Siek/Stapelfeld. Höhere Zahlen für Restmüll und Klärschlamm sorgen bei Einwohnerversammlung in Siek für Verwirrung. Gutachter gibt Entwarnung.

Bei der Sieker Einwohnerversammlung zum Neubau der Müllverbrennungsanlage (MVA) Stapelfeld sind Zweifel an den vom Betreiber genannten künftigen Kapazitäten aufgekommen. 320.000 Tonnen Restmüll und 32.5000 Tonnen Klärschlamm-Trockensubstanz (etwa 135.000 Tonnen nasser Schlamm) im Jahr hatte der Betreiber EEW Energy from Waste stets angekündigt. Doch in den Genehmigungsunterlagen entdeckte das von der Gemeinde Siek beauftragte Ingenieursnetzwerk ERM 350.000 Tonnen Restmüll und knapp 189.000 Tonnen nassen Klärschlamm.

ERM-Partner Ingo Willenbockel, der in Siek nach seiner Präsentation Bürgerfragen beantwortete, erklärte die Diskrepanz damit, das in sämtlichen Berechnungen im Genehmigungsantrag eine theoretische Maximalmenge Grundlage gewesen sei. „Realität werden die von EEW von Beginn an genannten Zahlen sein, die sind unter anderem auch dem Kreis Stormarn zugesichert worden“, sagte der promovierte Bodenkundler. Beispielsweise seien bei der wirklichen Jahresmenge Ausfallzeiten bei Wartungen zu berücksichtigen.

Gegner der Anlage befürchten erhebliche Mehrbelastungen

Gutachter Ingo Willenbockel (l.) und Sieks Bürgermeister Andreas Bitzer beantworteten Fragen der Einwohner.
Gutachter Ingo Willenbockel (l.) und Sieks Bürgermeister Andreas Bitzer beantworteten Fragen der Einwohner. © Harald Klix | Harald Klix

Etliche der rund 120 Gäste – darunter neben Sieker Gemeindevertretern und Bürgern auch Auswärtige aus Stapelfeld, Brunsbek und Ammersbek – mochten dem nicht folgen. „EEW will die Müllmenge erhöhen, wir sind betrogen worden“, rief Klaus Koch, Gründer des Vereins „Das bessere Müllkonzept“. Ein weiterer Kritikpunkt des Siekers: Es werde „mindestens 21 Wochen“ Parallelbetrieb von alter und neuer Anlage geben mit daraus resultierenden erheblichen Mehrbelastungen. Grundsätzlich machte der Gutachter den MVA-Gegnern in der Mehrzweckhalle wenig Hoffnung, dass der Neubau noch zu verhindern ist. „Wenn der Antragsteller die gesetzlichen Anforderungen erfüllt, muss die Behörde die Genehmigung erteilen“, sagte Ingo Willenbockel. Das sei anders als im Planfeststellungsverfahren, in dem eine Abwägung erfolge. Die Vorgaben der Bundes-Immissionsschutz-Verordnung (BImSchV) würden eingehalten. Der Experte ging aber auch auf die „Besten verfügbaren Techniken“ (BVT, englische Abkürzung BREF) ein, die die Europäische Kommission beschreibt.

Bei Quecksilber, Chlorverbindungen sowie Dioxinen und Furanen seien strengere Grenzwerte zu finden. „Da muss vermutlich nachgebessert werden“, sagte Ingo Willenbockel. Zudem sei die jährliche Niederschlagsmenge im lufthygienischen Gutachten mit 743 Millimetern zu niedrig. Der Standort komme auf 770 bis 840 Millimeter.

Eine eventuelle Zusatzbelastung – auch wegen des nur 63 statt jetzt 110 Meter hohen Schornsteins, sollte durch Auflagen verhindert werden. Zusammenfassend waren die ERM-Gutachter zu dem Ergebnis gekommen, dass die umweltfachlichen Unterlagen „in den wesentlichen Aspekten nachvollziehbar und plausibel“ seien. Im Betrieb seien bei Schall und Gerüchen „keine erheblichen Auswirkungen“ zu erwarten. Weiter heißt es: „Das Gleiche gilt auch für die luftpfadgebundenen Immissionen von Schadstoffen (...)“

Bürger schlagen Bodenproben und Luftmessungen vor

Vorschlägen von Bürgern, im Ort Luftmessstationen aufzustellen oder Bodenproben zu nehmen, hält Ingo Willenbockel für wenig sinnvoll. „Das haben wir früher gemacht, ich war selbst 20 Jahre beim TÜV“, sagte er. Doch heute sei die Luft viel sauberer. „Außerdem ist es fachlich extrem schwierig, Veränderungen auf eine bestimmte Anlage zurückzuführen.“ Ein ganz wesentlicher Faktor seien Autobahnen – die A 1 führt direkt an Stapelfeld und Siek vorbei. Sehr viel besser seien Abgasmessungen direkt am Schornstein.

Eine Frau aus dem Publikum erzählte, dass sie im Internet über Gestank an Klärschlammverbrennungsanlagen gelesen habe. „Bei vorschriftsmäßigem Gebrauch von Schleusen und Absaugung ist das nicht zu erwarten“, so der Fachmann. Gleiches gelte für die Sorge, dass die Liefer-Muldenkipper die Straßen volltropfen würden. „Klärschlamm mit 75 Prozent Wassergehalt ist stichfest“, so Willenbockel.

EEW rechnet mit täglich bis zu 30 Klärschlammtransportern

Woanders, beispielsweise in der Hamburger Anlage Vera, sei Lachgas ein großes Problem, meinte Katrin Delfs von der Bürger-Interessen-Gemeinschaft (BIG!) Stapelfeld. Außerdem drohe dichter Schwerlastverkehr auf Umleitungen durch Siek oder Ahrensburg, wenn es auf der A 1 nach Unfällen zu Staus komme. EEW rechnet mit täglich bis zu 30 Klärschlammtransportern.

Weitere Infos: Einwendungen werden im Dezember erörtert

Baubeginn für die beiden neuen Verbrennungsöfen in Stapelfeld – einer für Restmüll und einer für Klärschlamm – soll nächstes Jahr sein. Mitte 2022 will EEW Energy from Waste die Anlage, die schätzungsweise 150 Millionen Euro kostet, in Betrieb nehmen. Die alte Müllverbrennungsanlage, in der das Feuer seit 1979 mit 850 bis 1100 Grad Celsius rund um die Uhr lodert, wird im Anschluss bis 2024 zum größten Teil abgerissen. Der Erörterungstermin für die Einwendungen zum mehr als 6000 Seiten starken Neubau-Genehmigungsantrag ist am 10. Dezember in Großhansdorf.