Stapelfeld. Betreiber will neue Anlagen für Müll- und Klärschlammverbrennung errichten. Chancen auf Abriss und Neubau stehen gut.
Erteilen die Gemeindevertreter in Stapelfeld das nach dem Baugesetzbuch erforderliche gemeindliche Einvernehmen zum Neubau der Müllverbrennungsanlage (MVA) im Ort? Nachdem die Kommunalpolitiker Anfang September wegen ungeklärter Fragen einstimmig dagegen waren, steht das Thema bei der Sitzung am Montag, 4. November, erneut auf der Tagesordnung. Während der Kreis Stormarn keine Bedenken sieht, fordern die Vereine Bürger-Interessen-Gemeinschaft Stapelfeld (BIG!) und „Das bessere Müllkonzept“ eine erneute Ablehnung.
Der Betreiber EEW Energy from Waste will auf seinem Grundstück nahe der Autobahn für schätzungsweise 150 Millionen Euro ein Restmüll-Heizkraftwerk sowie zusätzlich eine sogenannte Mono-Klärschlammverbrennung bauen. Nach der Eröffnung der beiden Öfen – voraussichtlich Mitte 2022 – soll die alte Anlage abgerissen werden.
Betreiber hat Abfallmengen noch mal schriftlich bestätigt
In der Beschlussvorlage für die Gemeindevertretung (Wählergemeinschaft und CDU jeweils fünf Sitze, SPD drei Sitze) macht die Amtsverwaltung Siek deutlich, dass in diesem Verfahren „allein über die planungsrechtliche Zulässigkeit“ entschieden werde. Die zuständige Genehmigungsbehörde für das Gesamtverfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz sei das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR). Dies ist dem Umweltministerium in Kiel angegliedert.
Die Gemeinde hatte einen Fachanwalt für Verwaltungs-, Bau- und Architektenrecht eingeschaltet. Unter anderem gab es im September Irritationen über die jährlichen Verbrennungsmengen. Beim Restmüll hatte EEW immer 320.000 bis 350.000 Tonnen genannt, beim Klärschlamm 32.500 Tonnen Trockensubstanz plus 2500 als Reserve. Im Genehmigungsantrag standen für den Klärschlamm knapp 189.000 Tonnen
Zahlen beziehen sich laut EEW auf theoretische Mengen
Mittlerweile hat EEW versichert, dass die vom Unternehmen von Beginn an genannten Zahlen weiterhin gültig seien. Das liegt der Amtsverwaltung und der Gemeinde Stapelfeld nun auch schriftlich vor. Demnach schreibe das Gesetz vor, alle notwendigen Untersuchungen und Gutachten auf eine theoretische Maximalkapazität auszulegen, die weder geplante (zum Beispiel Wartungen) oder ungeplante (Ausfälle) Stillstände berücksichtige.
Hinzu komme ein zehnprozentiger Aufschlag beim Restmüll und ein 15-prozentiger beim Klärschlamm. „Diese theoretischen Rahmenbedingungen, immissionsschutzrechtlich vorgegeben, führen damit zu theoretischen Durchsatzmengen, die in der Praxis nie erreicht werden“, heißt es in dem Schreiben von EEW Stapelfeld
Gegner befürchten Mülltourismus
Proteste von Gegnern, die die Klärschlammverbrennung aus Kapazitätsgründen für überflüssig in Norddeutschland halten und Mülltourismus durchs Bundesgebiet oder gar aus dem Ausland befürchten, hält EEW für unbegründet. Nach jüngst abgeschlossenen Verträgen sei die Anlage schon jetzt zu mehr als 80 Prozent mit Anlieferungen aus der Metropolregion Hamburg ausgelastet.
Die Maximalmenge von 35.000 Tonnen Klärschlamm habe das Unternehmen in einer rechtlich bindenden Vereinbarung auch den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg zugesichert. Das bestätigt Stormarns Landrat Henning Görtz auf Abendblatt-Nachfrage.
Politiker spricht von Kommunikationsproblemen
In der Stapelfelder Gemeindevertretung scheint das gemeindliche Einvernehmen im zweiten Anlauf durchaus möglich. „Ich gehe davon aus, dass wir es herstellen“, sagt SPD-Fraktionschef Klaus Fechner. Seiner Ansicht nach habe es zunächst „Kommunikationsprobleme mit der MVA“ gegeben: „Künftig wollen wir einen kürzeren Draht haben.“ Bei einem Termin aller Fraktionschefs und des Bürgermeisters in der „Mülle“, wie der Betrieb im Dorf genannt wird, seien Unklarheiten ausgeräumt worden.
Das sieht CDU-Sprecher Heino Westphal ähnlich. „Noch offene Fragen wurden beantwortet“, sagt er. Das Abstimmungsverhalten seiner Partei wolle er aber nicht vorwegnehmen.
Umweltverbände fordern Prüfung aller Widersprüche
Vollkommen anders schätzen die Sprecher der Vereine BIG! und „Besseres Müllkonzept“ – der Stapelfelder Gerhard Schack und der Sieker Klaus Koch – die Situation ein. Für sie sind die widersprüchlichen Abfallmengen keineswegs erklärt worden. Das habe Einfluss auf die Verträge. „Der unter Ausschluss der Öffentlichkeit vereinbarte Kreisvertrag mit der EEW sieht niedrigere Abfallmengen und geringere Abgasmengen vor – die jedoch bei höheren Abfallmengen nicht mehr Stand der Dinge sind“, heißt es in einer Erklärung.
Weitere Ungereimtheiten bei Angaben zu Schadstoffen im EEW-Antrag habe das Ingenieursnetzwerk ERM entdeckt, das auch für die Gemeinde Siek ein Gutachten erstellt hatte. Für Schack und Koch steht deshalb fest: „Bevor die Gemeindevertreter über das gemeindliche Einvernehmen zum Genehmigungsantrag der EEW abstimmen, bedürfen die angeführten Widersprüche dringend einer öffentlichen Klärung sowie einer Überprüfung durch höhere Behörden des Landes Schleswig-Holstein.“
Gemeindevertretersitzung Stapelfeld Mo 4.11., 19.00, Kratzmann’sche Kate, Reinbeker Straße 4