Bad Oldesloe. Ute Volquardsen aus Stormarn sorgt für ein Novum in der Landwirtschaftskammer. Was sie nun verändern will.
Es ist ein Novum seit Gründung der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein vor 123 Jahren: Mit Ute Volquardsen als Präsidentin steht erstmals eine Frau an der Spitze der berufsständischen Organisation in Rendsburg. „Das Amt als Kammerpräsidentin habe ich mit hoher Motivation, gleichzeitig mit großem Respekt angenommen“, sagt die 54-Jährige, die in Stormarn aufgewachsen ist.. „Es ist eine reizvolle Aufgabe, die in unserem Land mitzugestalten und zeitgemäße Entwicklungen voranzutreiben.“
Volquardsen bezeichnet sich selbst als „Landwirtin aus Leidenschaft“. Die Begeisterung für die Landwirtschaft bekam sie praktisch mit in die Wiege gelegt. Ute Volquardsen ist auf dem elterlichen Hof am Oldesloer Poggensee groß geworden. Ihr Großvater Rolf Reichardt leitete jahrelang als Geschäftsführer die Geschicke des Bauernverbands Stormarn.
Ihre Familie lebt jetzt im Sönke-Nissen-Koog
„Meine Großeltern waren sehr präsente Menschen, als Familie waren wir unter den Landwirten des Kreises bekannt wie ein bunter Hund“, sagt die Kammerpräsidentin und schmunzelt. „Für mich als Kind glich das Leben auf einem Bauernhof einem Schlaraffenland – ähnlich erlebte ich später das Leben bei der Landjugend Reinfeld.“
Heute betreibt Volquardsen als Unternehmerin mit ihrer Familie im Sönke-Nissen-Koog (Kreis Nordfriesland) einen Ackerbaubetrieb mit in Boden- und Freilandhaltung, Schweinemast und Hofladen. Weitere Einnahmequellen sind regenerative Energien in Form von Solar und sowie die Vermietung einer Ferienwohnung.
Dialog zwischen Verbraucher und Erzeuger wird wichtiger
Den Kontakt zum Kreis Stormarn pflegt die ehrenamtliche Kammerpräsidentin weiterhin. „Mit einigen ehemaligen Nachbarn treffe ich mich ab und zu“, sagt sie. Nach der Ausbildung zur staatlich geprüften ländlichen Hauswirtschaftsleiterin reiste sie fünf Monate durch Australien, um das dortige Farmleben kennenzulernen. „Die offene und tolerante Art der Australier hat mich ein Stück weit geprägt“, sagt sie.
Die Sicherung der Zukunftsfähigkeit landwirtschaftlicher Unternehmen in Schleswig-Holstein und die Weiterbildung im Agrarbereich liegen ihr am Herzen. „Neben dem Umweltschutz und der Preisentwicklung auf den nationalen und internationalen Märkten spielt der direkte Dialog zwischen dem Verbraucher und dem Erzeuger eine große Rolle“, sagt Volquardsen.
Stormarn hat ganz besondere Möglichkeiten
Landesweit trage der Kreis eine besondere Verantwortung. „Durch die Nähe zu Hamburg im Süden und Lübeck im Norden hat meine alte Heimat hervorragende Möglichkeiten, dem Verbraucher sowohl die ökologische als auch die konventionelle Landwirtschaft näherzubringen“, sagt die Unternehmerin. „Hofläden übernehmen dabei eine ganz besondere Rolle. Meiner Erfahrung nach steigt in Großstädten die Nachfrage nach regionalen und ökologischen Produkten gleichermaßen.“
Den Wandel der Zeit hat auch das Tourismusmanagement des Kreises Stormarn erkannt: Erst kürzlich präsentierte es auf der Messe „Reisen Hamburg“ eine Karte mit regionalen Einkaufsmöglichkeiten in Hofläden und Landcafés.
Für Ute Volquardsen haben die Menschen ein Recht darauf zu erfahren, wie in der Landwirtschaft gearbeitet und produziert wird. „Die Agrarbranche muss künftig stärker den Kontakt zum Verbraucher suchen als bisher.“ Dabei könne nicht nur die ökologische von der konventionellen, sondern auch umgekehrt die konventionelle von der ökologischen Landwirtschaft lernen.
Auch Ulrike Röhr aus Reinfeld ist jetzt im Vorstand
Die gesamte Ernährungswirtschaft und damit die Landwirtschaft stehe vor einer großen Herausforderung: Wie andere Wirtschaftsbereiche auch unterliegt die Landwirtschaft einem stetigen Wandel. Gesetzliche Anforderungen, Zulassungen und Vorschriften in der Tierhaltung werden strenger, die Märkte komplexer.
Die Jahre 2017 mit viel und 2018 mit monatelanger haben zudem gezeigt, auf welche extremen Witterungseinflüsse sich die Landwirtschaft in Zukunft einstellen muss. „Bei den Landwirten lagen zeitweise die Nerven blank, nachdem zunächst die enormen Regenmengen und ein Jahr später die lange Dürreperiode sie finanziell vor große Probleme gestellt hat“, sagt die Kammervorstandsvorsitzende. Die Betriebe müssten mit einigen Dingen anders umgehen, sich unternehmerisch anders aufstellen und das finanzielle Risiko breiter verteilen. „Innovative Anbausystemstrategien werden dabei mehr denn je gebraucht. Denn eins steht fest: Das wird der Mensch nicht ändern können.“
Weiterbildung der Mitarbeiter sieht sie als eine Kernaufgabe
Dem zunehmenden Fachkräftemangel will Volquardsen rechtzeitig entgegenwirken. „Gute Fachkräfte sind die Zukunft der Landwirtschaft. Damit sie dem Agrarsektor erhalten bleiben, müssen sie sich regelmäßig weiterbilden und in den Betrieben gefördert werden“, sagt die Kammerchefin. „Wir müssen für die Ausbildung im Agrarbereich werben, Jugendliche bereits in den Schulen für die diversen Agrar-Berufe begeistern. Gleiches gilt für Arbeitssuchende auf Jobmessen.“
Die Weiterbildung sei eine der Kernaufgaben der Landwirtschaftskammer. „Die zentrale Aufgabe für unsere Betriebe sehe ich im unternehmerischen Handeln, im Agieren und nicht nur im Reagieren“, sagt die 54-Jährige. „Fundament dafür ist eine zeitgemäße Aus-, Fort- und Weiterbildung.“ Die persönliche Entwicklung im Job sei dabei ein ebenso wichtiges Thema. „Der Betriebserfolg steht und fällt letztendlich mit dem Unternehmer oder der Unternehmerin an der Spitze.“
Neben der neuen Präsidentin wählte die Hauptversammlung mit Ulrike Röhr eine weitere Stormarnerin in den neunköpfigen Vorstand der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein. Die Reinfelderin ist außerdem Vorsitzende des Landfrauenverbands Schleswig-Holstein und somit Chefin von 30.000 Landfrauen.