Lübeck. 73-Jähriger soll acht Jahre altes Mädchen berührt und zum Geschlechtsverkehr gezwungen haben. Er war bereits vorher verurteilt.
„Ich war schon überrascht, als sie das Training nach all den Jahren plötzlich aufgeben wollte“, sagt die Mutter von Emily S. (alle Namen geändert) mit zittriger Stimme. Dabei sei der Sport immer die große Leidenschaft ihrer Tochter gewesen. Gedacht habe sie sich dabei aber nichts weiter.
Das lichte graue Haar hat Ullrich K. zurückgekämmt
Es ist der erste Verhandlungstag im Verfahren gegen einen heute 73 Jahre alten Sporttrainer und Inhaber eines Fachgeschäfts für Sportartikel. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, Emily S. während seiner Tätigkeit in einem Stormarner Sportverein zwischen 2012 und 2015 mehrfach schwer sexuell missbraucht zu haben. Das Mädchen war bei der ersten Tat erst acht Jahre alt.
Gemeinsam mit seinem Verteidiger betritt der ältere Herr den Saal im Lübecker Landgericht. Er geht langsam, hinkt leicht. Das lichte graue Haar hat Ullrich K. zurückgekämmt. Er bestreite alle Vorwürfe, werde sich nicht weiter äußern, lässt er über seinen Anwalt erklären.
Gericht befragte auch die Mutter des Opfers
Mindestens sechs mal soll sich K. laut Staatsanwaltschaft an dem Mädchen vergangen haben. „In zwei Fällen soll er auch versucht haben, den Geschlechtsverkehr mit dem Kind auszuführen, was ihm in einem Fall auch gelungen sein soll“, heißt es in der Anklageschrift. Zunächst soll K. das Mädchen während einer Trainingsstunde an der Brust berührt haben, um sich sexuell zu erregen. „Auf einem Spielplatz griff er seinem Opfer in die Hose, um die Geschlechtsteile des Mädchens zu berühren“, sagt Staatsanwältin Uta Haage. Als Emily S. sich gewehrt habe, habe er nicht von dem Kind abgelassen. Während einer gemeinsamen Autofahrt soll Ullrich K. das Mädchen auf dem Beifahrersitz sowie sich selbst entblößt haben, bei einem Besuch in der Wohnung des Angeklagten sei es zum Geschlechtsverkehr gekommen, so Haage.
Mehr als zwei Stunden lang schildert Emily S. die traumatischen Erlebnisse. Um die Intimsphäre der heute 15-Jährigen zu schützen, sagt sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus. Im Anschluss befragt das Gericht die Mutter des Opfers. „Das Training bei Herrn K. hat meine Schwiegermutter vermittelt, erzählt die 33-Jährige mit belegter Stimme. Gemeinsam mit Tochter Emily sei sie 2010 zu ihrem neuen Mann in das kleine Stormarner Dorf gezogen. „Meine Schwiegermutter kannte ihn schon seit ihrer Jugend“, sagt die Mutter aufgelöst.
Täter war für das Mädchen wichtige Bezugsperson
Auch privat habe sich ein Vertrauensverhältnis zwischen Ullrich K. und ihrer Tochter entwickelt. „Er war eine wichtige Bezugsperson, weil ich selbst aus beruflichen Gründen wenig zu Hause war“, sagt die junge Frau und kämpft mit den Tränen. So sei K. mit Emily regelmäßig schwimmen gegangen, habe mit ihr Ausflüge unternommen.
Das Mädchen habe oft bei K. und seiner Ehefrau übernachtet, auch Geschenke hätten sie Emily gemacht. „Sie war für die K.s wie die Enkeltochter, die sie nie hatten“, sagt die Mutter. Sogar als Erbin habe das kinderlose Ehepaar das Mädchen einsetzen wollen. „Sie hatten immer ein sehr enges Verhältnis“, sagt die 33-Jährige vor Gericht. „Als sie plötzlich mit dem Sport aufhören wollte, dachte ich, es liegt am Alter.“
In der Folgezeit hätten Stimmungsschwankungen bei ihrer Tochter zugenommen. Eine SMS auf dem Handy ihrer Tochter habe sie schließlich misstrauisch gemacht. „Herr K. wollte sich mit Emily treffen und bat sie, ihren Eltern nichts davon zu erzählen“ sagt die Mutter. Doch auch als sie ihre Tochter damit konfrontiert habe, habe die sich ihr nicht geöffnet. „Später hat Emily mir gesagt, sie habe es verheimlicht, weil ich unter psychischen Problemen leide und sie mich nicht belasten wollte.“
Zeugenaussagen sorgen für Unmut beim Angeklagten
K. verfolgt das Verfahren aufmerksam. Immer wieder macht er sich hektisch Notizen, flüstert seinem Verteidiger zu, welche Frage er doch stellen möge.
„Ich war die erste Person, der sie sich anvertraut hat“, erzählt die Tante von Emily S vor Gericht. „Es war im November 2018 , als meine Nichte mich anrief“, sagt die 31-Jährige. Es sei etwas Schlimmes passiert, habe das Mädchen ihr am Hörer gesagt. „Emily erzählte mir, dass Herr K. sie im Intimbereich angefasst und sie genötigt habe, ihn ebenfalls an den Geschlechtsteilen zu berühren“, sagt die Zeugin. „Ich habe Emily angeboten, mit ihr zum Jugendamt oder zur Polizei zu gehen, aber sie hat abgeblockt und um Bedenkzeit gebeten“, erinnert sich die Tante.
Während der Vernehmung der Zeugen schüttelt Ullrich K. immer wieder den Kopf, schlägt die Hände vor das Gesicht. Hin und wieder lacht er laut auf, um seinen Unmut über die Aussagen der Zeugen kundzutun. Besonders die Angaben der Stiefgroßmutter des Opfers sorgen für Aufruhr bei dem Angeklagten. „Ich kenne Herrn K. seit den 1960er-Jahren“, sagt die Seniorin. Durch den Vereinssport habe sie den Mann kennengelernt, beide hätten Ende der 1960er-Jahre auch eine Beziehung geführt. „Auffällig war, dass er ständig den Verein gewechselt hat“, sagt die Rentnerin.
Trainer war bereits zu einer Bewährungsstrafe verurteilt
K. habe immer den Kontakt zu Frauen gesucht. „Alles, was er schön fand, musste er anfassen, auch Frauen und Kinder“, sagt die Zeugin. Auf Sportveranstaltungen hätte er oft versucht, den Arm um Frauen zu legen. „Einmal hatte er drei Beziehungen gleichzeitig am laufen.“ Ihr selbst habe er einmal an die Brust gegriffen, so die Seniorin. „Aber Missbrauch habe ich ihm nie zugetraut“, sagt die Seniorin. Jahrelang hätte sie mit dem Ehepaar K. ein freundschaftliches Verhältnis gehabt. Sie hätten sich gegenseitig oft besucht.
Ullrich K. steht nicht das erste Mal wegen eines Sexualdelikts vor Gericht. Bereits 2005 verurteilte ihn das Amtsgericht Ahrensburg zu einer Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern. Damals war K. noch bei einem anderen Stormarner Sportverein als Trainer beschäftigt. Im Jahr 2000 soll der Angeklagte ein minderjähriges Mädchen auf einer Geburtstagsfeier entblößt haben.
Das Verfahren wird am Mittwoch, 12. Februar, fortgesetzt. Das Landgericht Lübeck hat drei Verhandlungstage eingeplant und elf Zeugen geladen.