Ahrensburg/Reinbek. Bürger bemängeln, dass ausschließlich XXL-Behälter mit 240 Litern verteilt werden – bereits erste Abbestellungen.
Die neuen Wertstofftonnen stehen noch nicht vor den Türen der rund 65.000 Privathaushalte in Stormarn, doch schon gibt es Ärger. Bei der Abfallwirtschaft Südholstein (AWSH) beschweren sich Kunden darüber, dass ihnen die Gelbe Tonne mit 240 Litern zu groß sei. Eine kleinere Alternative bietet die AWSH nicht an.
Ab Mitte Februar ersetzt der Abfallbehälter die Gelben Säcke im Kreis Stormarn. In die Wertstofftonne kommen nicht nur Verpackungen mit dem Grünen Punkt, sondern auch sogenannte stoffgleiche Nichtverpackungen. Das sind beispielsweise Haushaltsgegenstände und Spielzeuge aus Kunststoff, aber auch Töpfe und Pfannen aus Metall. Aktuell werden diese Gegenstände noch im grauen Restabfallbehälter entsorgt und landen nicht beim Recycling, sondern in der Müllverbrennungsanlage Stapelfeld.
Der Tonneninhalt entspricht etwa vier Gelben Säcken
Mit Hilfe der Wertstofftonne sollen auch diese Mengen recycelt werden, um Rohstoffe zu schonen. Die gelbe XXL-Tonne mit 240 Litern Fassungsvermögen – das entspricht etwa vier Gelben Säcken – ist für Häuser mit bis zu fünf Personen vorgesehen. Was etliche Stormarner ärgert: Auch jeder kleinere Haushalt erhält diese große Tonne, die möglicherweise gar nicht gefüllt werden kann und Platz wegnimmt.
Die Ammersbekerin Susanne Bergmann ist eine der Kritikerinnen. Sie legt großen Wert auf Nachhaltigkeit in ihrem dreiköpfigen Haushalt. „Wir kommen nur auf einen halbvollen Gelben Sack innerhalb von 14 Tagen“, sagt die umweltbewusste Frau. Für eine 120-Liter-Tonne wäre in ihrem extra errichteten Unterstand noch ein Platz frei. Die 240er-Variante hingegen ist zu groß für den metallenen Unterstand auf ihrem Reihenhaus-Grundstück.
Wer die Tonne nicht nimmt, muss zum Recyclinghof fahren
„Eine Alternative ist, sich eine 240-Liter-Tonne mit seinen direkten Nachbarn zu teilen“, sagt Dennis Kissel, Geschäftsführer der Abfallwirtschaft Südholstein. Wer ein Reihenhaus bewohnt, könne sich mit mehreren Nachbarn sogar auf einen 1100 Liter fassenden Großcontainer einigen.
Kein Stormarner ist verpflichtet, die Gelbe Tonne anzuschaffen. Die jetzt noch benutzten Säcke werden allerdings künftig nicht mehr verteilt und abgeholt.
Ammersbekerin hat die Wertstofftonne schon abbestellt
Susanne Bergmann hat wie Dutzende andere Stormarner bereits ihre Konsequenzen gezogen: Sie hat die Wertstofftonne abbestellt. Wer dies ebenfalls macht, kann wiederverwertbare Materialien zu Hause sammeln und zu einem Recyclinghof in der Nähe bringen. Das ist nach wie vor kostenlos. Die Ammersbekerin nimmt mit ihrer Entscheidung die zwölf Kilometer lange Fahrt zum Bargteheider Recyclinghof in Kauf.
„Das Ganze ist nicht richtig durchdacht. Auf uns wurde keine Rücksicht genommen“, sagt Bergmann. Sie befürchtet außerdem, dass die größere Tonne die Müllmenge einiger Haushalte noch fördern könnte, weil die neue Tonne einfach mehr Raum biete.
Duales System wollte zunächst sogar 360-Liter-Behälter
Diese Einschätzung teilt AWSH-Geschäftsführer Dennis Kissel gar nicht. „Das ist eine Frage der Verhaltensänderung hin zur Nachhaltigkeit und nicht eine Frage des Volumens der Wertstofftonne“, sagt er. Der zusätzliche Raum im 240-Liter-Behälter sollte nicht für mehr Verpackungsmaterialien benutzt werden, sondern für die Entsorgung von den stoffgleichen Nichtverpackungen.
Einige Stormarner fühlen sich von der AWSH vor vollendete Tatsachen gestellt. „Die anderen Tonnen umfassen jeweils nur 120 Liter und sind ohne Probleme über viele Jahre im Einsatz“, sagt ein Oststeinbeker, der in einer Reihenhaussiedlung wohnt. Eine 120-Liter-Wertstofftonne reiche für die kleinen und oft auch kinderlosen Haushalte in seiner Umgebung vollkommen aus. Zudem passe die große, 107 Zentimeter hohe Tonne auch bei ihm nicht in den Unterstand.
System ist so in anderen Kreisen umgesetzt worden
Dennis Kissel verweist auf Abendblatt-Anfrage darauf, dass sich die AWSH mit den Unternehmen des Dualen Systems Deutschland (DSD) auf eine einheitliche Tonnengröße habe einigen müssen. Ursprünglich habe sich das Duale System sogar für einen 360-Liter-Behälter eingesetzt, der nur alle vier Wochen geleert werden sollte. Die AWSH habe dem die Wahl zwischen einer 120- und einer 240-Liter-Tonne entgegengesetzt. „Da erschien uns die 240-Liter Tonne als sinnvoller Kompromiss“, so der Geschäftsführer.
„Für 240.000 Kreisbewohnern geht es natürlich nie ganz individuell“, sagt Olaf Stötefalke, Sprecher der AWSH. Außerdem sei das System so bereits bundesweit in anderen Kreisen umgesetzt worden. Allerdings gibt es auch Städte, die den Kunden durchaus die Wahl lassen (siehe links).
AWSH will noch einmal Gespräche führen
„Wir sind nicht glücklich mit der Situation“, sagt Dennis Kissel. Er habe zu Hause Brennholz umstapeln müssen, um für die neue Tonne Platz zu schaffen. Die Kritik sei bei der AWSH angekommen. „Wir werden versuchen, mit dem Dualen System ein weiteres Mal ins Gespräch gehen“, sagt Olaf Stötefalke. Ob noch Änderungen möglich seien, sei allerdings nicht einzuschätzen.
Im Nachbarkreis Herzogtum Lauenburg ist die Einführung der Gelben Tonnen bereits in vollem Gange: Täglich werden 500 bis 700 Behälter mit einem Volumen von 240 Litern ausgeliefert. Mitte April will die AWSH auch in Stormarn die Behälter flächendeckend verteilt haben.
Deutschlandweit ist die Wertstofftonne in den Farben Gelb und Orange bereits in etlichen Städten und Kreisen im Einsatz, darunter Berlin, Hannover, Braunschweig und Hamburg. In der Hansestadt gibt es ausschließlich die 240-Liter-Größe, parallel werden dort weiterhin gelbe Säcke verteilt und eingesammelt.
Münster (315.000 Einwohner) in Nordrhein-Westfalen hat die gelbe Tonne in zwei Größen zum Jahresbeginn eingeführt. Haushalte mit bis zu 90 Liter großen Restmülltonnen bekamen eine 120-Liter-Wertstofftonne, die anderen eine mit 240 Litern. „Wir haben viele enge Straßen und kleine Grundstücke, auf denen kein Platz für große Behälter ist“, sagt eine Stadtsprecherin.
Bad Berleburg, eine 20.000-Einwohner-Stadt im Kreis Siegen-Wittgenstein, stellt jetzt ebenfalls von Sack auf Tonne um. „Unsere Bürger können wählen, ob sie die 120- oder die 240-Liter-Variante wollen“, sagt eine Rathaussprecherin.