Ahrensburg. Jule Lehmann will den Autoverkehr mit Shuttlebussen zum Gewerbegebiet sowie mit Carsharing und Leihrädern reduzieren.

Das größte Problem in Ahrensburg ist der viele Autoverkehr. Zu dieser Einschätzung kommen Experten im Energie- und Klimaschutzkonzept, das die Politiker bereits im September 2015 verabschiedet hatten. Jetzt will die Stadt etwas gegen die hohe Umweltbelastung unternehmen, hat dafür erstmals eine Klimaschutzmanagerin eingestellt. Deren Einschätzung nach vier Monaten im Amt: „Ahrensburg hat extrem großes Potenzial, aber auch sehr viele Baustellen“, sagt Jule Lehmann. „In den vergangenen Jahren ist hier relativ wenig passiert, um das Klima zu schützen.“

Gewerbegebiet soll bessere Anbindung erhalten

In der Schlossstadt fehlten vor allem attraktive Alternativen zum Auto, sagt die 26-Jährige. „Wenn sich die Menschen morgens auf dem Weg zur Arbeit lieber 30 Minuten in den Stau stellen, als auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen, läuft etwas falsch.“ Die Expertin möchte das Gewerbegebiet Nord besser an den Regionalbahnhof und die U-Bahn-Haltestellen anbinden. Den aktuellen 30-Minuten-Takt der Busse und die lange Fahrzeit durch das volle Stadtgebiet bezeichnet sie als „wenig attraktiv“. Lehmann: „Wer aus der U-Bahn steigt, möchte nicht weitere 30 Minuten im Bus verbringen.“ Ihr Vorschlag: Gewerblich finanzierte Shuttlebusse, die in den Stoßzeiten vom U-Bahnhof Ahrensburg Ost auf schnellstem Weg über den Ostring ins Gewerbegebiet fahren.

Das allein reiche aber nicht aus, um die Menschen zum Umsteigen zu bewegen. Wichtig sei es, den Öffentlichen Personennahverkehr durch weitere Angebote zu unterstützen, zum Beispiel Carsharing und Leihfahrräder. „Arbeitnehmer müssen auf Alternativen zurückgreifen können, wenn sie mal zu einer anderen Uhrzeit oder ohne Wartezeit nach Hause wollen.“

Verwaltung prüft Solaranlagen auf städtischen Gebäuden

Diese Ideen möchte sie gern auf das gesamte Stadtgebiet ausweiten. Denn im Klimaschutzkonzept stellten die Experten fest, dass 80 Prozent des Verkehrs durch Fahrten innerhalb der City entsteht. Die Tendenz vieler Ahrensburger gehe zum Zweit- und Drittfahrzeug. „Wir benötigen ein Konzept, mit dem wir jedem Ahrensburger ermöglichen, auf das Auto zu verzichten. Dafür brauchen wir Alternativen, die Spaß machen und allen zugänglich sind.“ Ihr schwebt ein „Nachbarschaftsauto“ vor, auf das die Bürger für größere Einkäufe, Arztbesuche oder bei schlechtem Wetter zurückgreifen können. Zudem sei ein Fahrrad- und E-Bike-Verleih angedacht. Die Verwaltung bekomme demnächst Diensträder für ihr Ausweichquartier im Gewerbegebiet, gehe also mit gutem Beispiel voran. Das gilt auch für Jule Lehmann, die täglich die 14 Kilometer von ihrem Wohnort Hamburg-Rahlstedt nach Ahrensburg mit dem Fahrrad zurücklegt.

Lehmann ist es wichtig, Bürger und Unternehmen einzubinden

In Ahrensburg stauen sich die Autos nicht nur im Berufsverkehr häufig an der Großen Straße und anderenorts.
In Ahrensburg stauen sich die Autos nicht nur im Berufsverkehr häufig an der Großen Straße und anderenorts. © HA

Verbesserungsbedarf sieht die Expertin bei den städtischen Gebäuden. „Viele wären sehr gut für Solaranlagen geeignet. Da verschenken wir Möglichkeiten.“ Derzeit sei die Verwaltung dabei, die Schulen und Kitas diesbezüglich auf ihre Statik zu überprüfen. Auch beim geplanten Rathausanbau setze sie sich für Solarmodule auf dem Dach ein.

Ihre Pläne stellte Lehmann auch bei der Einwohnerversammlung am Mittwochabend im Marstall vor. Denn besonders wichtig ist es ihr, die Bürger und Unternehmen bei dem Thema mitzunehmen. „Jeder Einzelne von uns wird die Folgen des Klimawandels immer stärker zu spüren bekommen“, sagt Lehmann und verweist auf Trockensommer und Trinkwasserknappheit. „Solche Effekte werden zunehmen und noch dramatischer werden.“

Laut Klimaschutzkonzept verbrauchen Privathaushalte in Ahrensburg 24 Prozent der gesamten Energie, weitere 24 Prozent macht der Verkehr aus. Auch wenn Verbote von Fleisch, Autos, Flugreisen, Neubauten und Tropenholz „für das Klima überragend wären“, hält Lehmann nichts davon. „Wenn wir auf alles verzichten, werden wir wie bei einer Diät nach einer Woche rückfällig.“

Die Vollzeitstelle ist zunächst auf drei Jahre befristet

Stattdessen sollten sich die Ahrensburger lieber überlegen, kleine Dinge zu ändern, zum Beispiel einmal pro Woche mit dem Rad zur Arbeit fahren. „Wer etwas für den Klimaschutz tun will, muss Verzicht üben.“ Welche Möglichkeiten es gibt, darüber will sich Lehmann auch direkt mit den Ahrensburgern austauschen. Geplant sei ein Klimabeirat mit Vertretern der Verwaltung, Politik und Bürger, um neue Ideen zu entwickeln. Zudem möchte Lehmann ein Klimafestival ins Leben rufen – eine Fachmesse, auf der in dem Sektor tätige Firmen und Vereine aus der Region ihre Produkte vorstellen können. Die Verwaltungsmitarbeiterin will auch in die Schulen gehen und dort Projekttage zum Thema Klimaschutz anbieten. Eine weitere Idee ist ein Förderprogramm für Privathaushalte, die Mini-Windturbinen, eine Regenwasseraufbereitung oder Solaranlagen anschaffen wollen.

Viele Aufgaben für Jule Lehmann, die erst in diesem Jahr ihr Masterstudium Erneuerbare Energiesysteme in Hamburg abgeschlossen hat. Ihre Vollzeitstelle in Ahrensburg ist zunächst auf drei Jahre befristet. Sie wird vom Projektträger Jülich gefördert, der Geld vom Bund vergibt.

Klimaschutzmanager in ganz Stormarn

In mehreren Kommunen Stormarns gibt es bereits seit einiger Zeit Klimaschutzmanager, zum Beispiel in Reinbek, Bargteheide und Trittau. Auch Reinfeld plant, einen Experten einzustellen.Die Oldesloer Politiker haben dagegen Ende 2018 entschieden, die Stelle wieder aus dem Plan zu streichen. Die Kreisstadt hatte mit einer hohen Fluktuation zu kämpfen, zuletzt war das Amt zwei Jahre nicht besetzt gewesen.Andere Gemeinden wie Barsbüttel und Großhansdorf haben Klimaschutzkonzepte erstellt. Die Kreisverwaltung ist Vorreiter bei dem Thema. Sie hat bereits seit 1996 ein Klimaschutz-Programm, das mehrmals fortgeschrieben wurde. Aktuell kümmern sich zwei Klimaschutzmanager um die Umsetzung.