Reinbek. Ein Dealer bleibt in seiner Aussage vor dem Landgericht wortkarg. Ein anderer und eine Polizistin erinnern sich besser.

Eigentlich sollte der Reinbeker Drogendealer Stefan R. (Name geändert) vor dem Landgericht Lübeck gegen mutmaßliche Mitglieder einer Bande aussagen, die den Drogenmarkt in der Südstormarner Stadt an sich reißen wollte. Die Anklage gegen die vier Männer aus Reinbek, Aumühle, Wentorf und Hamburg ist lang: Handel mit Betäubungsmitteln, Nötigung, räuberische Erpressung, Raub, Körperverletzung, Diebstahl – 29 Taten sollen die Angeklagten von 2017 bis 2019 begangen haben.

Stefan R. erscheint mit Fliegerbrille und Pelzkragen

Das alles sei abgelaufen wie bei „4 Blocks“, hatte einer der Hauptbelastungszeugen einem Polizisten in der Vernehmung gesagt. In der TV-Serie ist dem Clan-Boss jedes Mittel recht, um die illegalen Geschäfte seiner Familie voranzutreiben.

Unter Polizeischutz wird Stefan R. in den großen Saal geführt. Mit seinem tätowierten Gesicht, der Fliegerbrille und dem Parka mit Pelzkragen ist er eine auffällige Erscheinung. R. wirkt nervös. Wortkarg beantwortet der 18-Jährige in der nächsten Dreiviertelstunde Fragen der Richterin. Immer wieder kommt es zu langen Pausen, in denen R. möglicherweise überlegt, wie sich eine Antwort auf seinen eigenen bevorstehenden Prozess auswirken könnte. Er identifiziert den Angreifer, beschreibt eine Attacke, doch zu möglichen Gründen und seiner Rolle in der Reinbeker Drogenszene sagt R. nichts.

Angeklagte wollten Drogenhandel-Monopol im Reinbeker Raum

Am Abend des 10. April 2019 hatte er die Polizei gerufen, weil er zuvor minutenlang verprügelt worden war. Eine Polizeihauptmeisterin berichtete von dem Einsatz: „Die Sache ist mir gut im Gedächtnis geblieben, weil ich an dem Tag schon mal den Namen Stefan R. gehört hatte in Verbindung mit einer anderen Körperverletzung.“ Mit einer Kollegin fuhr sie zu der zu diesem Zeitpunkt geschlossenen Polizeistation in Wentorf, wo der Anrufer auf sie warten wollte. Tatsächlich stand Stefan R. vor dem Eingang. „Er holte ein Päckchen Marihuana aus der Tasche und gab es uns“, so die Beamtin. Dann habe R. erzählt, dass er für jemanden mit Drogen und Waffen deale. Dass er gerade zusammengeschlagen worden sei und Angst habe. „Ich habe ihm immer wieder gesagt, dass er sich nicht selbst belasten muss“, so die Polizistin. Seine Antwort sei gewesen, dass das gerade sein geringstes Problem sei.

Die Angeklagten im Alter von 21, 22, 24 und 27, die im Landgericht neben ihren fünf Rechtsanwälten sitzen, sollen versucht haben, das Monopol im Drogenhandel im Reinbeker Raum zu erlangen. Das zumindest ist die Theorie von Staatsanwalt Kai Bergfeld: „Um das zu erreichen, haben die Angeklagten bekannte Drogendealer unter Gewaltandrohung dazu gezwungen, in ihrem Auftrag Marihuana zu verkaufen.“

Prozess wird Mitte Februar fortgesetzt

Neben Stefan R. sagte am zweiten Prozesstag ein weiterer Dealer aus. Bilal F. (Name geändert) verkaufte ein Jahr lang Marihuana an Freunde und Bekannte. Dann soll der Angeklagte Piotr V. (Name geändert) in einer Whatsapp-Nachricht vorgegeben haben, ein paar Gramm kaufen zu wollen. Doch Piotr V. habe etwas anderes gewollt: „50 Gramm sollte ich bis zum Mittag des nächsten Tages verkaufen und 400 Euro verdienen“, sagt Bilal F. Aus Angst habe er eingewilligt. Eine Differenz habe er mit seinem eigenen Geld ausgeglichen.

Danach tauchte Bilal F. einige Wochen unter in der Hoffnung, dass sich die Sache erledige. Doch die Männer hätten nicht locker gelassen. Beim letzten Zusammentreffen soll Pjotr V. ihn im Beisein der Mitangeklagten massiv bedroht und geschlagen haben. „Am nächsten Tag wollten sie um 13 Uhr wiederkommen. Dann bin ich zur Polizei gegangen“, so Bilal F. Dort machte der Dealer eine umfassende Aussage, verriet aber nichts über Bezugsquelle und Abnehmer.

Das macht den Zeugen in den Augen der Verteidigung unglaubwürdig, ebenso wie eine diagnostizierte Angststörung. „Er sucht sich aus, wen er belastet. Und ich finde es schwierig, hier herauszuarbeiten, was wahr ist und was nicht“, so ein Verteidiger Mathias Huse. Er stellte eine absichtliche Falschaussage in den Raum: „Ein mögliches Motiv könnte sein, Konkurrenz aus dem Weg zu schaffen.“ Der Prozess wird am 13. Februar fortgesetzt.