Bargteheide. 90 Prozent der einstigen Flächen sind zerstört. Dabei speichern Torf-Moose mehr Kohlendioxid als alle Wälder zusammen.
„Das Bargteheider Moor ist tot.“ Zu diesem erschreckenden Befund kam Ingo Hartung im März 2016. Heute, knapp vier Jahre später, fällt das Urteil des Naturkundlers kaum weniger drastisch aus. „Wenn die Entwässerungsgräben nicht geschlossen und der Verbuschung nicht schnellstens Einhalt geboten wird, ist in ein paar Jahren gar nichts mehr übrig. Für das Moor ist es nicht fünf vor, sondern längst zehn nach zwölf“, sagt Hartung.
Kerngebiet des Bargteheider Moores ist erheblich geschrumpft
Wie richtig der 64-Jährige mit seiner Einschätzung liegt, davon konnten sich am Sonnabend 130 Teilnehmer einer Wanderung durch das Moor überzeugen, zu der Bargteheides Grüne eingeladen hatten. 45 Hektar umfasste das Areal einstmals. Doch durch den Torfabbau bis 1900, eine massive Entwässerung zur Schaffung von Weide- und Mahdflächen sowie zunehmend trockene Sommer ist das Kerngebiet des Moores auf eine Fläche von etwas mehr als einen Hektar geschrumpft.
Das ist insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um einen effektiven Klimaschutz ein veritables Drama. Denn längst gilt als wissenschaftlich belegt, dass Moore durch ihre Torf-Moose deutlich mehr Kohlendioxid (CO2) binden, als alle Wälder der Erde zusammen. Von weltweit 250 Milliarden Tonnen pro Jahr ist die Rede. Dabei entfallen gerade drei Prozent der gesamten Landfläche, etwa vier Millionen Quadratkilometer, auf Moore.
Bei einer Entwässerung wird viel Kohlendioxid freigesetzt
Umgekehrt setzen trockengelegte Moore zuvor gespeicherte Schadstoffe wieder frei. Laut Untersuchungen der Uni Kiel setzt Grünland auf einer Moorfläche, deren Wasser um 40 Zentimeter abgesenkt wird, im Jahr rund 51 Tonnen CO2 pro Hektar frei. Bei Ackerflächen steigen die Emissionen gar auf mehr als 75 Tonnen. In der Summe sind entwässerte Moore und Feuchtgebiete ebenso wie abgeholzte Wälder für rund 20 Prozent der weltweiten Freisetzung des Treibhausgases Kohlendioxid verantwortlich. „Deshalb ist Moorschutz nicht nur ein wertvoller Beitrag für die Artenvielfalt in der Tier- und Pflanzenwelt, sondern zugleich aktiver Klimaschutz“, so Ingo Hartung.
Kein Wunder also, dass auf breiter Front ein Umdenken beim Umgang mit Moorflächen eingesetzt hat. Mit der Novellierung des ersten Naturschutzgesetzes wurde in Schleswig-Holstein zwar bereits ab 1973 der Moorabbau verboten. Naturschutzorganisationen fordern darüber hinaus aber, auch das Trockenlegen von Moorflächen zu verbieten und sie stattdessen wieder zu vernässen, wo immer das noch möglich ist.
90 Prozent der einstigen Moorflächen sind weitgehend zerstört
In Deutschland gelten gerade noch ein bis zwei Prozent der einstigen Moorflächen als intakt, 90 Prozent sind weitgehend zerstört. Im Nienwohlder Moor etwa wurde bis weit in die 1970er-Jahre auf 84 Hektar Torf industriell abgebaut. Dabei verlor eines der bedeutendsten nationalen Atlantikhochmoore zwei Meter an Höhe. Erst 1982 wurde es unter Naturschutz gestellt und durch intensive Wiedervernässung renaturiert.
„Heute gibt es noch 174 kartierte Moorflächen im Kreis Stormarn, die aber insgesamt nur noch rund 330 Hektar umfassen“, sagt Joachim Schulz, Leiter der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises. Sie seien zumeist eingebettet in Naturschutzgebiete, die teilweise sogar den Namen der Moore tragen. „Die tatsächlichen Moorflächen bilden zumeist aber nur noch begrenzte Teilbereiche der unter Naturschutz stehenden Areale“, erläutert Schulz.
In Bargteheide war das Areal bis 1975 auch Mülldeponie
Obwohl das Bargteheider Moor, das bis 1975 unter anderem als Mülldeponie genutzt wurde, nie unter Schutz gestellt wurde, begrüßt Philipp Meinecke von der Stiftung Naturschutz Bemühungen, Restflächen des Moores durch die Stadt zu sichern. „Um hier wirklich etwas bewirken zu können, bedarf es aber größerer, möglichst zusammenhängender Areale“, gibt er zu bedenken. Zwar befindet sich bereits rund die Hälfte des Terrains in kommunalem Eigentum. Doch ein Großteil des Restes gehört rund einem halbem Dutzend Grundeigentümern, mit denen Ankaufverhandlungen geführt werden müssen.
Mit ihrem Vorstoß ist die CDU-Fraktion auf viel Zustimmung gestoßen. Den Grünen ging deren Antrag indes nicht weit genug. „Es reicht nicht, Flächen nur zu erwerben und unter Schutz zu stellen“, so Fraktionschefin Ruth Kastner. In der Folge müssten die Flächen auch professionell betreut werden, wofür etwa die Stiftung Naturschutz ein kompetenter Partner sein könnte. Der unerwartet große Zulauf bei der Moorwanderung habe gezeigt, dass das Thema Klimaschutz immer mehr Bürger bewege und die Bereitschaft, sich einzubringen, steige.