Hamberge. Der Junge aus dem Norden Stormarns erliegt im Alter von zehn Jahren einem Hirntumor. Auch Vater und Schwester sind unheilbar krank.
„Ich habe dich lieb bis zum Mond und noch viel weiter“, schreibt Stefanie E. auf ihrer Facebook-Seite. Die Worte richten sich an ihren Sohn Jonas. Der Junge hat den Kampf gegen den Krebs verloren. Er starb am 29. Dezember 2019 in der Uniklinik Lübeck. Jonas wurde nur zehn Jahre alt. „Für immer 10“ schreibt seine Mutter, als sie die traurige Nachricht in dem sozialen Netzwerk verbreitet.
Vater vererbte den genetischen Defekt an zwei seiner Kinder
Vor eineinhalb Jahren hatte die Familie aus Hamberge die erschütternde Diagnose erhalten: Vater Sebastian (37) leidet an dem Li-Fraumeni-Syndrom. Dabei handelt es sich um einen genetischen Defekt, der für ein stark erhöhtes Krebsrisiko sorgt. Er hat die Erkrankung von seinem Vater geerbt, der mit 39 Jahren an Krebs gestorben ist. Und er hat das Syndrom wiederum an Sohn Jonas und Tochter Neele (6) vererbt.
Stormarner spendeten 27.400 Euro für die Hamberger Familie
Bereits im Kindes- oder jungen Erwachsenenalter treten bei vielen Betroffenen bösartige Tumore auf. Bei Jonas diagnostizierten die Ärzte im Februar 2019 bei einer Ganzkörper-Magnetresonanztomographie einen Hirntumor, der sich wegen seiner Lage nicht operieren ließ. Die Mediziner prognostizierten ihm damals nur noch eine geringe Lebenszeit. Ein Schock für die Familie. Freunde organisierten daraufhin ein großes Benefizturnier, über das auch das Abendblatt mehrfach berichtete. Spenden in Höhe von 27.400 Euro kamen damals zusammen. Geld, das die Familie unter anderem für laufende medizinische Kosten nutzte, die nicht von der Krankenkasse übernommen wurden.
„Unser wichtigstes Anliegen war aber, Jonas mit dem Turnier einen schönen Tag zu bereiten“, sagt Kathleen Kröger. Sie war Fußballtrainerin seiner Mannschaft, der E-Jugend des SV Hamberge, und ist mit der Familie befreundet. Ihre Hoffnung erfüllte sich: Jonas ging es bei der zweitägigen Veranstaltung im Juni 2019 gesundheitlich gut. Er konnte ein letztes Mal für sein Team auflaufen, schoss noch einmal ein Tor.
Jonas konnte seine neue Schule nur kurz kennenlernen
„Wenige Wochen danach hat sich sein Gesundheitszustand plötzlich extrem verschlechtert“, sagt die 35-Jährige. Jonas wurde ins Krankenhaus gebracht, musste notoperiert werden. Anfang August entließen ihn die Ärzte nach Hause, damit er seine letzten Lebenstage im Kreise der Familie verbringen konnte. Ein Palliativteam unterstützte die Hamberger in dieser schweren Zeit. Freunde und Nachbarn empfingen den Jungen damals mit einem großen Banner, befestigten es am Carport. Auf dem weißen Stoffstück hinterließen sie in bunten Farben ihre Fußabdrücke sowie den Schriftzug „You never walk alone“.
Jonas konnte noch ein Training des FC Bayern besuchen
Zwischenzeitlich sei es Jonas im Spätsommer und Herbst wieder etwas besser gegangen, erzählt Kathleen Kröger. Der Junge habe sich noch einen großen Wunsch erfüllen können: Er besuchte ein Training seines Lieblingsvereins Bayern München, traf dort Manuel Neuer, Thomas Müller und viele andere Fußballstars. Zudem ermöglichten ihm seine Eltern, die Immanuel-Kant-Schule in Reinfeld zumindest kurz kennenzulernen. Im Sommer hatte Jonas die Grundschule beendet und sich sehr auf die weiterführende Schule gefreut. Für die Familie ist die Situation doppelt schwer. Denn auch Vater Sebastian geht es zunehmend schlechter. Der 37-Jährige leidet ebenfalls an einem Hirntumor, hat zudem Lungenkrebs im Endstadium. Metastasen haben sich inzwischen in vielen Teilen seines Körpers gebildet.
Ärzte stellen auch dem Vater nur noch wenig Zeit in Aussicht
Bereits bei der Diagnose vor zweieinhalb Jahren stellten die Mediziner dem dreifachen Familienvater nur noch wenige Monate Lebenszeit in Aussicht. Doch er kämpfte – auch, um für seinen schwerkranken Sohn da sein zu können. „Die beiden waren unzertrennlich“, sagt Kröger. „Sie wollten immer unbedingt zusammensein.“ Die letzten Wochen verbrachten beide in der Uniklinik Lübeck, allerdings auf unterschiedlichen Stationen.
Jonas wurde Silvester beigesetzt – er liebte das Feuerwerk am Himmel
„Weihnachten konnte die ganze Familie aber noch einmal beisammensein“, sagt Kathleen Kröger. Silvester wurde Jonas im kleinen Kreis in Hamberge beerdigt, auch Vater Sebastian konnte für die Trauerfeier kurz das Krankenhaus verlassen. Den Tag hat die Familie bewusst ausgewählt, denn Jonas liebte es, wenn zum Jahreswechsel Raketen den Himmel erleuchteten.
Auch Mitglieder Stormarner Jugendfeuerwehren trauern
Jonas war Mitglied der Jugendfeuerwehr Hamberge. Seine Kameraden riefen zu einer besonderen Aktion auf, um seiner zu gedenken: Um 0.10 Uhr in der Silvesternacht sollte jeder Trauernde eine Rakete für den Jungen zünden. „Jonas, du magst für uns nicht mehr sichtbar sein, aber in unseren Erinnerungen lebst du weiter“, schreibt die Jugendfeuerwehr auf ihrer Facebook-Seite. „In diesen schweren Stunden denken wir besonders an seine Familie und an alle, die für ihn bis zum Ende da waren.“
Auch andere Jugendfeuerwehren in Stormarn trauern. Die Kameraden in Rethwischfeld haben ein Grablicht für Jonas aufgestellt, schreiben zu dem Bild: „Unsere Gedanken sind bei der Jugendfeuerwehr Hamberge sowie bei Jonas und seiner Familie. Jedes Ende ist auch gleichzeitig ein neuer Anfang – gute Reise junger Mann.“ Die Jugendfeuerwehr Trittau hat das Logo auf ihrer Facebook-Seite in schwarz-weiß umgewandelt, postet: „So tapfer – aber der Krebs war stärker. In diesen schweren Stunden sind wir in Gedanken bei Jonas’ Familie und Freunden sowie der Jugendfeuerwehr Hamberge.“
Mutter ist in ständiger Sorge auch um ihre sechsjährige Tochter
Die Familie möchte, dass das Li-Fraumeni-Syndrom bekannter wird, damit anderen schneller geholfen wird. Experten zufolge trägt etwa einer von 5000 bis 20.000 Menschen ein solch defektes Gen in sich. Etwa die Hälfte der Betroffenen erkrankt demnach bis zum 40. Lebensjahr mindestens einmal an Krebs, bis zum 60. Lebensjahr steigt die Wahrscheinlichkeit auf 90 Prozent. Bei Jonas’ Schwester Neele musste bereits mit zwei Jahren ein Tumor im Oberschenkel entfernt werden. Aktuell ist die Sechsjährige krebsfrei. Es könnten sich aber jederzeit neue Tumore bilden, denn das Syndrom ist nicht heilbar. Nur das jüngste Kind Lenja (1) hat es nicht geerbt.