Reinfeld. Wochenmarktbesucher können jetzt Ware in mitgebrachte Gefäße füllen lassen. Ein Arbeitskreis möchte die Verpackungsmüll-Flut eindämmen.

„Können Sie den Fleischsalat bitte hier hinein füllen“, fragt ein Herr in einem Ahrensburger Feinkostgeschäft, stellt ein mitgebrachtes Gefäß auf die Theke. „Tut mit leid, das darf ich aus Hygienegründen nicht“, antwortet die Verkäuferin. Sie füllt den Salat in eine Einwegplastikbox, reicht sie dem Kunden. Der füllt den Salat eigenhändig in seine Tupperbox um, schiebt die Plastikschale genervt zurück. Die wandert quasi ungenutzt in den Müll. Absurde Szenen wie diese sollen nach dem Willen von Linda Witte der Vergangenheit angehören. Im Sommer 2018 hat die Reinfelderin den Arbeitskreis „Plastikfreies Reinfeld“ gegründet, einen Zusammenschluss von Händlern, Bürgern und Politikern. Die 14 Mitglieder wollen die Plastikflut eindämmen – und können bereits Erfolge verbuchen.

Marktbeschicker war sofort vom Konzept überzeugt

„Reinfelder haben jetzt die Möglichkeit, plastikfrei auf dem Wochenmarkt einzukaufen“, sagt Witte. Ein Tablett-System macht’s möglich. „Als wir mit der Idee an die Marktbeschicker herangetreten sind, haben wir großen Zuspruch erfahren“, freut sich Witte. Marktbeschicker Jürgen Wulff war sofort von dem Konzept überzeugt. Er betreibt einen Obst- und Gemüse- und einen Käsestand, sagt: „Mir waren die Kunststoffverpackungen schon lange ein Dorn im Auge.“ Gerade auf dem Markt könnten die Händler im Gespräch mit Kunden ein Bewusstsein für eine sparsame Nutzung der Einwegverpackungen schaffen. Er sagt: „Wenn Kunden bei jedem Einkauf an das Mitbringen von Gefäßen und Taschen erinnert werden, wird das zur Gewohnheit:“

Doch während sich Obst und Gemüse in der Regel problemlos in die eigene Stoff-Tragetasche verstauen lassen, stellen leicht verderbliche Lebensmittel wie Wurst, Käse, Fleisch und Fisch die Händler vor Herausforderungen. Die Hygienevorschriften sind streng. „Wenn ich in Kontakt mit dem Produkt gekommen bin und das Lebensmittel verdirbt, der Kunde durch den Verzehr erkrankt, hafte ich dafür“, sagt Jürgen Wulff. Die Anbieter müssten sicherstellen, dass die Ware nicht verunreinigt ist.

Mit Plakaten sollen Kunden aufmerksam gemacht werden

Einsatz gegen Plastikmüll: Geert Karnick (v. l.), Linda Witte, Thomas Schreiber, Dietmar Gosch, Heike Bastian, Madlen Schreiber, Mark-Torben Thaler und Martina Hamann. 
Einsatz gegen Plastikmüll: Geert Karnick (v. l.), Linda Witte, Thomas Schreiber, Dietmar Gosch, Heike Bastian, Madlen Schreiber, Mark-Torben Thaler und Martina Hamann.  © Filip Schwen

Hier setzt das Konzept des Arbeitskreises an. Der Kunde stellt sein Behältnis auf einem speziellen Tablett ab. Dieses kann der Verkäufer an Griffen über den Tresen heben, das Gefäß befüllen, ohne es zu berühren. „Wenn das Produkt dann verdirbt, ist allein der Verbraucher verantwortlich“, so Wulff. Bevor das Konzept realisiert werden konnte, musste der Fachdienst Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung des Kreises zustimmen. Die Behörde ist für die Überwachung der Lebensmittelhygiene in Stormarn zuständig. „Der Ortsverband Reinfeld-Nordstormarn der Grünen hat das Konzept vorgeschlagen. Unsere Lebensmittelkontrolleure haben sich dann im März ein Bild vor Ort gemacht“, sagt Fachdienstleiter Frank Brinker. Wenig später habe man das Verfahren mit geringen Anpassungen genehmigt. Linda Witte freut sich darüber, sagt: „Das hat richtig gut geklappt.“

„Viele Händler hat die Angst abgeschreckt, gegen Vorschriften zu verstoßen, wenn sie mitgebrachte Gefäße befüllen, obwohl sie gern einen Beitrag zur Plastikmüllvermeidung leisten würden.“ Das sagt Dietmar Gosch, der für die Grünen in der Reinfelder Stadtverordnetenversammlung sitzt und von Anfang an beim Arbeitskreis dabei war. „Jetzt haben die Marktbeschicker Rechtssicherheit.“ Inzwischen böten alle Markthändler den Service an. Der Arbeitskreis möchte Plakate aufstellen, um mehr Kunden darauf aufmerksam zu machen.

Tablett-System soll auch im Supermarkt Anwendung finden

Viele Reinfelder nehmen das Angebot bereits an. Darunter auch Walburga Busch, Stammkundin an Jürgen Wulffs Käsetheke. Wenn sie den Markt besucht, hat sie neuerdings immer Glasdosen, Stoffbeutel und ein Wachstuch dabei. „Eine Freundin gab mir den Tipp mit dem Tuch, darin hält sich der Käse frisch, als wäre er eingeschweißt“, so die Kundin. „Ich hätte meine Glasdosen auch schon früher mitgebracht, aber da war das nicht möglich.“ Auch Wulff freut sich über die wachsende Bereitschaft seiner Kunden, auf Einwegverpackungen zu verzichten. „Ich konnte in der kurzen Zeit schon ein Achtel Verpackungsmüll einsparen“, sagt der Marktbeschicker. Die Mitglieder des Arbeitskreises hoffen, das Tablett-System auch an den Frischetheken der Supermärkte realisieren zu können. An der Käsetheke bei Famila in Reinfeld könne man bereits mit eigenem Behältnis einkaufen, weitere Läden sollen noch folgen, kündigt Witte an.

Das Problem: „Gerade bei Supermarktketten ist die Umsetzung oft schwerer, weil sich die Märkte erst mit der Konzernleitung abstimmen müssen“, bedauert sie. Aktuell sei sie mit mehreren Supermärkten in der Karpfenstadt im Gespräch. Das Thema Plastikmüllvermeidung sei schon immer eine Herzensangelegenheit gewesen, sagt Linda Witte. Vor einem Jahr fasste die zweifache Mutter den Entschluss, sich zu engagieren. Sie sagt: „Ich wollte aktiv etwas gegen die Vermüllung tun.“

Stormarner verursachen 6850 Tonnen Plastikmüll im Jahr

Nach Angaben der Abfallwirtschaft Südholstein verursachen Stormarner rund 6850 Tonnen Plastikabfall im Jahr, bundesweit sind es 18 Millionen. Witte trat den Grünen bei, wurde deren Stadtvorsitzende. Den Arbeitskreis gründete sie kurz darauf. „Hier können sich nicht nur Politiker, sondern alle Bürger mit Ideen einbringen.“ Einmal im Monat trifft sie sich im Reinfelder Rathaus.

Martina Hamann war Gründungsmitglied. „Früher wurde ich schief angesehen, wenn ich beim Einkauf den Jutebeutel rausgeholt und die Plastiktüte abgelehnt habe“, sagt sie. Das sei jetzt anders. Die Menschen seien für das Thema sensibilisiert. Das sei bereits auf der ersten Sitzung des Arbeitskreises zu spüren gewesen: „Eine ganze Tafel voller Ideen kam zusammen“, freut sich Linda Witte.

Mindestens zwei weitere Initiativen sollen in diesem Jahr noch realisiert werden. Darunter das Aufstellen sogenannter Beutelbäume, die in Kooperation mit der Immanuel-Kant-Schule entstanden sind, und die ab Freitag, 21. Juni, in fünf Reinfelder Supermärkten platziert werden sollen. Die Bäume dienen als Aufhängevorrichtung für Stoffbeutel: „Die Kunden könnten sich in den Geschäften die Beutel ausleihen, um ihren Einkauf zu transportieren und beim nächsten Besuch wieder mitbringen“, erklärt der Grünen-Stadtverordnete Geert Karnick die Idee. Auch durch diese Aktion soll Plastikmüll verhindert werden.

Als Nächstes möchte sich der Arbeitskreis der Coffee-to-go-Becher annehmen. Die Reinfelder Umweltfreunde wünschen sich ein Pfandsystem für Mehrwegbecher.

Mitwirken können Interessierte beim nächsten Treffen des Arbeitskreises am Montag, 17. Juni, 17.30 Uhr, im Alten Rathaus Reinfeld, Paul-von-Schoenaich-Straße 7, oder melden sich per Mail bei inda.witte@gruene-reinfeld-nordstormarn.de.