Ahrensburg. Innerhalb eines Monats gab es 111 Zugausfälle zwischen Bad Oldesloe und Hamburg. Kritik von Pro Bahn.
„Bitte rechnen Sie mit Verspätungen und gegebenenfalls mit Zugausfällen auf der Strecke Hamburg–Lübeck“, schreibt die Deutsche Bahn am Mittwochvormittag über ihren regionalen Twitter-Account. Der Grund sei eine Streckenstörung zwischen Rahlstedt und Ahrensburg. Wieder einmal. Für Bahn-Pendler sind solche Störungsmeldungen nichts Neues. Viele sind extrem genervt von der anhaltenden Unzuverlässigkeit. „Probleme sind inzwischen nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel“, sagt Iris Ehlert aus Bargteheide.
„An vier von fünf Tagen läuft es schlecht – und ich spreche nicht von kleineren Verspätungen von fünf bis zehn Minuten.“ Die 60-Jährige ist IT-Projektmitarbeiterin bei der Stadt Hamburg, pendelt seit 2015 täglich in die Hansestadt. „Leider“, wie sie sagt. „Es ist einschneidend, was mir durch die Probleme an Freizeit verloren geht. Morgens fahre ich inzwischen immer einen Zug eher los, um einen Zeitpuffer zu haben.“
Fahrgastverband fordert, dass die Politik mehr Druck ausübt
Wie berichtet, sind auf der Linie 81 zwischen Hamburg und Bad Oldesloe zuletzt innerhalb eines Monats 111 Züge ausgefallen. Das Portal „Nahverkehr Hamburg“ hat für die Erhebung die bahneigenen Twitter-Meldungen auf „DB Regio Schleswig-Holstein“ ausgewertet – und zwar vom 4. März bis zum 3. April 2019. Demnach gab die Bahn in 62 Fällen „Fahrzeugmangel“ oder „Fahrzeugstörung“ als Grund für den Ausfall an. 22 Mal waren „Signalstörungen“ Schuld, elf Mal „technische Störungen“. Zehn Fahrten seien wegen „kurzfristigen Personalausfalls“ gestrichen worden, vier wegen einer Streckensperrung.
Bei der Deutschen Bahn heißt es auf Abendblatt-Anfrage, dass „reparaturbedingt nicht an allen Tagen Lokomotiven in ausreichender Zahl zur Verfügung gestanden haben“. Das Unternehmen habe alle 20 Lokomotiven, die auf der Strecke eingesetzt werden, überholen müssen. Bei den benötigten Ersatzteilen habe es bundesweit Lieferschwierigkeiten gegeben, so eine Sprecherin. „Deshalb konnten nicht alle notwendigen Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten planmäßig ausgeführt werden.“ Inzwischen seien die Probleme behoben und die Loks mit neuen Radsätzen ausgestattet.
Torben Kulla vom Fahrgastverband Pro Bahn fordert, dass die Politik mehr Druck auf die Deutsche Bahn ausübt. „Die Probleme an den Loks waren seit Jahren bekannt“, sagt er. „Die Wartung wurde aus Kostengründen und wegen mangelnder Werkstattkapazitäten vernachlässigt.“ Die auf der Strecke eingesetzten Loks der Baureihe 112 seien noch für die Deutsche Reichsbahn der DDR gebaut worden und um die 30 Jahre alt. „Sie sind für Langstrecken konzipiert, sollten zwischen Rostock, Berlin und Dresden fahren und nur alle 50 bis 60 Kilometer halten“, sagt Kulla. Auf ihrem aktuellen Einsatzgebiet zwischen Hamburg und Bad Oldesloe stoppen sie wesentlich öfter. „Durch das häufige An- und Abfahren ist der Verschleiß sehr hoch“, sagt Kulla. Nur die Radsätze zu erneuern, verbessert die Situation seiner Ansicht nach kaum. „Die Elektronik ist ein viel größeres Problem. Die Loks sind nach 30 Jahren einfach durch.“
Das Land kritisiert die Qualität des Regionalverkehrs
Im Sommer seien viele Triebwagenführer mit offener Tür unterwegs, um ihre Lok herunterzukühlen. Einige hätten vor der Fahrt jedes Mal Sorge, ob sie ihr Ziel wegen der vielen Mängel am Fahrzeug überhaupt erreichten. Ein großes Problem seien auch die vielen ausfallenden Züge nach Ahrensburg in den späten Abendstunden. „Zahlreiche Pendler beschweren sich bei uns darüber, weil sie dadurch ihre Anschlussbusse Richtung Trittau und Großensee nicht mehr bekommen.“
Torben Kulla ist verärgert, dass nichts unternommen wird, um die Lage für Pendler zu verbessern. „Auf Leihbasis sind relativ schnell bessere Loks zu bekommen“, sagt er. „Es ist nur eine Frage des Geldes.“ Zudem habe die Bahn auf Rügen einige ausrangierte Loks abgestellt, die sich aktivieren ließen. Eine weitere Möglichkeit sei, die später für die neue S-Bahnline 4 genutzten Züge der Baureihe 490 schon dann einzusetzen, wenn es für sie in Kürze eine bundesweite Netzzulassung gibt. Technisch sei es kein Problem, sie auf der normalen Bahnstrecke fahren zu lassen, so Kulla. Er befürchte aber, dass die Deutsche Bahn Investitionen in die Regionalbahnlinie 81 bis zum Bau der S 4 vermeiden wolle. Kulla: „So lange können wir aber nicht warten.“
Versuch, Loks aus anderen Regionen zu leihen, sei gescheitert
Ähnliche Befürchtungen äußert auch Pendler Eric Hildebrandt aus Bargteheide. „Ich glaube, das wird eine Hängepartie. Die Bahn wird die alten Züge so lange durchschleppen, bis die S 4 gebaut oder verworfen wird“, sagt der 44-Jährige, der als IT-Systembetreuer arbeitet. Er fahre jeden Morgen mit dem Zug um 7.10 Uhr nach Hamburg, der häufig von Ausfällen betroffen sei. „Die Situation ist eine Belastung für alle Beteiligten.“
Nach Angaben der Bahn ist der Versuch, Loks aus anderen Regionen zu leihen, gescheitert. Bis Mitte 2020 sollen laut der Sprecherin aber acht Lokomotiven der Baureihe 146 dazukommen, die zwar schon rund 18 Dienstjahre hinter sich haben, aber deutlich robuster seien. Die Bahn hofft, mit dann 28 Loks genügend Reserven zu haben, um die Strecke störungsfrei betreiben zu können. Pendler Eric Hildebrandt ist skeptisch. Die Bahn habe schon so viel versprochen – und dann nicht eingehalten. „Vor zwei Jahren hat sie behauptet, wir könnten die ausrangierten Züge des RE 7 nutzen“, sagt er. Aber dazu sei es nie gekommen.
„Uns ist bekannt, dass die Qualität auf der RB 81 zuletzt nicht stimmte“, heißt es auf Abendblatt-Anfrage aus dem Verkehrsministerium in Kiel. „Vor allem die recht vielen Zugausfälle waren und sind ärgerlich.“ Das Land und der Nahverkehrsverbund Schleswig-Holstein (Nah.SH) übten bereits ausreichend Druck aus und nutzten die im Verkehrsvertrag vorgesehenen Sanktionen. „Das bedeutet ganz einfach: Züge, die nicht fahren, werden nicht bezahlt“, sagt Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP). „Wir werden nicht müde, die DB Regio weiterhin daran zu erinnern.“ Die Aufgabe, die Regionalbahnen fahren zu lassen, liege aber bei dem Unternehmen. Dazu gehöre auch, für funktionierende Züge zu sorgen. „Unsere Aufgabe ist es ganz sicher nicht, Leihloks zu organisieren“, so Buchholz weiter.
Pendlerin musste schon in Hamburg übernachten
Auch die Ahrensburgerin Margit Kreß ist von den ständigen Zugausfällen genervt. „Es ist sehr anstrengend, dass die Bahn so unzuverlässig ist“, sagt die 53-Jährige, die im Thalia Theater arbeitet und täglich nach Hamburg-Altona pendelt. „Ich habe berufliche Verpflichtungen, und es gibt Ärger, wenn man ständig zu spät kommt.“ Jeden Morgen schaue sie mehrmals im Internet nach, ob die Bahn diesmal pünktlich ist.
Der negative Höhepunkt sei vor zwei Wochen erreicht worden. Sie habe bis spätabends gearbeitet. „Wegen einer Stellwerkstörung in Ahrensburg sind die Züge nicht beziehungsweise nur mit sehr großer Verspätung gefahren“, sagt sie. „Ich war gezwungen, in einem Hotel in Hamburg zu übernachten, weil nicht gewährleistet war, dass ich am nächsten Morgen mit der Bahn zur Arbeit kommen würde.“