Ahrensburg/Lütjensee. Gastronomiebetriebe im Kreis fürchten um ihre Existenz. Viele Betreiber überlegen, ob sie Kurzarbeit beantragen sollen.
Die Sonne strahlt vom Himmel, das Gewässer am Forsthaus Seebergen in Lütjensee liegt da wie gemalt. An einem ganz normalen Frühlingstag wären jede Menge Gäste und Spaziergänger auf dem Gelände des Hotel- und Gaststättenbetriebes unterwegs, doch niemand ist zu sehen. Das Restaurant ist geöffnet. Es herrscht fast gespenstische Stille, auch hier kein einziger Gast. An den Gesichtern der Geschäftsführer Franziska und Alexander Genke lässt sich ablesen, dass der Schock über die veränderte Situation tief sitzt. Alexander Genke sagt: „Seit heute morgen herrscht Stillstand.“ Franziska Genke ergänzt: „Alle, die bis jetzt noch nicht abgesagt haben, sagen jetzt ab. Da kommen Existenzängste hoch.“
Die Unsicherheit macht den Gastronomen zu schaffen
Etwa 30 Teilzeit- und Vollzeitkräfte arbeiten in dem Familienbetrieb. „Wir sind eng mit unseren Mitarbeitern verbunden. Bisher konnten sie sich darauf verlassen, bei uns sicher aufgehoben zu sein“, sagt Alexander Genke. Jetzt denkt das Ehepaar über Kurzarbeit nach. Genke ist froh, dass er in der Sache bereits am Sonnabend eine E-Mail an die zuständige Beraterin beim Arbeitsamt verschickt hat, denn per Telefon sei am Montag kein Durchkommen gewesen.
Immerhin hat er als Antwort Informationen und Formulare bekommen, jede Menge Seiten. „Beim Ausfüllen kann man ohne Beratung viel falsch machen“, befürchtet der gelernte Koch, der die bürokratischen Anforderungen als zu hoch moniert. Der Staat habe zwar Zusagen zur Unterstützung der Betriebe gemacht. „Doch was hilft es, wenn wir einen zinslosen Kredit aufnehmen, den wir wegen der Umstände dann auch nicht zurückzahlen können“, fragt Franziska Genke. Für sie fühle sich die Situation surreal an, denn das Coronavirus sei für sie nicht greifbar. „Die Auswirkungen, also die Stornos, bekommen wir dagegen direkt zu spüren.“
Die Situation verändere sich ständig
Er wache derzeit mit einem mulmigen Gefühl auf, beschreibt ihr Mann. Jedesmal, wenn er die Neuigkeiten gerade verarbeitet habe, verändere sich die Situation erneut. Trotzdem: „Ich suche immer wieder nach positiven Aspekten und versuche mir einen Plan zu machen.“ Alle Investitionen müssten zurückgestellt werden, der hohe Warenbestand – so weit es geht – , eingefroren werden. „Bei Salat und Möhren geht das natürlich nicht“, sagt er. Für zwei seiner fünf Azubis sollten im April die Gesellenprüfungen beginnen. Keiner wisse, ob es dabei bleibe. Alexander Genke will die Zeit nutzen, um sich intensiver mit ihnen zu beschäftigen und sie vorzubereiten. Seine Frau sagt, sie plane so, als ginge es nach der Frist vom 19. April weiter wie zuvor. „Es kann ja keiner seriöse Voraussagen treffen!", sagt sie. Sie hoffe auf Unterstützung: „Je mehr, desto länger halten wir durch.“
Alexander Genke bringt auf den Punkt, worum es geht: „Wir sind verpflichtet, unseren Mitarbeitern die Stange zu halten und alles dafür zu tun, das hier zu erhalten, damit es weitergehen kann.“ Allerdings sei eines klar: „In drei Monaten ist es dazu zu spät.“
Auch Trittauer Gastronom steht vor leeren Tischen
In Ahrensburg hat der Betreiber des Bar-Restaurants Ramrob, Ramon Loizou, vorsorglich bereits am Donnerstag die Tische auseinandergerückt. Wer das Ramrob betritt, wird von einem freundlichen Mitarbeiter aufgefordert, seine Hände zu desinfizieren und seine Kontaktdaten aufzuschreiben. Dafür liegen jede Menge Bleistifte bereit, damit nicht alle denselben Stift benutzen müssen. „Ich habe die Plätze um die Hälfte reduziert, sagt Loizou, der aufgrund der veränderten Lage jetzt auch Essen zum Mitnehmen anbietet. „Einfach anrufen und bestellen“, sagt er. Loizou hat 15 Mitarbeiter und Auszubildende, Kurzarbeit ist derzeit noch kein Thema für ihn. Er will abwarten, wie sich alles entwickelt. Er sei sich bewusst, dass der Kostenapparat bei so viel Personal und Miete immens sei, aber „Gesundheit geht vor“. Er sagt: „Ich bin prinzipiell ein sehr positiver Mensch und komme mit der Situation zurecht.“
Vor leeren Tischen steht auch Afrim Musa, Gastronom aus Trittau. Innerhalb kurzer Zeit hat er sein italienisches Restaurant Luna zu einer der gefragtesten Lokalitäten des Ortes gemacht. Ohne Vorbestellung war hier zuletzt, vor allem an Wochenenden, kein Tisch zu bekommen. Das hat sich seit Ausweitung der Corona-Krise grundlegend verändert. Und das, obwohl Musa wegen der neuen Hygienebestimmungen jeden zweiten Tisch „stillgelegt“ hat. „Doch nicht mal die eingedeckten Tische bekommen wir noch voll, seit einer Woche hagelt es Absagen“, sagt er dem Abendblatt. Am schlimmsten sei es am Freitag gewesen, an dem unter anderem eine Reservierung für 17 Personen platzte.
Nicht jeder Gast will seine persönlichen Daten hinterlassen
Am Sonnabend fanden nur noch 35 Gäste den Weg ins Luna, das rund 60 Sitzplätze hat. „Besonders Gruppen mit älteren Menschen bleiben fort. Für Donnerstag, 19. März, sind alle Reservierungen zurückgezogen worden“, sagt Musa und zeigt frustriert die Streichungen in seinem Bestellbuch. Momentan herrsche viel Ungewissheit, wie es weitergehen soll. Aktuell hat er seine sechsköpfige Crew noch nicht reduziert. Er könne aber nicht absehen, wie lange sich das durchhalten lasse. Musa: „Wir hoffen und beten, dass sich die Lage bald wieder entspannt.“ Vor allem die Mitarbeiter mit Familie würde eine Personalreduzierung hart treffen.
Zusätzlich erschwert werde das Geschäft, weil nicht jeder Gast ohne weiteres bereit sei, seine persönlichen Daten zu hinterlassen. Merkwürdig findet Musa auch, dass er bislang noch kein amtliches Schreiben zu den neuen Anforderungen an die Fortsetzung eines gastronomischen Betriebes bekommen habe: „Alles, was wir darüber wissen, haben wir aus den Medien erfahren.“