Ahrensburg/Glinde. Verwaltungskräfte in Kommunen beobachten Lage an Grenze zwischen Griechenland und der Türkei. Noch ist Platz in Unterkünften.

Mit Sorge blicken Amtsleiter von Stormarner Kommunen auf die Situation an der EU-Außengrenze. Nachdem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Grenze geöffnet hat, wollen Tausende Flüchtlinge über Griechenland weiter in Richtung Norden. Die dortige Regierung lässt das aber nicht zu. Polizisten treiben die Menschen auch mit Tränengas und Warnschüssen zurück. Die Lage könnte sich jedoch ändern. Politiker in Deutschland sind sich allerdings einig, dass sich eine Flüchtlingskrise wie 2015 nicht wiederholen soll. Trotzdem: Sind die Städte und Gemeinden im Kreis vorbereitet für eine vermehrte Aufnahme von Personen aus Kriegs- und Krisenregionen?

Reinbek würde im Notfall Wohncontainer kaufen

„Wir haben 60 Menschen im Ehrenamt bei der Flüchtlingshilfe. Sie sind größtenteils aktiv und auch abrufbar“, sagt Torsten Christ, Reinbeks Bürgeramtsleiter.
„Wir haben 60 Menschen im Ehrenamt bei der Flüchtlingshilfe. Sie sind größtenteils aktiv und auch abrufbar“, sagt Torsten Christ, Reinbeks Bürgeramtsleiter. © HA

„Wir haben die Zustände in Griechenland im Fokus und Ideen, wie wir damit umgehen, wenn die Zahl der unterzubringenden Menschen plötzlich ansteigen sollte“, sagt Torsten Christ, Leiter des Bürgeramts in Reinbek. Stormarns zweitgrößte Stadt beherbergt momentan rund 400 Flüchtlinge und hat eine Halle am Senefelder Ring mit 50 Feldbetten für den Fall der Fälle vorbehalten. Die Immobilie ist bis 2026 gemietet. „Bei einer maximalen Auslastung sprechen wir hier von 80 Personen“, so Christ. Sollte das nicht ausreichen, präferiert er den Kauf von Wohncontainern. Vor Jahren hatte die Stadt solche gemietet, doch das rechnet sich laut Christ wegen des „teuren Abbaus nicht“.

2019 nahm Reinbek 48 Asylbewerber auf, kreisweit waren es 342. Eine geringe Zahl im Vergleich zu 2015, als Stormarn 2336 Hilfesuchenden Unterschlupf gewährte. Für das laufende Jahr geht die Kreisverwaltung in Bad Oldesloe, die für die Verteilung auf die Kommunen zuständig ist, von weiteren 350 Personen aus. Allerdings wurde diese Prognose vor den jüngsten Ereignissen an der Grenze zwischen Griechenland und der Türkei kommuniziert.

Ahrensburg hat die meisten Einwohner im Kreis

Vor fünf Jahren gelang es auch in Stormarn nur dank der vielen Ehrenamtler, den Integrationsprozess der Neuankömmlinge auf die richtige Bahn zu bringen. Vielerorts bildeten sich Flüchtlingsinitiativen. Doch sind diese Organisationen von der Personenzahl noch in der Lage, mehr als die angedachten Hilfesuchenden zu betreuen?

In Reinbek scheint das der Fall zu sein. „Wir haben 60 Menschen im Ehrenamt, sie sind größtenteils aktiv und auch abrufbar“, sagt Christ. Einmal im Monat treffe man sich mit Koordinatoren. Zudem habe die Stadt zwei Kräfte eingestellt für die Wohnungslosenhilfe. Diese Personen begleiten anerkannte Flüchtlinge zum Beispiel bei Vorstellungsgesprächen mit Vermietern.

Welches Bundesland wie viele Asylsuchende aufnimmt, legt der sogenannte Königsteiner Schlüssel fest. Grundlage der Berechnung sind Steuereinnahmen und Bevölkerungszahl der Länder. Schleswig-Holstein muss derzeit 3,4 Prozent der Schutzsuchenden hierzulande beherbergen. Welche Kommune in Stormarn wie vielen Personen eine Unterkunft stellen muss, richtet sich nach der Zahl der Einwohner. Mit rund 34.000 hat Ahrensburg die meisten im Kreis.

40 Neuaufnahmen für Ahrensburg prognostiziert

„Strukturen für Unterbringung sowie Integration sind vorhanden und funktionieren gut“, sagt Henning Görtz, Stormarns Landrat.
„Strukturen für Unterbringung sowie Integration sind vorhanden und funktionieren gut“, sagt Henning Görtz, Stormarns Landrat. © HA | Jürgen Müller

Zuständig für Flüchtlinge im Rathaus ist Michael Cyrkel. Laut dem Fachdienstleiter ist die Konstellation an der EU-Außengrenze zu Wochenbeginn in der Bürgermeisterrunde Thema gewesen. Die Stadt hat einen Notfallplan, den Cyrkel so beschreibt: „Wir würden in den Einrichtungen umverteilen, Einzelzimmer zum Beispiel mit zwei Personen belegen.“ Das sei natürlich mit Einschränkungen für Bewohner verbunden, etwa Auszubildenden, die viel lernen müssten und dementsprechend noch einen Raum zur Alleinnutzung hätten.

Für die Schlossstadt sind in diesem Jahr 40 Neuaufnahmen prognostiziert. „Wir könnten 2020 zwischen 80 und 100 schaffen“, sagt der Fachdienstleiter. In der Containeranlage am Kornkamp ist Platz für 80 Personen. Ursprünglich waren dort 120 angedacht. „Dann haben wir es aber sozialverträglich geregelt, damit es für Bewohner nicht zu eng wird“, sagt Cyrkel.

Die Auslastung liegt momentan bei 60 Prozent. Auch in der Unterkunft nahe dem Badlantic, die in Holzbauweise erstellt wurde, gebe es noch freie Kapazitäten. In einem weiteren Schritt würde Cyrkel Wohnungen mieten.

Oststeinbek habe am wenigsten Flüchtlinge aufgenommen

Beim Nachbarn in Ammersbek, der 2019 nur fünf Zugänge verzeichnete, hatte die Verwaltung bislang auf Wohncontainer verzichtet und beabsichtigt auch nicht, solche anzuschaffen bei einer Zuspitzung der Lage. „Wir könnten sofort 20 Menschen aufnehmen“, sagt Janine Stegmann, stellvertretende Bürgeramtsleiterin. Auch sie würde bei einer verstärkten Zuweisung das Augenmerk auf neue Mietwohnungen legen. In Sachen unentgeltliche Hilfe ist Stegmann gelassen: „Der Freundeskreis Ammersbek ist gut aufgestellt mit Ehrenamtlern.“

Oststeinbek hat neben Ammersbek im vergangenen Jahr die wenigsten Flüchtlinge aufgenommen und laut Bürgermeister Jürgen Hettwer zehn freie Plätze als Reserve. Er sagt: „Wir sind vorbereitet, können auch noch in den Wohnungen verdichten.“ Notfalls würde der Verwaltungschef versuchen, weitere Einheiten zu mieten. „Container wollen wir jedenfalls nicht“, so Hettwer.

Die Gemeinde hatte 2015 eine Gewerbeimmobilie, die auch drei Wohnungen beinhaltet, an der Straße Langstücken für 2,5 Millionen Euro gekauft. Dort waren bis zu 60 Personen angedacht. Diese Auslastung ist laut Hettwer nicht mehr möglich wegen Brandschutzauflagen. „Und eine Umgestaltung der Halle ist zu teuer.“

In Glinde leben 18.700 Menschen

In Glinde hat sich die Amtsleiterrunde am Dienstag im Rathaus auch mit der Flüchtlingssituation an der türkisch-griechischen Grenze beschäftigt. „Wenn wir auf einen Schlag 60 Leute bekommen sollten, hätte ich riesige Probleme“, sagt Bürgeramtsleiter Bernd Mahns. „Wir sind nur begrenzt gewappnet.“ 20 Neuzugänge binnen kürzester Zeit halte er für möglich. Doch auch das sei schwierig, weil verbunden mit Umsetzungen.

Glinde mit seinen 18.700 Einwohnern hatte zu Zeiten der Flüchtlingskrise auf größere Sammelunterkünfte gesetzt, unter anderem am Willinghusener Weg vier Häuser mit Platz für jeweils 26 Personen gebaut. Drei solcher Gebäude stehen auch am Schlehenweg nahe der Kreisstraße 80. Auf dem Areal sind sechs weitere baugleiche Typen möglich, sagt Mahns. Die Umsetzung würde vier bis sechs Monate dauern. Um den dringenden Bedarf bei einer verstärkten Zuweisung zu decken, würde er vorweg zwei Wohnungen mieten.

Land erstattet Kommunen den Großteil der Kosten

Seit Anfang 2016 erstattet das Land den Kommunen 90 Prozent der Kosten für Leistungen an Asylsuchende im Zeitraum zwischen erstmaliger Registrierung und erstmaligem Bescheid über den Asylantrag durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Für die Zeit danach übernimmt Schleswig-Holstein 70 Prozent der Kosten. Diese Regelung soll vorerst bis Ende 2021 gelten.

Stormarns Landrat Henning Görtz, der zuvor Bürgermeister in Bargteheide gewesen ist, kann sich noch gut an 2015 erinnern. Er sagt: „Ich glaube nicht, dass die Dimensionen von damals noch einmal auf uns zukommen.“ Kreis und Kommunen hätten die Lage durch einen riesigen Kraftakt bewältigt. „Und ich bin fest davon überzeugt, dass wir besser aufgestellt sind als 2015. Strukturen für Unterbringung sowie Integration sind vorhanden und funktionieren gut.“