Ahrensburg. Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club ruft bei Rundfahrt zu mehr Gleichberechtigung auf der Straße auf. 130 Teilnehmer folgen ihm.
Ein Konzert von Klingeln schallt durch den Ahrensburger Norden, als die Radfahrer von der Beimoor-Kreuzung kommend Richtung Innenstadt fahren. Wo normalerweise Autos den Verkehr dominieren, haben an diesem Sonnabend Fahrradfahrer Vorrang. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) hat zu einem Fahrrad-Korso durch das Zentrum der Schlossstadt aufgerufen. Unter dem Motto „#mehrPlatzfürsRad“ wollen die Teilnehmer ein Zeichen für Gleichberechtigung im Straßenverkehr setzen.
Rund 130 Radfahrer finden sich am Sonnabend zum Start auf dem Rondeel ein. Einige von ihnen tragen orangefarbene Reflektorwesten, haben Schilder an den Fahrrädern, auf denen in großen Lettern eine Kernforderung steht: Autos sollen 1,50 Mindestabstand beim Überholen halten. Sie wollen die Kraftfahrer für zwei Stunden als dominierende Kraft auf den Straßen der Schlossstadt ablösen.
ADFC kritisiert Tatenlosigkeit der Politik
„Dass so viele von euch gekommen sind, das zeigt, dass Radfahren auch in Ahrensburg einen hohen Stellenwert genießt“, sagt ADFC-Tourenleiter Detlef Steuer. Gleich mit zwei Motorrädern und zwei Streifenwagen sichert die Polizei die Route, als sich die Gruppe in Richtung Großer Straße in Bewegung setzt. Nähern sich die Radfahrer, haben Autofahrer dieses Mal das Nachsehen. „Sie müssen für mehr Rücksichtnahme sensibilisiert werden“, sagt Jürgen Hentschke, Ortsvorsitzender des ADFC in Ahrensburg. „Viele gucken nicht beim Rechtsabbiegen, schneiden und überholen in waghalsigen Manövern selbst kurz vor der Kreuzung noch Radfahrer“, beklagt er. Ein Teil der Konflikte zwischen den Verkehrsteilnehmern sei in Ahrensburg jedoch hausgemacht. „Die Straßen sind wenig fahrradfreundlich“, moniert der Experte.
Zahlen der für Stormarn zuständigen Polizeidirektion Ratzeburg stützen diese Aussage. Unter den großen Kommunen verzeichnet Ahrensburg seit Jahren die höchste Zahl von Verkehrsunfällen mit Fahrradbeteiligung. In den vergangenen beiden Jahren blieb die Zahl mit 58 respektive 57 solcher Unfällen fast gleich hoch, 2016 waren es sogar 68. Sie liegt damit deutlich über den Werten anderer Stormarner Kommunen. So verzeichnete Reinbek, die zweitgrößte Stadt des Kreises, in den vergangenen vier Jahren jeweils nur etwa halb so viele Fahrradunfälle. Auch die Kreisstadt Bad Oldesloe zählte jeweils weniger Unfälle mit Fahrradbeteiligung als Ahrensburg.
Schlechte Noten für Radwege der Schlossstadt
Das Abendblatt hatte im Sommer 2018 gemeinsam mit dem ADFC-Kreisverband Wege und Fahrrad-Klima in elf Stormarner Kommunen untersucht. Die Schlossstadt erhielt mit Schulnote 5 eine vernichtende Bewertung vom Fahrrad-Club. Unübersichtliche Wegführung, fehlende Markierungen, Risse und Löcher in der Fahrbahnoberfläche, viel zu schmale Wege, kaum Abstellanlagen. ADFC-Mann Hentschke hegte die Hoffnung, dass das Ergebnis die Politik zum Handeln bewegen würde. „Dabei haben wir bereits vor zehn Jahren mit der Verwaltung ein Velorouten-Konzept erarbeitet, bisher wurde von den Wegen aber kein einziger Meter erneuert“, beklagt er. So seien nach wie vor 90 Prozent der Radstrecken in der Stadt in einem schlechtem Zustand.
Als besonders gefährlich schätzt der ADFC die Kreuzung An der Doppeleiche/Große Straße im Stadtzentrum ein, die der Korso ebenfalls passiert. Die Führung des Radweges sei hier so unübersichtlich, dass es wiederholt zu Unfällen mit rechtsabbiegenden Autofahrern komme. Teilnehmerin Carmen Lietzau bestätigt: „Ich habe Respekt vor der Stelle, die muss dringend entschärft werden.“ Sie sagt, dass die Radwege immer nur so in das Straßenbild eingefügt würden, dass die Interessen der Autofahrer gewahrt blieben.
Autofahrer müssen rücksichtsvoller werden
„Die Politik sagt, das Zentrum muss per Auto bequem erreichbar sein, weil die Geschäfte sonst Kunden verlieren. Aber in Ländern wie Dänemark funktionieren autofreie Innenstädte doch auch“, sagt Lietzau, die auch Mitglied im ADFC ist. Ein besonderes Ärgernis ist gleich für mehrere Teilnehmer die mangelnde Rücksichtnahme der Autofahrer gerade in Fahrradstraßen. Silke Last, unterwegs mit ihrem zehnjährigen Sohn Luis, sagt: „Wenn wir nebeneinander fahren, werden wir angehupt.“Jürgen Hentschke kritisiert noch mehr: Abstellmöglichkeiten gebe es nach wie vor zu wenig. „Ich bin froh, dass die Anlage am Bahnhof endlich realisiert wird.“ Aber gerade im Zentrum, an Rondeel, Großer Straße und Klaus-Groth-Straße fehlten hochwertige Fahrradständer, so der ADFC-Experte.
Politik die Entwicklung der Infrastruktur blockiert.“
Was denken Sie über Ahrensburgs Radwege?
Liebe Leserinnen und Leser , welche Erfahrungen haben Sie bisher in Ahrensburg als Radfahrer gemacht? Was sollte an welcher Stelle wie verbessert werden? Wo lauern Gefahren für Radfahrer? Oder kennen Sie besonders gute Strecken, die der Politik und der Verwaltung künftig als Musterbeispiele für die weitere Planung dienen könnten? Nehmen Sie Teil an der Diskussion über das Radwegenetz, die die Teilnehmer der Demonstration am Wochenende in Fahrt gebracht haben. Schreiben Sie uns per E-Mail an die Adresse stormarn@abendblatt.de oder per Post an die Abendblatt-Regionalausgabe Stormarn, Große Straße 11-13 in 22926 Ahrensburg.