Ahrensburg. Händler beklagen Mehrkosten und zusätzlichen Aufwand durch gesetzliche Neuregelung. Käufer bemängeln Papierverschwendung.
Sie soll für mehr Steuergerechtigkeit sorgen, tatsächlich aber sorgt die neue Belegausgabepflicht vor allem für Unmut bei Stormarns Händlern. Ob beim Brötchenkauf, Kiosk- oder Imbissbesuch – der Kassenbon liegt seit Jahresbeginn stets mit auf dem Tresen. Das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen, kurz „Kassengesetz“, verpflichtet Händler und Gastronomen mit elektronischen Kassensystemen seit dem 1. Januar 2020 bei jeder Transaktion zur Ausgabe von Belegen – auch, wenn lediglich ein Brötchen, eine Currywurst oder ein Lolli über den Tresen gehen. Ziel des Gesetzes, das bereits Ende 2016 verabschiedet wurde, ist mehr Transparenz im Kampf gegen Steuerbetrüger.
Stormarns Kaufleute spüren Auswirkung der Regelung
Der Beleg, der sowohl in Papierform als auch elektronisch gültig ist, muss dem Kunden direkt nach dem Geschäftsvorgang zur Verfügung gestellt werden. Damit will das Finanzamt bei einer Steuerprüfung ausgegebene Bons mit den Aufzeichnungen der Kassensoftware abgleichen, um leichter mögliche Manipulationen aufzudecken. Der Betrug mit manipulierten Kassen führe bundesweit jährlich zu Steuerausfällen in Höhe von zehn Milliarden Euro, so das Bundesfinanzministerium. Zur Annahme und Aufbewahrung des Kassenbons sind die Kunden jedoch nicht verpflichtet. Die Auswirkungen dieser Regelung bekommen Stormarns Kaufleute dafür umso mehr zu spüren.
Bei Florian Köppel (45), Inhaber der Großhansdorfer Walddörfer-Apotheke, häufen sich Kassenbons, die Kunden nicht mitnehmen wollten. „Die Druckertinte kostet ein Vermögen. Wir müssen jetzt schon Tinte nachordern. Und haben jede Menge Müll.“ Seine Mitarbeiterin Wiebke Mückel (55) bezweifelt den Sinn der pauschalen Belegausgabepflicht: „Mit unserem Kassensystem sind wir und viele andere gläsern. Transparenz ist nur bei einem Teil des Handels verbesserungswürdig wie zum Beispiel bei Imbissen.“
Viele Kunden hätten lieber eine Wahl
Beim Medikamentenkauf gibt es seit 1. Januar auch einen Kassenbon, wenn gar kein Geld im Spiel ist. Beim Einlösen zuzahlungsfreier Rezepte sind die Apotheken verpflichtet, dem Kunden auch sogenannte Null-Bons auszuhändigen, die eine Summe von null Euro ausweisen. „Auch wenn der Apotheker vom Kunden kein Geld entgegengenommen hat, ist der Beleg steuerrelevant. Weil der Apotheker trotzdem eine umsatzsteuerpflichtige Leistung gegenüber den Krankenkassen erbringt“, erklärt eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums die Ausgabepflicht.
Doch Kundin Kristin Schilling (22), die ihr zuzahlungsfreies Medikament in der Großhansdorfer Walddörfer-Apotheke entgegennimmt, ist genervt. „Ich will den Bon gar nicht. Bei zuzahlungsfreien Rezepten sehe ich den Sinn nicht.“ Die Hamburgerin hätte viel lieber die freie Wahl, ob sie sich einen Bon ausdrucken lässt oder nicht.
Online-Belege aus Datenschutzgründen fragwürdig
Eine papierlose Alternative ist bereits in der Diskussion, wird aber derzeit noch kaum von Stormarns Händlern angeboten. Das sogenannte E-Bon-Kassensystem würde Kunden auf Wunsch einen digitalen Beleg in Form eines QR-Codes aufs eigene Smartphone senden. Der Kunde benötigt dafür lediglich eine beliebige QR-Code-App. Doch für Kristin Schilling wäre auch das keine Option. „Online-Belege finde ich aus Datenschutzgründen nicht sinnvoll“, sagt sie.
Vivien Rehder (45), Sprecherin der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein, kennt solche Bedenken. Von ihren Kunden habe sie bereits ähnliche Rückmeldungen bekommen. „Das führt immer zu Problemen mit dem Datenschutz. Viele Kunden befürchten, dass auf diesem Wege Rückschlüsse auf ihr Einkaufsverhalten gezogen werden könnten“, sagt Rehder. Es gebe durchaus gute Gründe für die neuen Auflagen. Den Kunden bleibe nichts anderes übrig, als den Bon abzulehnen.
Mehrkosten können kleine Händler nicht kompensieren
Bei der Rathausapotheke in Bargteheide häuft sich nicht nur der Berg zurückgewiesener Kassenbons, sondern auch Arbeit: Wegen der mitgedruckten Kundendaten auf dem Bon müssen die vom Kunden abgelehnten Belege aus Datenschutzgründen geschreddert werden. „In unserem Fall ist es nicht nur eine Frage der Kosten, sondern auch des Arbeitsaufwands“, sagt Apothekerin Jutta Kuhn gegenüber dem Abendblatt. „Warum sprechen wir permanent von Digitalisierung und Umweltschutz, wenn wir jetzt eine Papier-Massenproduktion verursachen?“, fragt sich die 50-Jährige.
Da ab sofort jeder noch so kleine Einkauf belegpflichtig ist, beeinträchtigt die Neuregelung auch das tägliche Geschäft in Stormarns Bäckereien. „In zwei bis drei Tagen verbrauchen wir eine ganze Belegrolle“, sagt Ann-Kathrin Harthun (25), Mitarbeiterin der Stadtbäckerei Schacht in Ahrensburg. So gut wie kein Kunde wolle den Beleg annehmen. „Ich finde die neue Regelung überhaupt nicht schön, es wird einfach nur Papier verschwendet“, so die 25-Jährige. Die Einführung des E-Bon-Systems könne sie sich in der Stadtbäckerei gut vorstellen. Dafür müsste ihr Arbeitgeber allerdings eine zusätzliche Kassensoftware erwerben. „Für fünf Brötchen brauche ich nun wirklich keinen Bon“, sagt Miriam Wessler (51) beim Einkauf in der Stadtbäckerei. Sie habe Verständnis für das Streben nach Steuergerechtigkeit, aber „ich finde die Umsetzung nicht sehr sinnvoll“.
Betroffener hofft auf Ausnahmeregelung für Kleinstbetriebe
In Anke Davids Kiosk in Ammersbek geht vom Lolli über Brötchen bis zur Zeitschrift etliches über den Tresen, was bislang keine Quittung erforderte. „Kein Kunde nimmt den Bon mit. Stattdessen produzieren wir jetzt jede Menge Sondermüll, weil die Quittungen auf Thermopapier ausgedruckt werden. Es ist Schwachsinn!“, sagt die Betreiberin eines Getränkemarkts und Ladens für den täglichen Bedarf. „Sonst kamen wir mit einem Karton Papierrollen ein halbes Jahr lang aus, jetzt lege ich fast jeden Tag eine neue Rolle ein.“ Auch ihre Kundschaft halte das für Papierverschwendung. „Letztendlich müsste ich die Mehrkosten auf die Verkaufspreise drauf rechnen. Aber das kann ich mir als kleiner Laden nicht erlauben.“
Bei Onkel Curry, einem Imbissstand vor der Ahrensburger Famila-Filiale im Industriegebiet, hofft Benjamin Laimer noch auf eine Ausnahmeregelung für Kleinstbetriebe. „Wir verstehen ja den Hintergrund der neuen Auflagen, aber hätte man das nicht sinnvoller umsetzen können?“, bemängelt der 31-Jährige. Es sei ein enormer Mehraufwand und verzögere den Arbeitsfluss zu Stoßzeiten. „Es ist auch in unserem Interesse, dass die schwarzen Schafe erwischt werden, aber die finden meist auch andere Wege“, befürchtet Laimer. Er halte die Idee, seine Kunden für jeden Kauf einen QR-Code scannen zu lassen, für keine Alternative. Die meisten hätten die entsprechenden Apps nicht auf ihrem Handy. „Wir müssen das Ganze wohl mit sarkastischem Humor nehmen“, sagt der selbst ernannte Feinwurstmechaniker.
Elektronische Kassen brauchen bis September Nachrüstung
Blumenhändlerin Angelika Rehmke aus Ahrensburg druckte in den ersten Januartagen noch jeden Beleg für ihre Kunden aus. „Aber keiner wollte ihn haben“, sagt die Inhaberin von „Blütenzauber“. „Dann habe ich sie gesammelt. Jetzt drucken wir Bons auf Wunsch, die Belege speichert die Kasse ohnehin automatisch für spätere Kontrollen ab. Doch was richtig ist, weiß keiner ganz genau.“ Die meisten ihrer Kollegen handhabten es ähnlich.
Schätzungen zufolge rechnet der Handel mit bis zu 40 Prozent mehr Papiereinsatz. Bis Ende September sollen alle elektronischen Kassensysteme mit einer technischen Sicherheitseinrichtung ausgestattet sein. Das bedeutet, sämtliche elektronischen Kassen, die sich aktuell in Stormarns Betrieben befinden, müssen entsprechend umgerüstet werden, so dass sie den Kassenbon automatisch ausdrucken. Händler, deren Kassen dazu nicht in der Lage sind, müssen sich also ein neues Kassensystem zulegen. Laut Fachverband für Kassen- und Abrechnungstechnik können von den etwa 1,85 Millionen Kassen, die in Deutschland im Einsatz sind, nur zwischen 400.000 und 500.000 angepasst werden.
Es gibt auch papierfreie Alternativen
Das E-Bon-System ist eine branchenunabhängige Software für Kassen, die dem gesteigerten Papiermüllaufkommen durch die Belegausgabepflicht entgegenwirken soll. Dabei wird dem Käufer auf einem Display ein QR-Code angezeigt. Der Kunde scannt den Code mit einer beliebigen QR-Code-App und kann diesen kostenlos und papierfrei auf dem Handy abspeichern. Die Kosten für das Programm belaufen sich auf 14,50 Euro pro Kasse für jeden Betrieb. Die Möglichkeit, den Bon ausgedruckt mitzunehmen, bleibt erhalten. Eine weitere Möglichkeit, Papier zu sparen, wäre die Zusendung des Beleges per E-Mail. Kunden sehen hier jedoch ihren Datenschutz in Gefahr.