Bad Oldesloe. Bündnis aus 36 Städten und Gemeinden, dem Kreis sowie Unternehmen kommt nur schleppend voran. Kritik an Kommunen.
Es sollte der Tag des Aufbruchs sein, jener 23. April im vergangenen Jahr. In der Hoffnung, auf Sicht ausreichend Wohnungen in Stormarn zu schaffen – vor allem solche mit günstigen Mieten. Andreas Breitner, Direktor des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), blickte genauso optimistisch in die Fotokameras wie Landrat Henning Görtz oder auch Barsbüttels Bürgermeister Thomas Schreitmüller, als sie den Vertrag über das „Stormarner Bündnis für bezahlbares Wohnen“ unterschrieben. Jetzt, mehr als eineinhalb Jahre danach, ist von Euphorie keine Spur mehr. Im Gegenteil: Mancherorts herrscht schon Resignation. Und das ambitionierte Projekt wird infrage gestellt. „So langsam zweifle ich den Sinn des Bündnisses an. Leider“, sagt Hartmut Thede, Leiter der Projektentwicklung beim Unternehmen Semmelhaack. Die Elmshorner sind genauso Bestandteil der Allianz wie zwei weitere Wohnungsfirmen und fünf Genossenschaften.
Erst ein Projekt befindet sich in der Umsetzung
Zur Investorenseite zählen ebenfalls der VNW und der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen Nord (BFW). Sie kooperieren mit 36 Städten und Gemeinden in Stormarn unter der Federführung des Kreises. Dieser hat eine Geschäftsstelle eingerichtet. Dort melden Kommunen mögliche Baugrundstücke. Die Informationen werden von Bad Oldesloe aus an die Partner aus der Wirtschaft weitergeben. Im Idealfall entstehen dann Wohnungen.
Die Realität, auf diesem Weg erfolgreich zu sein, ist jedoch bitter: Bisher befindet sich erst ein Projekt in der Umsetzung. Die Genossenschaft Sachsenwald schafft im Barsbütteler Ortsteil Willinghusen 20 Einheiten. Vom Ziel, Jahr für Jahr bis zu 500 neue, attraktive und vor allem günstige Wohnungen zu bauen, ist man also meilenweit entfernt. An dem Willen der Unternehmen liegt das nicht. Sie sind bereit, per anno bis zu 80 Millionen Euro investieren.
Landrat Henning Görtz wünscht sich ein höheres Tempo
„Gerade in größeren Kommunen wird der ausgestreckte Arm nicht entgegengenommen“, klagt Thede. Die wenigsten seien so mutig und legten sich auf Wachstum fest. Sein Vorwurf gilt der Politik. „Es geht auch darum, Acker- in Bauland umzuwandeln.“ Doch Grundstücke würden kaum angeboten. Im Fall von Semmelhaack ist es laut Thede binnen 19 Monaten nur eines über die Geschäftsstelle des Kreises gewesen. Dieses gehört der Gemeinde Lütjensee. Das Problem: Auf dem Areal befinden sich Altbauten, die vermietet sind. „Wir hätten alles abgerissen und neu gebaut, kaufen keine Fläche, um Mietverhältnisse zu übernehmen“, sagt Thede. Eine Zusammenarbeit scheiterte. Kreisbauamtsleiter Thilo Scheuber sagte dem Abendblatt, dass über den Kreis bisher acht Areale an die Unternehmen kommuniziert wurden.
Auch Landrat Görtz wünscht sich ein höheres Tempo. Er besuchte jüngst Ausschüsse in Ahrensburg, Reinbek, Glinde, Bad Oldesloe und Tangstedt, um die örtlichen Politiker für das Thema zu sensibilisieren. Dabei wurde er von Wolfgang Gerstand (CDU), dem Vorsitzenden des Wirtschafts-, Planungs- und Bauausschusses des Kreises, begleitet. Die beiden machten auch mithilfe einer Powerpoint-Präsentation noch einmal deutlich, wie hoch der Siedlungsdruck ist. Laut Gutachtern fehlen in Stormarn jährlich 1000 Wohnungen.
Wachstumskurs hätte Auswirkungen auf Infrastruktur
Landrat Görtz sagt: „Ich kritisiere die Städte und Gemeinden nicht, will sie aber ermutigen.“ Der Landrat schlägt vor, kostengünstiger zu bauen, dazu auf Tiefgaragen zu verzichten „oder die Ausnutzbarkeit der Grundstücke zu erhöhen, indem man zum Beispiel Gebäude mit vier Geschossen statt zwei plus Staffel wählt“. Der Vorschlag, in die Höhe zu bauen, kommt nicht von ungefähr. Kommunale Grundstücke sind rar gesät – der größte Hemmschuh überhaupt. In Sachen Output des Bündnisses sei die Lage unbefriedigend, sagt Görtz und fügt hinzu: „Die Bereitschaft, etwas zu tun, ist von Kommune zu Kommune unterschiedlich.“
Entschließen sich Städte und Gemeinden, den Wachstumskurs einzuschlagen und den Zuzug junger Familien zu beschleunigen, hat das natürlich auch Auswirkungen auf die Infrastruktur. So muss in Schulen und Kitas investiert werden. Jene, die daran Kritik üben, kann Henning Görtz nicht verstehen: „Denn wenn Wachstum nicht gestaltet wird, überaltert ein Ort.“ Noch deutlicher wird Wolfgang Gerstand, wenn er über das Bündnis redet: „Viele Kommunen haben offenbar nicht verstanden, worum es geht.“ Trotzdem passiere derzeit eine Menge im Kreis in Sachen Wohnungsbau. Allein in Ahrensburg werden mehr als 300 Wohnungen an verschiedenen Standorten errichtet, davon stehen allerdings auch viele zum Verkauf – und sind für manch einen nicht bezahlbar.
Baukostensteigerung liegt bei etwa fünf Prozent pro Jahr
Die Neue Lübecker baut derzeit im Reeshoop-Viertel 77 Wohnungen mit einer Durchschnittsmiete von 11,75 Euro pro Quadratmeter kalt. Öffentlich geförderte Einheiten gibt es darunter nicht. „Uns ist die soziale Durchmischung im Quartier wichtig", sagt Vorstand Marcel Sonntag. Die Neue Lübecker hat an dem Standort bereits 800 Wohnungen mit teilweise viel günstigeren Mieten. Später werden unter anderem ältere Gebäude aufgestockt, was 84 zusätzliche Einheiten bringt. „Unter zehn Euro kalt können wir beim Neubau heute nicht mehr kostenneutral arbeiten“, sagt Sonntag. Die Baukostensteigerung liege jedes Jahr bei vier bis fünf Prozent.
In Großhansdorf, das nicht Mitglied der Allianz ist, plant die Genossenschaft an der Sieker Landstraße 112 neue Wohnungen. Die bisher angebotenen Areale über den Kreis seien wegen Größe und Lage nicht geeignet gewesen, berichtet der Genossenschaftschef. „Dass es so schleppend läuft, hätten wir nicht gedacht.“ Allerdings sei das Wohnbaubündnis ein neues Instrument, an dem man festhalten solle.
Diese Meinung teilt auch Glindes Bürgermeister Rainhard Zug: „Ich habe keine kurzfristigen Erfolge erwartet. Ein Resümee kann man aus meiner Sicht erst nach fünf Jahren ziehen.“ Der Pakt habe auch ideellen Wert, helfe ihm bei Gesprächen mit Investoren auch außerhalb der Allianz. In Glinde ist die Zahl der Sozialwohnungen von rund 2000 in den 70er-Jahren auf derzeit 264 gesunken. Mehr als 300 Personen stehen im Rathaus auf einer Warteliste.
Gespräche mit Partnern aus Wirtschaft für Januar geplant
Reinbeks Verwaltungschef Björn Warmer betont, man müsse so einem Projekt Zeit geben. „Es jetzt schon als gescheitert zu erklären, ist viel zu früh.“ Die Verwaltung in Stormarns zweitgrößter Stadt hatte im Auftrag der Politik Wohnbaupotenziale ermittelt und den Entscheidungsträgern diese im Sommer vorgestellt. Konkretes hat sich daraus aber noch nicht entwickelt.
Kreisbauamtsleiter Thilo Scheuber verweist darauf, dass auch bei kleineren Projekten ein hoher Anteil von öffentlich geförderten Einheiten möglich ist. Er nennt die Beispiele Bad Oldesloe mit 50 Wohnungen, wovon 27 günstig vermietet werden, und Trittau. Dort fallen 20 der 40 Unterkünfte in die Kategorie bezahlbar. „Es ist egal, unter welchem Label es läuft. Hauptsache, wir schaffen Wohnungen in Stormarn“, sagt Landrat Henning Görtz. Kreistagspolitiker Wolfgang Gerstand wünscht sich zügig mehr Dynamik vom Bündnis und plant im Januar Gespräche in großer Runde mit den Partnern aus der Wirtschaft.