Ammersbek/Ahrensburg. Angegriffenes Tier konnte nur durch eine Not-OP gerettet werden. Verwaltung mahnt Spaziergänger und Jogger zur Vorsicht.

„Das hätte auch deutlich schlimmer ausgehen können“, sagt Horst Ansén. Der Bürgermeister von Ammersbek steht neben einem Warnschild am Schevenbarg in unmittelbarer Nähe zum Gelände des Golfclubs Hamburg-Walddörfer. In diesem Gebiet hat jetzt ein Wildschwein den Hund einer Spaziergängerin attackiert und so schwer verletzt, dass das Tier notoperiert werden musste. Ob es noch lebt, ist unklar. Denn einen Kontakt zu der Frau hat die Verwaltung momentan nicht. Das Ammersbeker Ordnungsamt hat auf die Vorkommnisse sofort reagiert, ließ acht Warntafeln an den Zuwegen zum Waldgebiet zwischen Schübargredder, Wulfsdorfer Weg und Schevenbarg aufstellen. Der Verwaltungschef appelliert an alle Anwohner, die Schilder ernstzunehmen. Er sagt: „Spaziergänger sollten unbedingt auf den Wegen bleiben und die Ratschläge der Jagdexperten befolgen.“ Horst Ansén weiter: „Auch sollten Eltern ihre Kinder unbedingt auf die aktuelle Gefahr hinweisen.“

Der Jagdpächter spricht von einem erstem extremen Fall

Was genau war geschehen? Christin Gruß vom Ammersbeker Ordnungsamt sagt: „Bei uns hat sich eine Frau gemeldet, die am Sonntag mit ihren Kindern und ihrem Hund am Schübargredder unterwegs war. Plötzlich wurde der Hund von einem Wildschwein attackiert. Dann rannte die Wildsau ins Unterholz, kehrte zurück und griff erneut an.“ Und dann, so berichtete die geschockte Ammersbekerin der Verwaltung, habe das wilde Tier den Hund durch die Luft gewirbelt und dabei erheblich verletzt. Das Ordnungsamt hat inzwischen den Ammersbeker Jagdpächter Gerhardt Dietrich und die Forstbehörde informiert. „Denn das alles geschah schließlich relativ nahe an Wohngebieten“, sagt der Bürgermeister. Und: „Wir wollen die Anwohner lieber rechtzeitig warnen.“

Das unterstreicht auch Jagdpächter Dietrich. Er beobachtet seit Jahren eine starke Zunahme der Wildschwein-Population. Doch solch ein extremer Fall sei bisher nicht vorgekommen. Nachts zögen sich die Rotten meist in größere Waldgebiete wie den Duvenstedter Brook zurück. Doch einige Tiere blieben im Revier, seien in den Morgenstunden auch am Rande von Wohngebieten unterwegs. Kommt dann ein freilaufender Hund oder ein Mensch dem sogenannten Wurfkessel der Wildsäue – das ist ein Lager aus Blättern, Sträuchern und Moos für die Jungtiere – zu nahe, wird es gefährlich. Die Bachen werden extrem aggressiv und verteidigen ihre Aufzucht. Auch Stormarns Kreisjägermeister Uwe Danger rät Spaziergängen im und an Wäldern zu besonderer Vorsicht. Viele Bachen seien noch bis zum Frühjahr mit ihren Frischlingen unterwegs.

Jagdexperte mahnt: Auf den Wegen bleiben, Hunde anleinen!

Der Ahrensburger Jäger Hans-Jürgen Wriggers an einer von Wildsäuen umgepflügten Stelle im Tunneltal
Der Ahrensburger Jäger Hans-Jürgen Wriggers an einer von Wildsäuen umgepflügten Stelle im Tunneltal © HA

Zur Frage, ob es sich bei dem Angreifer von Ammersbek um einen Keiler handelte, wie die Hundehalterin mutmaßte, sagt Uwe Danger: „Ich bin sicher, dass es eher eine Bache war.“ Auch er ruft Waldspaziergänger dazu auf, unbedingt auf den Wegen zu bleiben, unübersichtliches Terrain nach Möglichkeit zu meiden. Leider aber sei immer wieder zu beobachten, dass Halter die Leinenpflicht für ihre Hunde nicht beachten. Provoziert dann ein Hund einen bis zu 150 Kilogramm schweren Keiler, kann die Situation auch für Menschen lebensgefährlich werden. Auch Bachen erreichen ein Gewicht von bis zu 120 Kilo. Bevor ein Wildschwein angreift, bläst es – quasi als letzte Warnung – Luft aus. Daraufhin erfolgt ein Scheinangriff. Spätestens dann sollten Passanten weit weg sein. Denn die Tiere, deren Beißkraft ausreicht, den Oberschenkelknochen eines Menschen zu brechen, beschleunigen enorm schnell. Sie erreichen ein Tempo von bis zu 50 Kilometern pro Stunde. Weglaufen ist also zwecklos. Für diesen Extremfall rät Kreisjägermeister Uwe Danger: „Auf keinen Fall weglaufen, sondern versuchen, das Tier zu beeindrucken: Arme hochreißen und schreien!“

Bejagen der Wildsäue ist in Nähe von Häusern extrem schwierig

Die Möglichkeit, in Stormarn einer Wildsau zu begegnen, steigt offenbar weiter an. Jagdpächter Dietrich hat in seinem Revier seit Jahresbeginn 30 bis 40 Tiere erlegt. „Aber das ist ein Kampf gegen Windmühlen.“ Nur eine „scharfe Bejagung“ könne helfen beim Versuch, die Population einzudämmen. Doch das sei in einem von Straßen durchzogenen Gebiet und in Nähe von Häusern nun einmal sehr schwer.

Auch der Kreisjägermeister beobachtet die Entwicklung mit Sorge. Nach der Wildschweinplage im Ahrensburger Tunneltal, an dessen Zugängen die Stadtverwaltung schon im Winter 2017/2018 Hundehalter, Jogger, Radfahrer und Spaziergänger mit Schildern vor der Gefahr durch Wildschweine warnte, nun die Ereignisse in Ammersbek. Danger sagt: „Wir haben bis zu 40 Prozent mehr Tiere erlegt als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.“ Zwischen März 2017 und März 2018 wurden kreisweit etwa 1400 Wildschweine erschossen.