Ahrensburg . Müllverbrennungsanlage: Ermittlungen wegen 400.000-Euro-Zahlung. Landrat weist Vorwurf zurück. Staatsanwaltschaft prüft Verfahren.
Die Anschuldigungen, die Klaus Koch gegen die Stormarner Kreisverwaltung erhebt, wiegen schwer: Der Aktivist und Mitbegründer der Initiative „Das bessere Müllkonzept“ wirft ihr und den Kreistagspolitikern vor, ihre Zustimmung zum Neubau der Müllverbrennungsanlage (MVA) in Stapelfeld erteilt und dafür 400.000 Euro vom Betreiber EEW kassiert zu haben. Er gebe ein Verfahren, verkündete der MVA-Kritiker jetzt bei einer Diskussionsveranstaltung in Ahrensburg. Auf Abendblatt-Anfrage bestätigt die Staatsanwaltschaft Kiel Vorermittlungen. Landrat Hennig Görtz erfuhr erst durch das Abendblatt davon, sagt: „Wir nehmen das natürlich sehr ernst.“ Er sehe aber keine Anhaltspunkte für ein strafbares Vorgehen der Kreisverwaltung.
Das Unternehmen EEW Energy from Waste will nahe der bestehenden Anlage einen Neubau mit Klärschlammverbrennung errichten, benötigte dafür die Zustimmung der Kreise Stormarn und Herzogtum Lauenburg, die diese auch erteilten. Klaus Koch begründet die Vorwürfe mit einer Einmalzahlung von 400.000 Euro, unterstellt EEW, die Summe als Gegenleistung für den Verzicht des Kreises auf sein Mitbestimmungsrecht gezahlt zu haben. „Die Menschen haben das Recht zu wissen, wofür das Geld geflossen ist “, so Koch. Landrat Görtz hatte die Summe bereits zuvor auf einer anderen Veranstaltung eingeräumt, unter Berufung auf die Vertraulichkeit der Verhandlungen mit EEW aber keine Details genannt.
Bürgerinitiative erhebt schwere Vorwürfe
Zur Diskussion in der Ahrensburger Grundschule Am Hagen hatte der Verein Bürger-Interessen-Gemeinschaft BIG! Stapelfeld eingeladen, um seine Ablehnung der Neubaupläne zu begründen. Rund 100 Bürger kamen. Unter dem Motto „Wurden die Kreise getäuscht?“ wiederholte Koch seine Warnungen vor Gefahren für Gesundheit und Umwelt. Er forderte, auf die geplante Reduzierung der Schornsteinhöhe auf 63 Meter zu verzichten. Auch verlangte er regelmäßige Schadstoffmessungen in einem 5,1-Kilometer-Umkreis um die Anlage. Die zusätzliche Klärschlamm-Monoverbrennung sei überflüssig, so Koch. „Durch Neubauten in Kiel und Lübeck und einen Erweiterungsbau in Hamburg besteht im norddeutschen Raum bereits jetzt eine größere Verbrennungskapazität, als überhaupt Klärschlamm anfällt.“ In der Folge müsse Schlamm aus ganz Deutschland nach Stapelfeld transportiert werden, um die Anlage rentabel zu halten. „Wir wollen nicht der Mülleimer Deutschlands werden“, sagte Klaus Koch unter heftigem Applaus bei der Veranstaltung in Ahrensburg.
Den Schwerpunkt seines Vortrags legte er auf den Vorwurf der Intransparenz. „Wir wollten eine Veranstaltung mit der Ahrensburger Verwaltung, unser Antrag wurde aber abgewiesen“, sagt Koch. Die Kreise hätten den Neubauplänen zugestimmt, „ohne die offensichtlich unstimmigen Planungen von EEW zu hinterfragen“. Dann verkündet er: „Die Umweltbewegung hat deshalb jetzt den Korruptionsbeauftragten des Landes eingeschaltet.“ Dieser habe die Hinweise n die Staatsanwaltschaft Kiel weitergeleitet. Dem Abendblatt bestätigt Henning Hadeler, Oberstaatsanwalt und Leiter der Kieler Korruptionsabteilung, dass umfangreiches Material von der Bürgerinitiative im Zusammenhang mit dem MVA-Neubau eingegangen ist, das vom Anti-Korruptionsbeauftragten des Landes weitergeleitet worden sei. Derzeit gebe es ein Vorermittlungsverfahren. „Wir prüfen, ob ein Anfangsverdacht vorliegt.“ Nur wenn es konkrete Hinweise auf strafbares Handeln gebe, folge ein Ermittlungsverfahren.
Betreiber zu Diskussion nicht eingeladen
Ein Sprecher von EEW sagt: „Wir kennen diese Vorermittlungen nicht. Sollte eine entsprechende Behörde Fragen an uns richten, werden wir diese natürlich vollständig transparent und kooperativ beantworten.“ An der Ahrensburger Diskussionsveranstaltung mit Klaus Koch als einzigem Redner übt das Unternehmen Kritik. „Als wir davon erfahren haben, haben wir dem Veranstalter schriftlich unsere Teilnahme vorgeschlagen, um die Diskussion mit Expertenwissen anzureichern.“
Überrascht seien die Investoren gewesen, als der Veranstalter den Vorschlag abgelehnt habe. „Wir verstehen, dass Menschen Fragen und Sorgen haben.“ Kontraproduktiv sei aber die Beeinflussung der Diskussion mit veralteten oder unvollständigen Informationen, so das Unternehmen. Falsch sei beispielsweise die Behauptung Kochs, die EEW habe die Reduzierung der Schornsteinhöhe eigenmächtig festgelegt. „Sie wurde anhand von Vorgaben der TA-Luft beschlossen.“ Auch Befürchtungen, es werde überwiegend Klärschlamm aus anderen Regionen Deutschlands in Stapelfeld verbrannt, tritt die Firma entgegen. „Richtig ist, dass EEW 2018 vom Landesumweltministerium eingeladen wurde, daran mitzuwirken, den Entsorgungs-Notstand von Klärschlamm in Schleswig-Holstein einzudämmen“, schreibt EEW. Man habe sich verpflichtet, vorrangig Klärschlämme aus Stormarn und Lauenburg anzunehmen.
Landrat: Verzicht auf Zahlung hätte strafrechtliche Folgen
„Der Kreis ist nicht die Genehmigungsbehörde, hat keinen Einfluss auf die Erteilung einer Baugenehmigung, das möchte ich richtigstellen“, sagt Landrat Görtz. Diese erteile das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR), der Vorgang sei noch nicht abgeschlossen. Das Zustimmungsverfahren beim Kreis erfolgte auf einer privatrechtlichen Ebene, an dem der Kreis als ehemaliger Anteilseigner der MVA teilnahm. Dabei handele es sich nicht um ein öffentlich-rechtliches Genehmigungsverfahren, so Görtz weiter.
„Wir sind in der Situation, dass sich die Kreise Stormarn und Lauenburg als ehemalige Anteilseigner 1989 ein Mitbestimmungsrecht für künftige Erweiterungen der Anlage gesichert haben“, sagt Görtz. Dieser Anspruch sei im Grundbuch festgehalten, gelte aber nur für Erweiterungen, nicht für einen Neubau: „Dagegen können wir nichts tun.“
Somit habe der Kreis Stormarn in diesem Fall nur ein Vetorecht, weil die zusätzliche Klärschlammverbrennung eine solche Erweiterung sei. Die Einmalzahlung an den Kreis sei notwendig geworden, weil dieser andernfalls einen wirtschaftlichen Wert aus der Hand gegeben hätte, ohne daran zu partizipieren. Das sei aber nicht zulässig.
Kreis Stormarn soll von Erweiterung profitieren
Henning Görtz veranschaulicht seine Aussagen durch eine Analogie: „Wenn Sie ein Haus haben und Ihr Nachbar kommt zu Ihnen, möchte nebenan neu bauen, die Zufahrt zu seinem Haus soll dann über Ihr Grundstück führen, dann hätten Sie das Recht, zu entscheiden, ob Sie dem zustimmen. Weil der Nachbar dann ja einen Teil dessen, was Ihnen zusteht, beanspruchte und einen Mehrwert erhielte, möchten Sie dafür dann ja auch einen Ausgleich haben.“
Auf Basis eines Gutachtens einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sei der Betrag von 400.000 Euro ermittelt worden, den der Kreis einzufordern gehabt habe. „Rechtsexperten sind der Auffassung, dass ein Verzicht bedeutet hätte, sich der Untreue strafbar zu machen“, so Görtz weiter. Der Kreistag habe der Summe zugestimmt. Görtz zeigt sich betroffen, dass das „positive Verhandlungsergebnis“ von den Korruptionsvorwürfen überschattet werde.
„Es gab wesentliche Gründe für die Zustimmung“, sagt er. Zum einen träte in Kürze ein Gesetz in Kraft, welches das Ausbringen von Klärschlamm auf landwirtschaftlichen Flächen verbiete. „Irgendwo muss der Schlamm ja hin. Und wir sind verantwortlich dafür, den von uns verursachten Anteil in der Umgebung zu entsorgen“, so der Landrat. „Zum anderen hatten wir nur durch die Zustimmung zu der Klärschlammverbrennung und damit einer Erweiterung überhaupt eine Einflussmöglichkeit.“
So habe sich durchsetzen lassen, dass der Schadstoffausstoß der Müllverbrennungsanlage in Stapelfeld nicht steige, sondern „wie bisher bei einer Menge weit unter der gesetzlichen Grenze bleibt“. Henning Görtz: „Bei einem Neubau ohne Erweiterung hätten sie den Ausstoß auch verdoppeln können, ohne dass der Kreis Einfluss gehabt hätte.“