Bad Oldesloe. Wegen der Corona-Krise brechen Auftragszahlen ein. Kammer meldet Hunderte Anfragen täglich. Erste Betriebe schließen.

Hohe Unsicherheit, massive Existenzängste durch ausbleibende Kunden und Aufträge, Hoffnung auf schnelle Hilfen: So fasst die für den Kreis Stormarn zuständige Handwerkskammer Lübeck die Lage in der Branche in der Corona-Krise zusammen. „Uns erreichen jeden Tag mehrere Hundert Anfragen, die Leitungen stehen nicht still“, sagt Hauptgeschäftsführer Andreas Katschke. „Alle verfügbaren Kapazitäten stecken wir derzeit in die Beratung unserer Mitgliedsbetriebe.“ Dabei ist persönlicher Kontakt tabu: Alle Bereiche sind telefonisch und per E-Mail zu erreichen.

Stormarns Friseure haben keine Einnahmen mehr

Ähnlich sieht’s bei der Kreishandwerkerschaft Stormarn in Bad Oldesloe aus. „Unsere Betriebe sind in diesen schwierigen Zeiten froh über jede planerische Unterstützung“, sagt Geschäftsführer Marcus Krause. Elf Innungen werden betreut, von Bäckern und Friseuren übers Bau-, Sanitär und Elektrogewerbe bis zu Kfz-Betrieben, Malern und Tischlern. „Die Probleme sind sehr unterschiedlich, mal fehlt Ware, mal sagen Kunden Aufträge ab“, so Krause.

Stormarns Friseure mussten bereits komplett schließen, haben keine Einnahmen mehr. Aber auch andere haben den Betrieb vorübergehend eingestellt, darunter Kreishandwerksmeister Björn Felder in seiner Kfz-Werkstatt in Bad Oldesloe. Er schreibt an seine Kunden: „Auch wir möchten in dieser schweren Zeit verantwortungsbewusst für Sie und unsere Mitarbeiter handeln. Deshalb bleiben wir zu Hause.“

Bei der Arbeitsagentur melden sich alle Branchen

Alle Kapazitäten in die Beratung der Firmen: Marcus Krause ist Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft in Stormarn.  
Alle Kapazitäten in die Beratung der Firmen: Marcus Krause ist Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft in Stormarn.   © Melissa Jahn

Kurzarbeit ist für viele Handwerksfirmen unvermeidbar. „Wir erleben einen enormen Informations- und Beratungsbedarf der Unternehmen aus den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg“, sagt Heike Grote-Seifert, Chefin der Agentur für Arbeit Bad Oldesloe. „Die Anfragen erreichen uns allen Branchen.“ Landesweit hatten bis vergangenen Freitag schon mehr als 1400 Betriebe Kurzarbeit beantragt. Aktuelle Zahlen auch für die Kreise werden mit dem März-Arbeitsmarktbericht am Dienstag, 31. März, veröffentlicht.

Die Zimmerei Johnsen in Grande steht für viele Mittelständler in Stormarn. „Leerlauf wird durch Abbau von Überstunden und Urlaub abgefedert“, sagt Geschäftsführer Andreas Johnsen. „Des Weiteren sind wir dann auf Kurzarbeitergeld angewiesen.“ Entlassungen schließe er aus. „Ich stehe auch in schlechten Zeiten zu meinen Mitarbeitern, das haben sich diese über Jahre durch Ihre Loyalität verdient.“

Noch würden wenige Aufträge storniert. „Allerdings ist die Akquise komplett ins Stocken geraten.“ Termine bei Kunden oder im Büro seien nicht mehr möglich, einzig Beratungen am Telefon. „Das wird sich sicher längerfristig durch fehlende Aufträge bemerkbar machen.“ Die monatlichen Fixkosten von circa 180.000 Euro könne das Kurzarbeitergeld um circa 60.000 Euro mildern. Wenn der Betrieb wieder laufe, komme das Geld erst mit Verzögerung aufs Konto. „Da wir ja immer erst nach erbrachter Leistung bezahlt werden, würde das auch noch etwa einen Monat ausmachen“, so Johnsen zum Abendblatt.

Zimmereichef sieht Kredite per Gießkanne kritisch

Der Geschäftsführer erwartet eine große Zahl an Kurzarbeitanträgen. „Die Erlangung sollte deutlich vereinfacht und beschleunigt werden, denn eine kurze Bearbeitungsdauer ist sehr wichtig.“ Dass auch günstige Kredite in Aussicht gestellt werden, betrachte er wohlwollend, doch eine Verteilung mit der Gießkanne berge auch Risiken. „Wenn ich dies mit der Zeit nach 2009 vergleiche, als viele Betriebe in die Insolvenz gegangen sind, aber nur kurze Zeit später eine neue Firma gegründet haben, sehe ich auf alle seriös geführten Betriebe sehr schwere Zeiten zukommen.“

Wer seine schuldlos angehäuften Schulden zurückzahle, sei gezwungen, höhere Preise zu nehmen, um wirtschaftlich zu arbeiten. Das führe wiederum zu Auftragsrückgang. Johnsen: „Es sollte geprüft werden, ob die Schwierigkeiten tatsächlich auf diese besondere Situation zurückzuführen sind.“ Für kleine Betriebe mit bis zu drei Mitarbeiter sei dagegen ein einmaliger Zuschuss sinnvoll, da diese die zusätzlichen Kosten nur schwer erwirtschaften könnten.

Kammer selbst leistet auch einen kleinen Beitrag

Die Handwerkskammer Lübeck betont, dass die 21.000 klein- und mittelständisch strukturierten Betriebe in ihrem Gebiet (Städte Kiel, Lübeck und Neumünster, Kreise Herzogtum Lauenburg, Segeberg, Stormarn, Ostholstein, Pinneberg, Plön und Steinburg) ein wichtiger Wirtschaftsfaktor seien. Das regionale Handwerk habe rund 100.000 Mitarbeiter, bilde 10.000 Lehrlinge aus.

„Die Zeit drängt. Für einige Handwerker, vor allem für Kleinstunternehmen, kommt es dabei schon auf Tage an“, sagt Hauptgeschäftsführer Andreas Katschke. Die Kammer selbst leistet auch einen kleinen Beitrag: Sie setzt die für Ende März geplante Versendung der Beitragsbescheide vorerst aus.

Wie wirkt sich Kurzarbeit auf die Rente aus?

Laut Deutscher Rentenversicherung Nord sind die Folgen von Kurzarbeit für die Rente relativ gering. Sozialversicherungsbeiträge werden auf den reduzierten Verdienst vom Beschäftigten und Arbeitgeber gezahlt. Dieser muss die Beiträge aufstocken. Hierfür werden 80 Prozent des ausgefallenen Entgelts zugrunde gelegt. Diesen Zusatzbeitrag muss der Arbeitgeber tragen. Der Bund hat beschlossen, Firmen die Sozialversicherungsbeiträge bei Kurzarbeit jetzt voll zu erstatten.

Ein Beispiel: Wenn jemand wegen Kurzarbeit ein Jahr lang nur 1500 statt 3000 Euro brutto monatlich verdient, sind das später drei Euro weniger Rente im Monat.