Bad Oldesloe. Ministerium schließt Kitas und Schulen. Hotels beklagen Einbußen. Kliniken untersagen Besuche. Rathäuser erarbeiten Notfallpläne
Landrat Henning Görtz bezeichnet den Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus als beispiellose „Herausforderung“ und „echte Krisensituation“ für den Kreis. „Allen Stormarnern muss klar sein, dass sie in den kommenden Wochen in ihrem Alltag vielen Einschränkungen unterworfen sein werden“, sagt Görtz. Er spüre jedoch viel Verständnis für die einschneidenden Maßnahmen. „Der Ernst der Lage ist den meisten bewusst“, so Görtz.
Für Schüler wird eine Betreuung in den Schulen organisiert
Spätestens mit der Entscheidung der Landesregierung in Kiel, dass ab Montag alle Kitakinder und Schüler möglichst zu Hause bleiben sollen, haben die Folgen der Epidemie eine neue Stufe erreicht. Die Kitabetreuung und der Lehrbetrieb für die Schüler aller Klassenstufen wird bis zum Ende der Osterferien am 19. April ausgesetzt. Sämtliche Prüfungen, inklusive der fürs Abitur, werden auf einen späteren Zeitpunkt verlegt.
Für Schüler der Klassen 1 bis 6 wird bis Mittwoch, 18. März, eine Betreuung in den Schulen organisiert, für Kitakinder bis Freitag, 20. März. Sie ist indes Kindern vorbehalten, deren Eltern in einem Bereich „zur Aufrechterhaltung wichtiger Infrastrukturen“ tätig sind. Allerdings auch nur dann, wenn keine alternative Betreuung der Kinder organisiert werden kann. Zu den betreffenden Bereichen gehören insbesondere Mitarbeiter von Kliniken, Pflegeeinrichtungen, pharmazeutischen Unternehmen, Energie- und Wasserbetrieben, der Lebensmittelindustrie, von Justiz, Polizei und Feuerwehr, sowie Erzieher und Lehrer.
Ahrensburger Verwaltung will Homeoffice ermöglichen
Mutter Tanja Jäger aus Jersbek hat bisher noch keine Ahnung, wie sie fünf Wochen ohne Kinderbetreuung überbrücken soll. Deshalb hoffe sie auf eine baldige Entscheidung ihres Arbeitgebers. Dass sie und ihr Mann bei der Stadt Ahrensburg angestellt seien, mache die Sache nicht einfacher. „Montag kann ich erst einmal zu Hause bleiben. Wie es dann weiter geht, ist bislang aber ungewiss“, sagt die Mutter zweier Kinder. Auf die Großeltern könne die Familie laut Empfehlung des Gesundheitsamtes nicht bauen. „Deshalb können wir nur hoffen, dass der Arbeitgeber das Ausfallgeld übernimmt“, so Jäger.
Die Ahrensburger Verwaltung will zumindest vielen Kollegen ohne direkten Kundenkontakt das Arbeiten im Homeoffice ermöglichen. Um die Ansteckungsgefahr für die Mitarbeiter zu reduzieren sollen jedoch etliche Leistungen eingeschränkt werden. „Im Bereiche der Daseinsfürsorge soll der Betriebe aber weitgehend gesichert bleiben“, so Sprecher Fabian Dorow. Alles Sitzungen der städtischen Gremien werden allerdings bis auf Weiteres ausgesetzt. In gleicher Weise hat unter anderem die Gemeinde Delingsdorf reagiert.
Landeselternvertretung unterstützt Entscheidung der Landesregierung
Wie der Erlass der Landesregierung im Kreis umgesetzt werden kann, berät der Verwaltungsstab des Kreises mit wichtigen Fachbereichen wie der Kommunalaufsicht, dem Rechts-, Sozial-, Jugend- und dem Gesundheitsamt an diesem Sonnabend in einer Sondersitzung in Bad Oldesloe. „Die Drähte haben schon am Freitag geglüht“, so Görtz. In einer Telefonkonferenz hätten die Landräte mit dem Sozialministerium das weitere Vorgehen besprochen. „Ziel waren einheitliche, abgestimmte Maßnahmen, um eine möglichst hohe Akzeptanz in der Bevölkerung zu erreichen“, sagte der Landrat dem Abendblatt.
Die Landeselternvertretung der Kitas hat die Entscheidung der Landesregierung in einer Botschaft an Sozialminister Heiner Garg ausdrücklich unterstützt. Die ergriffenen Maßnahmen seien mit Blick auf die Gefährdung vor allem älterer Menschen mehr als angemessen, auch wenn sie für berufstätige Eltern massive Probleme bedeuten. „Es ist unserer Ansicht nach ebenso richtig, die Umsetzung sofort und vor der Lösung aller Detailprobleme anzuordnen, denn Schnelligkeit ist das Gebot der Stunde“, so der LEV-Co-Vorsitzende Axel Briege.
Gesellschaftliches Leben kommt zum Erliegen
Er forderte alle Eltern auf, sich gegenseitig über das normale Maß hinaus in möglichst kleinen Einheiten zu unterstützen. Briege: „Es ist die Zeit gekommen, in der wir nicht mehr fragen sollten, was der Staat für uns tun kann, sondern wir für unseren Staat.“ Es liege eine große Chance darin, das wieder zu lernen.
Unterdessen kommt das gesellschaftliche Leben im Kreis zunehmend zum Erliegen. Das Stadtforum Ahrensburg hat den verkaufsoffenen Sonntag an diesem Wochenende abgesagt. „Die Einzelhändler hatten bereits viele Aktionen vorbereitet und finanziert. Doch nach der Allgemeinverfügung durch die Kreisverwaltung vom Donnerstag blieb uns gar keine andere Wahl“, erklärte die Sprecherin des Stadtforums, Antje Karstens. Allerdings gebe es die Zusage, den verkaufsoffenen Sonntag nachzuholen, obgleich nur vier im Jahr zulässig sind. „Angesichts der Vielzahl von städtischen Veranstaltungen dürfte es allerdings schwierig werden, einen alternativen Termin zu finden“, so Karstens.
Kein mit dem Coronavirus infizierter Patient im St. Adolf-Stift
Einen offiziellen Besuchsstopp verhängt hat das St. Adolf-Stift in Reinbek. Es folgt damit einer dringenden Empfehlung des schleswig-holsteinischen Gesundheitsministeriums. So soll verhindert werden, dass Besucher das Virus ins Krankenhaus tragen. Das sei besonders für Patienten gefährlich, die durch eine Operation ohnehin geschwächt sind. Ausgenommen von dem Verbot sind vereinzelte Besuche bei Schwerstkranken auf der Palliativstation und nach Vereinbarung auf anderen Stationen. „Damit die Patienten weiter mit ihren Angehörigen in Kontakt bleiben können, ist die Grundgebühr für Inlandsgespräche ausgesetzt worden“, sagt Sprecherin Andrea Schulz-Colberg.
Bislang gebe es noch keinen mit dem Coronavirus infizierten Patienten im St. Adolf-Stift. Dennoch sei eine komplette Station geräumt worden, um Patienten mit auffälligen Symptomen isolieren zu können. Um weitere freie Plätze auf der sonst ausgelasteten Intensivstation zu schaffen, sollen zudem langfristig geplante Operationen ausgesetzt werden. „Somit ist es möglich, die zwölf Plätze der Intensivstation um weitere Beatmungskapaziäten zu erhöhen“, so Schulz-Colberg.
Auch die Bäder des Kreises von Maßnahmen betroffen
Die Asklepios Kliniken haben sich indes für ein eingeschränktes Besuchsverbot entschieden. In Bad Oldesloe bedeute dies einen Besucher pro Tag, so Sprecher Mathias Eberenz. Die Klinik behalte sich ebenfalls vor, Operationen zu verschieben. Schon jetzt seien zusätzliche Beatmungsgeräte geordert worden, die je nach Bedarf verteilt werden können. „Um die Krankenhäuser nicht zu überfordern, ist es unabdingbar, dass sich Patienten mit Symptomen zuerst telefonisch bei ihrem Hausarzt oder dem Patientenservice 116 117 melden“, sagt Eberenz.
Betroffen von den ausgeweiteten Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus sind auch die Bäder des Kreises. Das Badlantic in Ahrensburg wird deshalb ebenso bis 19. April geschlossen bleiben, wie das Freizeitbad Reinbek. „Unsere Kunden sind besorgt, das Virus könne sich im Schwimmbad schneller verbreiten“, sagt Holger Kehl, Geschäftsführer des Freizeitbads. Bis zum Wochenende habe es schon einen Besucherrückgang um 25 Prozent gegeben, unter anderem bedingt durch Absagen von Schulen und Vereinen. Die bestätigt auch Badlantic-Geschäftsführer Frank-Ulrich Heel, der einen Besucherrückgang um 17 Prozent konstatierte. Das Travebad Bad Oldesloe hat laut Sprecherin Svenja Hansen derzeit noch keine Schließung vorgesehen.
50 Prozent Stornierungsrate im Sieker Hotel
Die Corona-Krise hat längst auch die Stormarner Hotels erreicht. „Gerade wurde eine Buchung von 5000 Euro storniert“, sagt Direktorin Sonja Fabisch vom Landhaus Hammoor. Vor allem Privatpersonen hätten viele Wochenendtrips im Zeitraum bis Mitte April abgesagt. „In den vergangenen fünf Tagen wurden 20 Prozent aller Buchungen zurückgezogen“, so Fabisch.
Auf 50 Prozent beläuft sich die Stornierungsrate im Sieker Hotel „Alte Schule“. Im Schnitt seien 15 von 19 Zimmer belegt, aktuell nur sieben. „Vor allem internationale Firmen stornieren ihre Übernachtungen“, sagt Geschäftsführer Hans-Ullrich Franke. Das Waldhaus Reinbek vermeldet eine Stornierungsrate von 40 Prozent. „Bis in den Mai hinein sind Übernachtungen und Veranstaltungen bereits abgesagt worden, primär von Firmen“, so Direktor Moritz Kurzmann.
Größte Disco des Kreises sagt alle Veranstaltungen ab
„Die Entwicklung ist dramatisch und existenzbedrohend, nicht nur in Hotels“, sagt Axel Strehl, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Schleswig-Holstein. Restaurants hätten zunehmend Probleme, da immer öfter Familienfeiern, aber auch Firmenbuchungen abgesagt werden. Ohne staatliche Hilfen würden viele Betreibe kaum über die Runden kommen.
Abgesagt sind auf unbestimmte Zeit alle Veranstaltungen im Fun-Parc Trittau, der größten Disco des Kreises. „Die strengen Auflagen sind kaum umsetzbar“, sagte Geschäftsführer Knut Walsleben dem Abendblatt. Außerdem sei das Risiko für die Gäste einfach zu hoch. „Wir wollen nicht gegen den Strom schwimmen, auch wenn der wirtschaftliche Schaden immens ist“, so Walsleben. Vier Wochen Zwangspause könne der Betrieb wohl verkraften, da er gut aufgestellt sei. Bei anderen Veranstaltern seien die Existenzängste aber schon jetzt groß.
Geschlossen bleibt ab sofort bis zum 19. April auch das Schloss Reinbek. Dort war am Donnerstag kurzfristig eine CDU-Veranstaltung mit Norbert Röttgen abgesagt worden. Ein Problem vor allem für die Gastronomie des Hauses. Ente Kross für 100 Gäste hatten die Christdemokraten geordert. Die waren auch schon im Ofen, als die Absage kam. Daraufhin wurden über die Ortsverbände ein Großteil der Gäste gebeten, trotzdem zu kommen, um das knusprige Federvieh entweder im Restaurant zu verzehren oder mit nach Hause zu nehmen.