Grönwohld/Reinbek. Biersommelier möchte seine Anlage vorübergehend Apothekern zur Verfügung stellen. Krankenhaus sieht rechtliche Probleme.
Normalerweise stellt Torsten Schumacher in seiner Brauerei in Grönwohld rund 500 Liter Bier pro Brauvorgang her. Doch wegen der Corona-Krise will der 60-Jährige die Produktion nun unterbrechen, die Anlage stattdessen Apothekern zur Verfügung stellen. Sein Vorschlag: Diese könnten Braukessel und Gärtanks nutzen, um dort dringend benötigte Desinfektionsmittel in großen Mengen herzustellen, zum Beispiel für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen.
Technik sei bestens für die Herstellung geeignet
„Wir haben intern überlegt, wie wir in dieser Situation den Menschen helfen könnten. Das ist aktuell wesentlich wichtiger, als Bier herzustellen“, sagt Schumacher. Seinem Sohn sei dann am Wochenende diese Idee gekommen, anschließend habe er sich umfassend im Internet informiert und Kontakt zu Apothekern und Krankenhäusern in der Region aufgenommen. Erste Rückmeldungen seien sehr positiv gewesen, sagt der Biersommelier. Er betont: „Wir wollen damit nichts verdienen, die Notlage nicht ausnutzen.“ Die Anlage wolle er zum Selbstkostenpreis bereitstellen.
Die Technik ist seiner Ansicht nach bestens für die Herstellung von Desinfektionsmitteln geeignet. So gebe es zum Beispiel ein Rührsystem, das benötigt werde, um die Desinfektionsmittelbestandteile Ethanol, Wasserstoffperoxid, Glycerol und Wasser zu mischen. Zudem habe er erfahren, dass die angerührte Substanz 72 Stunden lagern müsse, bevor sie einsatzbereit sei. Dafür könnten die Gär- und Lagertanks der Brauerei genutzt werden, so Schumacher. „2500 Liter könnten wir sofort zwischenlagern, in der nächsten Woche bis zu 6000 Liter.“ Wenn Apotheker eigene Tanks mitbrächten, seien auf dem Gelände weitere Lagerkapazitäten vorhanden. „Zudem haben wir bei uns die Möglichkeit, die Abfüllung vorzunehmen.“
Pro Tag könnten 1100 Liter angemischt werden
Die Herstellung will Torsten Schumacher den Fachleuten überlassen, sagt: „Wir wollen nicht als Produzent auftreten.“ Apotheker sollen die Zutaten selbst mitbringen. Etwa 1100 Liter Desinfektionsmittel könnten seinen Berechnungen zufolge pro Tag in seiner Brauerei angemischt werden. „Ich habe von Apothekern gehört, dass sie die ihnen zugeteilten Mittel gar nicht alle verarbeiten können, weil ihnen vor Ort die Kapazitäten fehlen“, sagt der Grönwohlder, der wie viele Unternehmer mit der aktuellen wirtschaftlichen Situation zu kämpfen hat. „Wir leben von unseren Bierevents“, sagt Schumacher. Doch allein im März habe er um die zwölf Veranstaltungen absagen müssen.
Der Hofverkauf wird zwar fortgesetzt, aber unter besonderen Bedingungen. Besucher werden nur einzeln hereingelassen, müssen sich vorher die Hände desinfizieren. Im Verkaufsraum wurde eine Schutzzone eingerichtet, die Abstand zum Verkäufer sicherstellt. Auch hat die Brauerei einen Lieferdienst eingerichtet. „Wir wissen nicht, ob wir die Corona-Krise wirtschaftlich überstehen“, sagt Schumacher. Für seine Auszubildende Lena Patent, die sich im zweiten Lehrjahr zur Veranstaltungskauffrau befindet, habe er Kurzarbeit angemeldet.
Reinbeker Krankenhaus prüft eigene Herstellung
Schumacher hat sich bereits an das Gesundheitsamt des Kreises Stormarn gewandt mit der Bitte, ihm eine Genehmigung für das Vorhaben zu erteilen. Die Behörde sei dafür aber nicht zuständig, wie Kreissprecher Michael Drenckhahn auf Abendblatt-Anfrage sagt. Letztlich müssten die Apotheker, die in Schleswig-Holstein eine Sondergenehmigung für die Herstellung von Desinfektionsmitteln vom Gesundheitsministerium erhalten haben, darüber entscheiden, ob die Brauanlage die gestellten Vorgaben erfülle und als Produktionsstätte infrage komme. Der Kreis sei erst zuständig, wenn die Firma die Brauerei später wieder für ihren ursprünglichen Zweck nutzen wolle. „Dann müsste unser Fachdienst für Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung den Zustand der Kessel überprüfen“, sagt Drenckhahn.
Das Reinbeker Krankenhaus St. Adolf-Stift hat sich bereits mit dem Angebot des Grönwohlders beschäftigt. „Wir finden die Idee super, aber die Rechtslage lässt dieses Vorgehen nicht zu“, sagt Krankenhaussprecherin Andrea Schulz-Colberg. „In Schleswig-Holstein gibt es eine Sondergenehmigung für Apotheker: Diese dürfen in Apotheken Desinfektionsmittel herstellen, aber nirgendwo anders.“ Derzeit bekommt die Klinik ihre Desinfektionsmittel ausschließlich fertig geliefert. „Die Versorgungslage ist zwar schwierig“, sagt Schulz-Colberg. „Aber wir befinden uns noch nicht in einer Notlage.“ Das St. Adolf-Stift prüfe aber, Desinfektionsmittel selbst herzustellen.
Torsten Schumacher will seinen Plan so schnell nicht aufgeben
Das Krankenhaus betreibt eine eigene Apotheke. Bei akuten Versorgungsengpässen könnten Apothekenmitarbeiter die Aufgabe übernehmen. „Wir bereiten aktuell alles vor, die Bestellung für die Bestandteile geht diese Woche noch raus“, sagt die Krankenhaussprecherin. Sobald alle Auflagen erfüllt seien, könnte das Krankenhaus mit der Produktion in kleineren Mengen beginnen – wenn dies erforderlich sei.
Torsten Schumacher will seinen Plan so schnell nicht aufgeben, hat unter anderem Apotheken in Trittau und Lütjensee angeschrieben und ihnen eine Zusammenarbeit angeboten. Auch auf der Internetplattform Facebook verbreitet er sein Vorhaben. „Wir haben ein riesiges Feedback erhalten“, sagt der Biersommelier. „Das zeigt, wir müssen das einfach machen. Denn der Bedarf ist da.“