Elmenhorst/Steinburg. Vor allem in ländlichen Gebieten ist die Nachfolgersuche schwierig. In Elmenhorst hat’s Jahre gedauert, noch keine Lösung in Mollhagen.

Jeder dritte Hausarzt in Stormarn ist über 60 Jahre alt. Mit seiner Quote von 32,0 Prozent liegt der Kreis deutlich über dem landesweiten Durchschnitt von 30,1 Prozent. Addiert man die Altersgruppe ab 55 Jahren hinzu, steigt der Anteil auf 53,5 Prozent. Dementsprechend viele Mediziner gehen in absehbarer Zeit in den Ruhestand. Gerade in ländlichen Gebieten gestaltet sich die Suche nach jungen Nachfolgern häufig schwierig.

Nach 33 Jahren in Elmenhorst ist für Petersen Schluss

Genau 351,5 Arztstellen stehen für die ambulante Versorgung der rund 244.000 Menschen in Stormarn zur Verfügung. Darunter sind 154 Haus- und 157 Fachärzte sowie 40,5 Psychotherapeuten. Von 2011 bis 2018 ist die Zahl der Hausärzte sogar um zehn Prozent gestiegen – bei einem Bevölkerungswachstum von sechs Prozent.

Wie lange es dauern kann, einen Nachfolger zu finden, hat der Elmenhorster Landarzt Dr. Hans-Jochen Petersen erfahren. Nach intensiver Suche übergibt er seine Praxis zum Jahreswechsel an die 44 Jahre alte Fachärztin für Allgemeinmedizin Nancy Schulz-Klauß. Nach 33 Jahren in Elmenhorst ist für Petersen Schluss.

Dr. Hans-Jochen Petersen zieht es mit 75 an die Nordsee

Dr. Matthias Ogilvie (63) ist gern Landarzt und hofft, dass sich doch noch ein Nachfolger für seine Praxis in Mollhagen findet.
Dr. Matthias Ogilvie (63) ist gern Landarzt und hofft, dass sich doch noch ein Nachfolger für seine Praxis in Mollhagen findet. © Melissa Jahn

Der mittlerweile 75-Jährige hatte die Hoffnung fast aufgegeben, dass seine Praxis fortgeführt wird. Zehn Jahre lang habe er versucht, Kollegen für den Standort auf dem Dorf zu begeistern, so Petersen. Auch die Gemeindevertretung habe sich nicht durchringen können, den Praxissitz in Form eines medizinischen Versorgungszentrums zu übernehmen, zu hohe Kosten als Grund genannt.

Umso erfreulicher sei es, mit Nancy Schulz-Klauß eine Ärztin gefunden zu haben, die ein breites Spektrum von kleinchirurgischen Eingriffen bis hin zu Ultraschall und der Behandlung chronisch kranker Menschen anbiete. Sie lebt seit 21 Jahren mit ihrer Familie in der Nachbargemeinde Bargfeld-Stegen und ist seit sechs Jahren bei einer Allgemeinarztpraxis in Bargteheide angestellt.

Dr. Matthias Ogilvie findet keinen Nachfolger

„Durch einen Artikel im Hamburger Abendblatt bin ich auf die freie Praxis aufmerksam geworden“, sagt sie. „Der Schritt in die Selbstständigkeit und die Arbeit als Landärztin in diesem schönen Dorf ist für mich genau das Richtige.“

Hans-Jochen Petersen möchte einen klaren Schnitt ziehen und Elmenhorst in Richtung Nordsee verlassen. Auf der Halbinsel Eiderstedt will er sich ein Haubarg – ein typisches Bauernhaus – kaufen und den Wind um die Nase wehen lassen. „Was ich genau vermissen werde, wird sich erst später zeigen“, sagt er.

Im Unterschied zu Petersen ist Dr. Matthias Ogilvie (63), der seit drei Jahrzehnten eine Praxis im Steinberger Ortsteil Mollhagen führt, bei der Suche nach einem möglichen Nachfolger noch nicht fündig geworden. Er habe einen dankbaren Job, in dem sich viel bewegen lasse, sagt Ogilvie. Er sei mit seiner Familie bewusst aufs Land gezogen und mit dem Ort mittlerweile verwachsen.

In Steinburg soll auch der Bürgermeister mithelfen

Etliche Patienten begleitet er seit vielen Jahren. Hausbesuche seien für ihn nach wie vor selbstverständlich – auch wenn sie betriebswirtschaftlich kaum etwas brächten. „Den gefürchteten 24-Stunden-Dienst auf dem Dorf gibt es immer weniger“, sagt der Allgemeinmediziner. „Ein Notfall kann einen überall ereilen. Wer das als Belastung empfindet, ist hier verkehrt.“

Obwohl die Praxis mehr als gut laufe, der Patientenstamm sogar jedes Quartal wachse, gestalte sich die Nachfolgersuche sehr kompliziert. Viele Einwohner seien besorgt, dass der 63-Jährige bald aufhöre. Einfach abzuwarten, ist für Ogilvie der falsche Weg. Er ist sich sicher, dass sich heutzutage kein Arzt ohne entsprechende Bemühungen in einem kleinen Dorf wie Mollhagen bewerbe. „Ich bin mit dem Bürgermeister im Gespräch“, sagt Ogilvie. „Vielleicht müssen wir mit dem Kreis ein gemeinsames Konstrukt finden, um die Praxis zu erhalten.“

Ein Angestelltenverhältnis sei für viele einfacher

KVSH-Sprecher Marco Dethlefsen rät, auch mit der Gemeinde zu sprechen.
KVSH-Sprecher Marco Dethlefsen rät, auch mit der Gemeinde zu sprechen. © KVSH

Das Nachwuchsproblem beschäftigt auch Dr. Hans Irmer, Hausarzt in Ahrensburg und Kreisstellenvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH). Bisher sei Stormarn mit Fachärzten geradezu verwöhnt und profitiere im Vergleich zu benachbarten Kreisen wie dem Herzogtum Lauenburg von der Lage direkt am Hamburger Stadtrand. Doch mittlerweile gebe es immer weniger junge Ärzte, insbesondere auf dem Land.

„Alte Haudegen, die ihren Job als Berufung sehen, sterben aus“, sagt Irmer. „Von den jungen Ärzten machen sich die wenigsten selbstständig, da alte Praxen oft Umbaukosten und Schulden nach sich ziehen. Ein Angestelltenverhältnis ist für viele einfacher.“

Damit möglichst viele junge Ärzte in Zukunft im ambulanten Bereich praktizieren, hat die KVSH bereits vor acht Jahren eine Nachwuchskampagne gestartet. Diese soll bei Medizinstudenten Lust auf die eigene Praxis machen. Neben der Förderung von Weiterbildungsmöglichkeiten im haus- und fachärztlichen Bereich unterstützt die Vereinigung auch die Weiterentwicklung der Telemedizin und Bildung kommunaler Gesundheitszentren nach dem sogenannten Büsumer Modell.

„Aus unserer Erfahrung heraus ist es wichtig, dass Ärzte, die in absehbarer Zeit in den Ruhestand gehen, frühzeitig das Gespräch mit den Verantwortlichen ihrer Gemeinde aufnehmen“, sagt Marco Dethlefsen, Sprecher der KVSH. „Möglichkeiten einer Praxisübernahme können dann gemeinsam ausgelotet werden.“

Tag der offenen Tür zur Praxiseröffnung von Dr. Nancy Schulz-Klauß in Elmenhorst: Sonnabend, 11. Januar, 11 bis 15 Uhr, Alte Dorfstraße 3