Hamberge. Jonas (10) starb kurz vor Silvester, der Vater vor wenigen Tagen. Nun ist die Mutter an aggressivem Brustkrebs erkrankt.
„Stark für euch – bis zum Schluss“, schreibt Stefanie Ewald auf ihrer Facebook-Seite. Es sind die Worte einer Mutter, die mit einem unfassbar schweren Schicksal zu kämpfen hat. Ihr Sohn Jonas starb im Dezember 2019 an Krebs. Er wurde nur zehn Jahre alt. Anfang dieser Woche hat auch ihr Mann Sebastian mit 37 Jahren den Kampf gegen die Krankheit verloren.
Beide litten an dem seltenen Li-Fraumeni-Syndrom. Dabei handelt es sich um einen genetischen Defekt, der für ein stark erhöhtes Krebsrisiko sorgt. Sebastian Ewald hatte das Syndrom von seinem Vater geerbt, der mit 39 Jahren an Krebs starb. Und er vererbte es wiederum an Sohn Jonas und Tochter Neele (6). Nur das jüngste Kind der Familie aus Hamberge im Kreis Stormarn, die eineinhalb Jahre alte Lenja, blieb verschont.
Mann und Sohn an Krebs verloren und selbst an Brustkrebs erkrankt
Mitten in dieser schwierigen Zeit erhielt die Mutter nun vor zwei Wochen eine weitere Horrornachricht. Sie selbst ist an Brustkrebs erkrankt, in einer sogenannten dreifach negativen Form. Den Ärzten zufolge ist der Krebs hochgradig aggressiv, hat bereits die Lymphknoten befallen. Auf Facebook lässt Stefanie Ewald die Menschen an ihrem Schicksal teilhaben, schreibt: „Auch ich habe nun eine äußerst ungünstige Prognose. Aber ich werde alles in meiner Macht Stehende tun und nicht freiwillig aufgeben.“ Denn sie habe ihrem Mann und ihrem Sohn „das Versprechen gegeben, dass wir Mädels hier unten weiter rocken und dass ich auf sie aufpasse“.
Am vergangenen Donnerstag haben die Ärzte am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) in Lübeck bei der 35-Jährigen mit einer Chemotherapie begonnen. „Wenn sie anschlägt, ist anschließend eine umfangreiche Operation geplant“, sagt Kathleen Kröger, eine gute Freundin der Familie. Sie war Fußballtrainerin der Jugendmannschaft, in der Jonas bis zu seiner schweren Erkrankung spielte. „Wir haben immer gehofft, dass bei der Familie irgendwann wieder so etwas wie Alltag einkehren kann“, sagt die 35-Jährige. „Aber es wird immer noch etwas Furchtbares obendrauf gesetzt.“
Der Familienvater kämpfte gegen die Krankheit
Das Li-Fraumeni-Syndrom ist in Deutschland relativ unbekannt. Experten zufolge trägt etwa einer von 5000 bis 20.000 Menschen ein solch defektes Gen in sich. Es sorgt dafür, dass bei vielen Betroffenen bereits im Kindes- oder jungen Erwachsenenalter bösartige Tumore auftreten. Bei Vater Sebastian Ewald diagnostizierten die Ärzte im August 2017 einen Hirntumor und Lungenkrebs, der schon damals Metastasen in Kopf, Knochen und Leber gebildet hatte.
Die Ärzte stellten dem Familienvater nur noch wenig Lebenszeit in Aussicht, sagten ihm sinngemäß: „Seien Sie froh, wenn Sie das nächste Weihnachtsfest noch erleben.“ Doch der Notfallsanitäter kämpfte. Er bewarb sich für Studien und probierte neue Medikamente, um sein Leben zu verlängern und noch etwas mehr Zeit mit seinen Kindern verbringen zu können.
Jonas konnte sich vor seinem Tod noch einen Herzenswunsch erfüllen
Vor einem Jahr folgte die nächste erschütternde Diagnose. Die Mediziner stellten bei Sohn Jonas einen Hirntumor fest, der wegen seiner Lage nicht operabel war. Der Junge zeigte damals noch keine Symptome, was die düstere Prognose der Ärzte für die Angehörigen noch unbegreiflicher machte. „Ihnen zufolge leben nur 7,6 Prozent der Betroffenen nach einer solchen Diagnose länger als zwölf Monate“, sagte Kathleen Kröger damals dem Abendblatt.
Innerhalb weniger Monate verschlechterte sich sein Zustand dramatisch. Der Junge musste notoperiert werden, wurde dann nach Hause entlassen, um die letzten Tage seines Lebens im Kreis der Familie verbringen zu können. Es folgten auch einige Lichtblicke. So konnte der Zehnjährige die weiterführende Schule zumindest noch kurz kennenlernen, auf die er sich so gefreut hatte. Und er konnte sich einen letzten Herzenswunsch erfüllen: den Besuch eines Trainings bei seinem Lieblingsverein Bayern München.
Weihnachten durfte die Familie ein letztes Mal zusammen feiern
Im Dezember 2019 ging es dann Vater und Sohn so schlecht, dass beide im Krankenhaus bleiben mussten. Weihnachten konnte die Familie dort ein letztes Mal gemeinsam feiern, bevor erst Jonas und nun auch Vater Sebastian den Kampf gegen den Krebs verloren. „Basti hat es geschafft – wiedervereint mit Jonas“, schreibt Stefanie Ewald, als sie am 2. März die traurige Nachricht vom Tod ihres Mannes auf Facebook verbreitet.
Auch Tochter Neele hat die Auswirkungen des Li-Fraumeni-Syndroms bereits zu spüren bekommen. Sie erkrankte erstmals mit zwei Jahren an Krebs. In ihrem Oberschenkel hatte sich ein Tumor gebildet, er konnte aber erfolgreich entfernt werden. Obwohl die Sechsjährige derzeit krebsfrei ist, bleibt die Angst. Denn wegen des Gendefekts können sich jederzeit neue Tumore bilden.
Die Familie ist mit ihrem Schicksal an die Öffentlichkeit gegangen, um auf das Syndrom aufmerksam zu machen. Denn die Ewalds erfuhren erst relativ spät – vor knapp zwei Jahren – welche Ursache die vielen Krebserkrankungen in der Familie haben.
Fußballspieler starten Spendenaktion im Stadion
Stefanie Ewald trägt das Syndrom zwar nicht in sich, aber auch bei ihr ist der Krebs erblich bedingt. Ihre Mutter ist an Brustkrebs gestorben. Die 35-Jährige habe Symptome wie Müdigkeit und Unwohlsein zunächst auf die Gesamtsituation bezogen, sich dann aber doch testen lassen, sagt Kröger. Das Ergebnis sei für alle ein riesiger Schock gewesen.
In ihrer Heimat, einem Dorf mit etwa 1400 Einwohnern im Norden Stormarns, ist die Unterstützung für die Familie groß. Bereits 2019 hatten Freunde ein großes Benefizturnier organisiert, um Geld zu sammeln und Jonas einen tollen Tag mit seinem Lieblingssport zu ermöglichen. Ein letztes Mal konnte er damals für seinen Verein auflaufen und ein Tor schießen. Spenden in Höhe von 27.400 Euro kamen zusammen. Nun rufen zwei Freundinnen und die Schwester von Stefanie Ewald erneut zur Mithilfe auf. Sie haben auf der Plattform Gofundme eine Spendenaktion gestartet. „Wir können die große Sorge lindern, dass ihre zwei Mädels – sollte auch Steffi den Kampf verlieren – finanziell versorgt sind“, heißt es dort.
„Wir können nichts anderes machen, als ihnen zumindest die finanziellen Sorgen etwas zu nehmen“, sagt Kathleen Kröger dem Hamburger Abendblatt. Sie selbst ist an diesem Sonnabend, 7. März, um 14 Uhr beim Regionalliga-Spiel des VfB Lübeck zu Gast. Der Verein will der Familie helfen, wird vor der Partie gegen HSC Hannover auf das Schicksal der Ewalds aufmerksam machen. Die jungen Fußballer aus der alten Mannschaft von Jonas werden anschließend mit Spendendosen durch das Stadion an der Lohmühle gehen.
Auf der Internet-Plattform www.gofundme.com/f/FamilieEwald haben zwei Freundinnen und die Schwester von Stefanie Ewald eine Spendenkampagne gestartet.