Hamberge. Landwirte klagen über zu wenig Arbeitskräfte aus Südosteuropa auch wegen geschlossener Grenze und fordern Hilfe der Politik.

Das Corona-Virus stellt Spargel- und Obstbauern im Kreis Stormarn vor ungeahnte Probleme. Wegen der geschlossenen Grenzen können saisonale Erntehelfer nicht wie gewohnt aus Südosteuropa anreisen. Manche fürchten sich vor einer Ansteckung hierzulande und bleiben ohnehin freiwillig fern. Die Landwirte fordern nun Unterstützung von politischer Seite. Sonst ist zumindest ein Teil der Ernte ernsthaft in Gefahr.

Von 24 nötigen Erntehelfern sind nur zehn angereist

Arbeitsbeginn auf dem Spargel-Hof von Matthias Beeck: Mit der Spargelspinne bringen die Erntehelfer die Folie auf den Dämmen an.
Arbeitsbeginn auf dem Spargel-Hof von Matthias Beeck: Mit der Spargelspinne bringen die Erntehelfer die Folie auf den Dämmen an. © Melissa Jahn

Eigentlich könnte Matthias Beeck vom gleichnamigen Spargelhof in Hamberge frohen Mutes sein: Endlich haben die starken Regenfälle aufgehört. Die Bo-dentemperatur klettert in die Höhe, die Arbeiten auf dem Feld beginnen gerade noch rechtzeitig. Doch die Corona-Pandemie bereitet dem 48 Jahre alten Landwirt schlaflose Nächte. Von 24 benötigten Erntehelfern sind zehn angereist, vier noch in letzter Sekunde aus Bukarest in Hamburg gelandet. Wenn die Verstärkung nicht in den nächsten zwei Wochen nachrückt, sieht es eng aus auf dem Spargelhof. „Als Betrieb planen wir nicht mit einem großen Überhang an Leuten, sondern rechnen die benötigten Kräfte gut aus“, sagt Beeck besorgt. „Ohne zusätzliche Helfer ist die Ernte nicht zu schaffen.

Anfang April sollen die ersten Stangen gestochen werden – so der Plan. Bereits jetzt fahren die Männer mit der sogenannten Spargelspinne übers Feld. Zuerst kommt die schwarze Folie auf die Dämme, um den schneeweißen Spargel vor Sonne zu schützen, damit er sich nicht violett verfärbt. Über die erste Schicht ziehen die Helfer eine durchsichtige Folie, die als Wärmespeicher dient, Erde und Stangen auch nachts nicht restlos auskühlen lässt. Sieben solcher Geräte hat Matthias Beeck, um 26 Hektar zu bearbeiten. In Anbetracht der derzeitigen Situation viel zu wenig. „Die Spargelspinne spart Arbeit“, so der Spargelbauer. „Jetzt mehr in Maschinen zu investieren, ist jedoch keine Option.“ 2005 hat er den Hof übernommen, der seit 1639 in Familienbesitz ist.

„Uns bleibt nichts anderes übrig als abzuwarten“

Spargel wird hier seit 30 Jahren angebaut. Trotz Unwägbarkeiten durch Wetterschwankungen oder veränderte rechtliche Bedingungen wie die Einführung des Mindestlohns habe es noch keinen Ausnahmezustand wie in diesem Jahr gegeben, sagt Beeck. Der Spargel mache einen großen Anteil des Jahresumsatzes aus, Bereiche der Flächen nicht abernten zu können, wäre ein „großes Desaster“. Bisher habe er mit seinen Männern großes Glück gehabt und, um seine Stammmannschaft zu halten, stets Wert auf eine gute Unterbringung und ein angenehmes Betriebsklima gelegt. Die Belegschaft aus Rumänien und Polen wolle anreisen, doch die Lage an den Grenzen sei derzeit undurchschaubar.

„Welche Grenzen geschlossen werden, ändert sich täglich“, sagt auch Bastian Soltau, Spargelbauer aus Barsbüttel. „Uns bleibt nichts anderes übrig als abzuwarten.“ Im Süden des Kreises sind die Vorbereitungen für die Ernte ebenfalls voll im Gange. Eine früh angereiste Gruppe Arbeiter kann die zwölf Hektar Grund bisher gut bestellen. Sorge bereitet Soltau jedoch der baldige Saisonstart, auch weil ein Teil der Vermarktung über Gastronomiebetriebe geregelt ist, die der Hof im Umkreis beliefert. Neben Erntehelfern werden im April auch Aushilfsfahrer und Verkäufer benötigt. Ob diese rechtzeitig abgerufen werden können, sei nicht gewiss.

Die Arbeit müssen eingearbeitete Kräfte vom Land übernehmen

Erdbeerhof-Betreiber Enno Glantz (l.) und sein Technik-Chef Thiess Albers vor dem selbstgebauten Mähwerk. 
Erdbeerhof-Betreiber Enno Glantz (l.) und sein Technik-Chef Thiess Albers vor dem selbstgebauten Mähwerk.  © René Soukup

Soltau beunruhige die Nachrichtenflut, nicht zu wissen, was morgen passiere. Dem Vorstoß von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU), arbeitslose Kellner und Köche für die Arbeit auf dem Feld einzusetzen, stehe er mit Skepsis gegenüber. „Dies ist eine Idee, die auf dem Bürotisch entstanden ist“, sagt Soltau. „In der Praxis ist das si-cherlich nicht einfach umsetzbar.“

Das sieht Enno Glantz vom gleichnamigen Erdbeerhof in Delingsdorf ähnlich. Er verkauft zwar Spargel, bezieht die weißen Stangen aber aus einem Partnerbetrieb in Beelitz bei Potsdam. „Büroangestellte zum Spargelstechen zu gewinnen, ist eine Illusion und würde unweigerlich zu einer Katastrophe führen“, sagt Glantz. „Diese Arbeit müssen eingearbeitete Kräfte vom Land übernehmen. Sonst ist es weder für die Mitarbeiter noch den Betrieben gegenüber fair.“ Rund 15 Prozent des Umsatzes macht der Erdbeerhof in der Regel mit dem Spargelverkauf.

Es werden auch Aushilfsfahrer und Verkäufer benötigt

Neben dem gefürchteten Einnahmeneinbruch zwingt das Corona-Virus Enno Glantz schon jetzt zu ersten Maßnahmen: Das Restaurant Glantz & Gloria musste schließen. „Vergangenen Sonntag hatten wir nur 30 Prozent des normalen Umsatzes“, sagt der Betreiber. „So kann ein Betrieb nicht aufrechterhalten werden. Unsere Mitarbeiter gehen zunächst in Kurzarbeit.“ Glantz, der seine Erdbeerernte ebenfalls mit Saisonarbeitskräften aus Südosteuropa bestreitet, ist besorgt und pocht anstelle möglicher Kredite auf Ausnahmeregelungen für Erntehelfer. Andernfalls müssten die Betriebe mehr Gewinn einfahren, um ihre Geldgeber bedienen zu können, doch dies sei unrealistisch.

Sieben Wochen bleiben noch bis zur Erdbeerernte, deren Vorbereitungen jetzt starten. Einige Arbeiter seien schon abgesprungen. „Innerhalb von drei Monaten müssen wir unseren Jahresumsatz erzielen“, sagt Glantz. „Wir Obstbauern werden das nicht verkraften, wenn die Regierung den Ernst der Lage nicht rechtzeitig erkennt.“

Vor allem Gemüsebetriebe benötigten Hilfe

Um Arbeitskräfte zu mobilisieren, müsse in Zeiten von Corona nach jedem Strohhalm gegriffen werden, sagt Daniela Rixen von der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein. Sie gehe davon aus, dass zur Schadensbegrenzung schon bald Studenten und Schüler dazu angehalten werden könnten, landwirtschaftliche Betriebe zu unterstützen.

Vor allem Gemüsebetriebe benötigten Hilfe, um Jungpflanzen in den Boden zu bringen, die andernfalls nicht rechtzeitig reif zur Ernte sind. Die Politik sei im Gespräch, der Faktor Zeit spiele insbesondere beim Spargel jedoch eine große Rolle. „Er kann im August nicht nachgeerntet werden“, sagt Daniela Rixen. Die Solidarität und der Wille zu helfen, sei groß.