Glinde. Mediziner betonen ausreichende Versorgung. Sie fordern die Politik auf, das geplante Projekt in der Innenstadt nicht zu unterstützen.

Gegen das geplante zahnmedizinische Versorgungszentrum mit mehreren Etagen in der Glinder Innenstadt regt sich Widerstand. Mehrere Zahnärzte, die seit Jahrzehnten in der Stadt aktiv sind und eigene Praxen haben, wollen keine weitere Konkurrenz und fürchten mitunter um ihre Existenz. In der Hoffnung, das Projekt noch zu verhindern, werden sie in der kommenden Woche ein Schreiben an Bürgermeister Rainhard Zug sowie die Parteien übergeben und auf diesem Weg darum bitten, der Sache eine Riegel vorzuschieben.

Gebäude mit vier Geschossen angedacht

„Ein solches Zahnzentrum würde einen massiven Verdrängungswettbewerb mit sich bringen. Glinde wäre dann bei einer Überversorgung nahe der 200-Prozent-Grenze“, sagt Roger Gilles. Der 57 Jahre alte Zahnarzt hat seit 1996 eine Praxis in der 18.700 Einwohner zählenden Kommune. Zu seinem Team gehören auch Kristin Lutter (42), die vor eineinhalb Jahren dazugekommen ist, sowie sieben weitere Mitarbeiter, darunter drei Auszubildende. „Es geht hier auch um Existenzangst“, sagt Gilles.

Wie berichtet, will der Glinder Zahnarzt Sebastian Bowien als Mieter in einen Neubau ziehen, der an der Avenue St. Sebastien entstehen soll. Angedacht ist ein Gebäude mit vier Geschossen und 600 Quadratmeter Fläche. Der Mediziner stellt sich dort 20 Behandlungsräume vor, will das Personal deutlich aufstocken: unter anderem von derzeit vier – inklusive seiner Person – auf bis zu zehn Zahnärzte. Zudem soll eine Kieferorthopädie-Abteilung integriert werden. Derzeit betreibt Bowien eine Praxis am Glinder Berg, die für seine Expansionspläne zu klein ist.

Zulassungsbeschränkungen gibt es vom Gesetzgeber nicht

Grundstückseigentümerin Anna Siemers ist auch Investorin der geplanten Immobilie, die der Bebauungsplan zulässt. Allerdings sind darin nur Wohnungen erlaubt. Deshalb bedarf es einer Nutzungsänderung, die Bürgermeister Rainhard Zug veranlassen kann. Der Verwaltungschef möchte aber, dass die Parteien entscheiden.

Diese wollen Gilles, Carsten Schmelcher (55), der federführend bei der Formulierung des Brandbriefes ist, und zum Beispiel Lutz König (58) überzeugen. Ihr Argument, dass in der Stadt keine zusätzlichen Experten benötigt werden, bestätigt die Kassenzahnärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein. „Die derzeit zwölf Zahnärzte und eine Kieferorthopädin in Glinde sind ausreichend“, sagte eine Sprecherin auf Abendblatt-Nachfrage. Der Versorgungsgrad liegt bei 109 Prozent, kreisweit sind es 116 Prozent. Zulassungsbeschränkungen gibt es vom Gesetzgeber jedoch nicht. Theoretisch könnten diverse Zahnärzte neue Praxen in Glinde eröffnen, sofern sie entsprechende Räume finden.

Die SPD-Fraktion lehnt das Projekt ab

Sebastian Bowien hat der Politik sein Konzept bereits vorgestellt. Er wirbt um die Zustimmung der Entscheider mit langen Öffnungszeiten, betont die Barrierefreiheit in der neuen Umgebung und preist sich als Gewerbesteuerzahler. Der Mediziner führt eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), unterscheidet sich damit von den anderen Glinder Zahnärzten. Die sind als Freiberufler deklariert und damit nicht gewerbesteuerpflichtig.

Ansonsten gebe es keine Unterschiede, sagt Gilles. „Vom Service her bietet das Zahnzentrum auch nichts anderes als wir.“ Schmelcher sieht das genauso und ergänzt: „Ich behandele Patienten auch mal an einem Sonnabend.“ Der Doktor sieht das Zahnzentrum schon wegen seiner Lage kritisch und prognostiziert bei einer Umsetzung Parkplatzprobleme.

Mit dieser Meinung liegt er auf Linie der SPD, die das Projekt ablehnt. Die CDU befürwortet Bowiens Pläne, und auch die FDP hat ihre Beratungen über das Thema inzwischen abgeschlossen. „Die Fraktion unterstützt das Vorhaben“, sagt deren Vorsitzender Thomas Kopsch. Für eine Mehrheit reicht das noch nicht. Alles hängt von den Grünen ab. „Wir sind noch nicht weitergekommen, machen uns die Entscheidung sehr schwer“, sagt Fraktionschefin Petra Grüner. „Wir wollen einerseits dort Wohnraum haben, aber auch einem alteingesessenen Glinder Arzt die Möglichkeit zur Erweiterung bieten.“

Bauausschuss stimmt ab unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Ein bisschen Zeit, sich festzulegen, haben die Grünen noch. Nach Abendblatt-Informationen will Bürgermeister Zug am 12. März im nichtöffentlichen Teil des Bauausschusses ein Votum herbeiführen. Dann müssen auch die protestierenden Zahnärzte den Raum verlassen. Sie haben sich vorgenommen, dort aufzuschlagen.

Im vergangenen Jahr wollte der Eigner der Gellhornparkvilla in Glinde, ein Zahnarzt, dort eine Praxis eröffnen und das Gebäude erweitern. Die Verwaltung lehnte dies ab. Rainhard Zug begründet das so: „Weil das Haus im Außenbereich liegt, ist eine Praxis nicht zulässig.“ Beide Fälle seien nicht vergleichbar. Der Abstand zwischen Villa und geplantem Zahnzentrum beträgt rund 500 Meter.

Sebastian Bowien will mit dem Abendblatt trotz mehrfacher Anfrage nicht über sein Projekt sprechen.