Was angehende Lebensretter bei Prüfungen für die Abzeichen in Gold, Silber und Bronze leisten müssen.
Bargteheide. Wer badet denn im Hochsommer in einem schneeweißen Baumwollanzug, mag sich kürzlich manch Besucher des Freizeitbads Bargteheide gefragt haben. Wenn Mitglieder der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) ihre Prüfungen ablegen, sind ihnen die neugierigen Blicke der Badegäste stets gewiss. Weil das Programm gleichermaßen anspruchsvoll wie spektakulär ist. „Alle zwei Jahre sollte ein Rettungsschwimmer die Normenkontrolle für die Abzeichen in Gold, Silber oder Bronze auffrischen“, sagt Sabrina Hellwege, die an diesem Nachmittag die Prüfungen abnimmt.
Tauchen, Springen und Bergen für das Bronze-Abzeichen
Die 20 Jahre alte Maschinenbaustudentin an der TU Hamburg hat im Jahr 2004 bei einem Kinderkursus der DLRG Schwimmen gelernt – und ist dabei geblieben. Erst in den Kinder- und Jugendschwimmgruppen, später bei den Rettungsschwimmern. Die trainiert sie inzwischen selbst. Und darf sie seit Kurzem auch eigenverantwortlich prüfen.
Acht Teilnehmer, darunter Mitglieder der Ortsgruppe Bargteheide und Privatpersonen, haben sich angemeldet, um ihre Qualifikation nachzuweisen. Dazu gehören nicht nur Übungen im Wasser, sondern auch an Land. Los geht es mit einer Art Zielwerfen auf dem grünen Rasen. Dabei muss ein angeleinter Rettungsball oder Wurfsack auf eine zehn Meter entfernte Zielmarke geschwungen werden. Die 17-Jährige Samantha Kölle braucht drei Versuche. Doch dann trifft der Ball „mitten ins Weiße“.
Anschließend geht es für alle in das stahlblaue 50-Meter-Becken gleich nebenan. Dort sind die Rettungsschwimmer dann ganz in ihrem Element. Nach einigen Bahnen Einschwimmen wird es ernst. Zwischen 200 und 400 Meter müssen je nach Abzeichen in einer bestimmten Frist und verschiedenen Lagen (Kraulen, Brust oder Rücken) zurückgelegt werden.
Mittendrin hält sich Marceline Omet mehr als wacker. Sie ist mit zwölf Jahren der jüngste Prüfling des Tages und will erstmals die Anforderungen für das Abzeichen in Bronze erfüllen. Dazu gehören je ein Kopf-, ein Paket- sowie ein Startsprung vom Block ebenso, wie 15 Meter Tauchen am Stück und das mehrfache Bergen eines fünf Kilo schweren Tauchrings vom Beckenboden. Marceline Omet meistert das alles mit Bravur. „Ich bin eben eine echte Wasserratte, habe schon mit fünf Jahren schwimmen gelernt“, verrät sie dem Abendblatt.
Kinder sollten frühzeitig schwimmen lernen
Das Mädchen entstammt einer schwimmbegeisterten Familie, in der längst alle DLRG-Mitglieder sind. Bruder Lucas (19), der auch bei der Freiwilligen Feuerwehr aktiv ist, hat das „Rettervirus“ in die Familie getragen. Vater Tilo ist schon seit 2016 DLRG-Kampfrichter, Mutter Claudia Trainerin. „Kinder sollten frühzeitig schwimmen lernen, das ist einfach wichtig. Deshalb wollte ich unbedingt Ausbilderin werden“, sagt die 45 Jahre alte zahnmedizinische Prophylaxehelferin. Sie weist an diesem Tag die Bedingungen für das silberne Zertifikat nach. Ebenso souverän wie Tochter Marceline die für Bronze.
Sven Baumgarten hat da schon einige Probleme mehr. Vor allem beim Streckentauchen über die Silber-Distanz von 25 Metern. „Als ich die Prüfung 1997 zum ersten Mal abgelegt habe, fiel mir das deutlich leichter. Aber inzwischen liegt das ja auch 20 Jahre zurück“, fügt der 43 Jahre alte Lehrer für Deutsch und Geschichte an der Dietrich-Bonhoeffer-Schule in Bargteheide schmunzelnd an.
Für ihn sei die Fitness-Kontrolle bei der DLRG aber eine echte Herzensangelegenheit. „Ich bin mit meinen Schülern schließlich regelmäßig auf Klassenfahrten. Bevorzugt am, im und auf dem Wasser – wie etwa bei unseren beliebten Paddeltouren. Da brauche ich für mich das gute Gefühl, dass ich jederzeit helfen kann, wenn es drauf ankommt“, erklärt Sven Baumgarten.
Diese Gewissheit holt er sich spätestens bei den drei verschiedenen Varianten des Anlandens eines Verunglückten. Per Rettungsleine ist das vergleichsweise einfach. Da braucht es an Land stehend vor allem einen kräftigen Armzug, um den Probanden an den Beckenrand zu ziehen. Etwas anders ist das schon beim Transportschwimmen. Da gilt es, den Partner im Wasser mit einem Gurtretter hinter sich herzuziehen. Innerhalb von 90 Sekunden ist die Normstrecke von 50 Metern zu bewältigen.
DLRG-Vize-Ortschefin ist zufrieden mit den Prüflingen
So richtig schwierig wird es indes, wenn Retter und Proband in den eingangs erwähnten weißen Anzügen im Wasser sind. „Die saugen sich richtig voll Wasser und lassen die Bergung im Achselschlepp- oder Fesselschleppgriff zu einem echten Kraftakt werden“, weiß Carsten Rüscher, stellvertretender Vorsitzender der DLRG-Ortsgruppe Bargteheide. Doch auch diese Übung bewältigt Sven Baumgarten, aufmerksam beobachtet von Prüferin Sabrina Hellwege, letztlich problemlos innerhalb der Normzeit von vier Minuten.
Drei bestandene Rettungsschwimmerabzeichen in Bronze, vier in Silber und eines in Gold verzeichnet die 20-Jährige am Ende der heutigen Prüfungen. Zufrieden zieht sie folgende Bilanz nach diesem Tag: „Der Nachmittag hat gezeigt, dass unsere Mitglieder und alle anderen Geprüften fit und einsatzbereit sind, von Rettungsmaßnahmen im Wasser bis zur Herz-Lungen-Wiederbelebung an Land.“
Infos und Zahlen zu den Lebensrettern
18 Menschen ertranken im Jahr 2018 in den Gewässern des Nordens. 23.000 Einsätze leisteten Rettungsschwimmer der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) Schleswig-Holstein im Jahr 2018 zu Wasser und an Land. Dabei gab es an Binnengewässern und Flüssen insgesamt 4004 Hilfeleistungen für Personen, an Nord- und Ostsee waren es weitere 16.348. Rund 400 Fälle sind als lebensrettende Einsätze eingestuft worden. Dabei gerieten die Retter 30-mal selbst in Lebensgefahr. 66 Personen konnten direkt vor dem Ertrinken bewahrt werden, doppelt so viele wie 2017. 284 Wassersportler wie Segler und Surfer sind an den Küsten von Nord- und Ostsee rechtzeitig geborgen worden. Das waren mehr als doppelt so viele wie im Jahr zuvor. 50 Verunglückte konnten erfolgreich reanimiert werden. Das waren viermal mehr Reanimationen als in durchschnittlichen Sommern. 504 Menschen sind 2018 in ganz Deutschland ertrunken, zumeist in unbewachten Gewässern. In Schleswig-Holstein gab es 18 Tote, doppelt so viele wie 2017. 12 tödliche Unfälle ereigneten sich zwischen Juni und September. 900 Kinder konnten wieder ihren Eltern zugeführt werden, nachdem sie an Stränden vermisst worden waren.