheitsregeln. „Auch in Feuerholzstapeln halten sich die Mäuse gern auf.“

Bei allem Ärger um die kleinen Tiere gibt es aber auch Nutznießer der starken Mäusepopulation. Das reichhaltige Nahrungsangebot führte zu einem Rekordjahr bei Störchen im Kreis Stormarn. Auch Bussarde, Milane und Eulen profitieren erheblich. „Diese enorme Vermehrung, vor allem bei den Wühlmäusen, hatten wir lange nicht mehr“, sagt Dirk-Peter Meckel vom Landesverband Eulenschutz in Schleswig-Holstein. „Durch die guten Bedingungen wurden sogar zwei Schachtelbruten von Schleiereulen gemeldet.“ Damit wird eine zeitliche Überlagerung von zwei Bruten bezeichnet, bei der gleichzeitig die Ästlinge versorgt und ein zweites Nest mit neuen Eiern bebrütet wird.

In Stormarn werden Gebietsbetreuer für Vögel gesucht

Neben den Schleiereulen gebe es in Stormarn vor allen den Waldkauz, die Waldohreule und den Uhu. „Von ganz Europa ist Schleswig-Holstein das am dichtesten besiedelte Land mit Uhupaaren“, sagt der Eulenexperte. Ob sich die Jungvögel langfristig gut entwickeln, entscheide sich erst in den nächsten Monaten. Durch die späte Zweitbrut im August seien viele Vögel noch empfindlich, gerade bei Herbststürmen und feuchter Witterung. „Derzeit erreichen mich viele Meldungen, dass Jungvögel ein Revier suchen“, sagt Meckel zum Abendblatt. „Vom Eulenschutz stellen wir Nisthilfen zur Verfügung.“

In Stormarn werden Gebietsbetreuer gesucht, die die Nistkästen zur Brutzeit kontrollieren und das Ergebnis protokollieren. Ansprechpartner ist Dirk-Peter Meckel, Telefon 04892/85 94 06.