Bad Oldesloe. Abgeordnete debattieren über Erklärung des Notstands. Appell von „Fridays for Future“-Sprecherin, schnell zu handeln.
„Klimanotstand erklären“, forderten Grüne und Linke im Stormarner Kreistag. „Wir haben verstanden!“, überschrieben CDU, SPD und Freie Wähler (FW) einen in vielen Passagen gleichlautenden Gegenantrag zum Klimawandel. Nach gut zweistündiger Diskussion, in der die Abgeordneten den Bogen von Bad Oldesloe über Chile, Afrika und China bis zur Pazifik-Inselgruppe Kiribati spannten, setzte sich die CDU/SPD/FW-Mehrheit durch: Das Wort „Klimanotstand“ wird vermieden, der Kreistag erkennt aber „die Eindämmung des Klimawandels und seiner schwerwiegenden Folgen als Aufgabe von höchster Priorität“ an.
So berücksichtigt der Kreis Klima-Auswirkungen „verstärkt bei allen Rechtsgeschäften und Maßnahmen“. Im Grünen/Linken-Vorschlag hieß es „bei ausnahmslos allen“. Die Fortschreibung des Klimaschutzprogramms, des Nahverkehrsplans, die Wiedereinrichtung einer Klimaschutz-Leitstelle und intensive Beratung der Kommunen bei Radwegekonzepten hatten CDU, SPD und FW wortgleich übernommen, aber eine Einschränkung vorangesetzt: Sie sollen nicht konkret umgesetzt, sondern erst im Umweltausschuss beraten werden.
Schülerin schlägt Ausbau von Bussen, Bahnen und Radwegen vor
Die Oldesloerin Friederike Wrohn, Sprecherin der „Fridays for Future“-Bewegung in Stormarn, appellierte zu Beginn daran, den Planeten endlich zu retten. „Klimaschutz muss in jedem Bereich immer an erster Stelle stehen“, sagte sie – und in Richtung Abgeordnete: „Sie haben alle viel zu lange nichts getan, unser Zuhause kaputtgemacht.“ Der Welt gehe es miserabel. Die 17-Jährige sorge sich, wie sie oder ihre Kinder leben werden.
Sie erwarte, dass Stormarn den Klimanotstand ausrufe. Konkret könne der Kreis Solarenergie und Fernwärme ausbauen, das Netz von Bussen, Bahnen und Radwegen verbessern. „Es muss jetzt sofort etwas passieren“, so die Schülerin.
Ähnlich argumentierte Florian Kautter (Linke): „In zehn Jahren können wir die Erderwärmung nicht mehr aufhalten.“ Der Notstand sei keine Erfindung von Linken und Grünen, sondern in anderen Städten sogar von CDU, SPD und teilweise FDP erklärt worden. Der Permafrostboden taue rasant, Pole schmelzen. „Das Klima hält sich nicht an Kreisgrenzen, also: Notstand!“ Stormarn sollte seine vielen Pendler mit einem günstigen und dichten Nahverkehr dazu bringen, das Auto stehen zu lassen.
CDU-Politiker erinnert an Blockade von Kreuzfahrtschiff
Joachim Wagner (CDU) entgegnete, dass der in Kiel ausgerufene Klimanotstand zur Auslaufblockade eines Kreuzfahrtschiffes geführt habe. „Werden bei uns dann Autobahnen und Garagen blockiert?“, fragte er. China verursache ein Drittel der CO2-Emissionen, deshalb werde das Problem an der falschen Ecke angegangen. „Und sollen wir bei jeder Grillveranstaltung und bei Papier- oder Stoffhandtüchern im WC künftig seitenlange Klimabilanzen abarbeiten?“
Reinhard Mendel (SPD) erinnerte an die Notstandsgesetze. „Das Wort ist mit Einschränkung von Rechten verbunden“, sagte er. Taten wie ein besserer Bus- und Bahnverkehr brächten Stormarn weiter voran, als mit Worten ein Symbol zu setzen. Sein Parteikollege Heinz Hartmann wies den Vorwurf zurück, nichts getan zu haben. So hat der Kreis schon seit 1996 ein Klimaschutzprogramm.
Grünen-Sprecher berichtet von seiner Zeit in Afrika
Während Arnulf Fröhlich (AfD) die Folgen des Lithium-Abbaus für Elektroautos in Chile anprangerte, schilderte Gerold Rahmann (Grüne) Dürren, Kriege und Hunger aus seiner Zeit in Afrika. Als Wissenschaftler habe er gelernt, die globale Situation zu sehen. Die lebhafte Debatte zeige, dass die Jugendlichen mit ihren Demos viel erreichten: „Toll, dass wir zum Thema gleich zwei Anträge haben. Politischer Diskurs muss sein.“
FDP-Abgeordneter: Mehr Fakten, weniger Emotionen
Die Debatte sollte allerdings nicht emotional geführt werden, sondern anhand von Fakten, mahnte der FDP-Abgeordnete Thomas Bellizzi an. „Auslachen und Belehren trägt nicht dazu bei, gegenseitiges Vertrauen zu schaffen“, sagte er. Die Behauptung, der Kreis habe bisher nichts getan, sei „schlichtweg falsch“ und für alle Beteiligten „ein Schlag ins Gesicht“. Zulässig sei jedoch die Frage, ob man noch mehr machen könne.
Da sieht der Liberale durchaus Spielraum, vom Ausbau des Nahverkehrs bis zu intensiverer Umweltbildung schon in Schulen. „Die Folgen unseres Konsums könnten ein Thema sein: Was bedeutet es, wenn man ständig ein neues Handy oder einen noch größeren Fernseher haben will?“, nannte Bellizzi ein Beispiel.