Ahrensburg. Stormarner Fahrlehrer beklagen geringe Lernbereitschaft. Immer mehr Fahranwärter scheitern an praktischer oder theoretischer Prüfung.

„Nicht bestanden“ - dieses Ergebnis steht immer häufiger bei Fahranwärtern in Schleswig-Holstein auf dem Prüfungsbescheid. Rund ein Drittel der Fahrschüler scheitert entweder an der theoretischen oder der praktischen Prüfung. Sind die Ansprüche gestiegen oder stellen sich die Kandidaten von heute schlicht weniger gut an? Im Abendblatt gehen Stormarner Fahrlehrer den Ursachen auf den Grund.

Die aktuellen Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes für Schleswig-Holstein zeigen: 2017 endeten 32 Prozent der 62.681 landesweit abgenommenen theoretischen Prüfungen mit einem negativen Ergebnis. Bei den praktischen Fahrprüfungen fiel mit 26 Prozent immerhin jeder Vierte durch. Ein Jahr zuvor lagen die Quoten noch bei knapp unter 30 Prozent bei theoretischen und 24 Prozent bei praktischen Prüfungen. Vor zehn Jahren scheiterten an Praxis- und Theorietest durchschnittlich fünf Prozent weniger, die Durchfallquote lag bei einem Viertel in der Theorie und einem Fünftel in der Praxis. Kurzum: Die Zahl der nicht bestandenen Prüfungen erhöht sich jedes Jahr. „Stormarn steht im Landesvergleich noch relativ gut da“, sagt Daniel Pacher, Kreisvorsitzender des Fahrlehrer-Verbands Schleswig-Holstein, gegenüber dem Abendblatt. „Die Theorieprüfung setzt inhaltlich das gleiche Wissen voraus wie vor 20 Jahren“, sagt Pacher, der selbst eine Fahrschule in Ahrensburg leitet. 2018 haben in seiner Fahrschule 134 von 158 Prüflingen die Theorie-Prüfung auf Anhieb bestanden. Auch in der Praxis sei das gleiche Können wie jeher verlangt. „Allerdings hat sich das Verkehrsaufkommen erhöht“, sagt Horst Kleber, Inhaber der Fahrschule Sepp Weiss in Bad Oldesloe. Die zunehmende Durchfallquote liege nicht darin begründet, dass die Prüfungsanforderungen gestiegen sind, setzt Kleber oftmals geäußerten Vermutungen entgegen.

Computer generiert die Fragen variabler

Daniel Pachers Fahrschule liegt in der Großen Straße in Ahrensburg.
Daniel Pachers Fahrschule liegt in der Großen Straße in Ahrensburg. © Filip Schwen

Der Grund, dass die theoretische Prüfung als schwieriger empfunden werde, liegt laut Pacher vielmehr in der Umstellung des Prüfungsmodus: „Seit ungefähr zehn Jahren erfolgt diese digital am Computer.“ Folglich werde es erschwert, den Test nur durch Auswendiglernen zu bestehen. „Früher gab es 30 Fragebogen mit gleichen Fragekombinationen und die Antwortoptionen hatten stets dieselbe Reihenfolge“, sagt Pacher. Dadurch hätte man mit vergleichsweise geringem Zeit- und Lernaufwand Erfolg haben können. „Heute generiert der Computer für jede Prüfung 30 Fragen, die Reihenfolge der Antwortmöglichkeiten ist variabel“, so der Experte. Auch bei den Bild- und Videofragen gibt es Variationen. Letztere wurden mit dem Computertest eingeführt und spielen dem Schüler in einem Kurzfilm eine Verkehrssituation vor, zu der eine Frage gestellt wird. „Die Farben der Fahrzeuge und die Umgebung ändern sich“, erklärt Pacher. Insgesamt gibt es 1096 Fragen für die Führerscheinklasse B, die zum Führen eines Autos ermächtigt.

„Das neue System macht den Verkehr sicherer, weil die Fahrschüler den Inhalt der Fragen wirklich verstehen müssen“, urteilt Pacher. Auch gewährleiste es eine hohe Aktualität, weil es mehrfach im Jahr neue Fragen gebe. Um die Fahrschüler bei der Vorbereitung auf die Prüfung zu unterstützen, bieten Fahrschulen vielfältige Möglichkeiten an. So gibt es ein an die Prüfungsinhalte angepasstes Präsentationssystem für den Theorieunterricht, ein Lehrbuch und eine Smartphone-App, die die originalen Prüfungsfragen beinhaltet und neben Prüfungssimulationen auch das Lernen im Karteikartensystem sowie nach Fragenart und -thema ermöglicht.

Stormarner Fahrschulen setzen auf Probeprüfungen

„Außerdem sollten alle Fahrschulen eine Probeprüfung durchführen, bevor der Schüler zur richtigen Theorie-Prüfung gehen darf“, meint Pacher. Dabei wird der Test unter Prüfungsbedingungen simuliert – aber mit strengeren Kriterien für das Bestehen.

Horst Kleber betreibt die Fahrschule Sepp Weiss in Bad Oldesloe.
Horst Kleber betreibt die Fahrschule Sepp Weiss in Bad Oldesloe. © Miriam Wollenweber

Dieses System hat auch Horst Kleber eingeführt, nachdem sich seine Fahrschule vor einigen Jahren für die hohe Durchfallquote bei theoretischen Prüfungen rechtfertigen musste. Alle zwei Jahre werden die Fahrschulen durch den Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein kontrolliert. Dieser prüft die jeweiligen Durchfallquoten sowie ob die Ausbildung den rechtlichen Vorschriften entspricht. Wohl auch im Angesicht der steigenden Zahl an Durchfallern beäuge die Aufsichtsbehörde des Kreises Fahrschulen besonders kritisch und übe so einen gewissen Druck aus, sagt Kleber. Im Jahr 2014 erhielt er eine Mahnung, weil seine Durchfallquote knapp zwei Prozent über den als akzeptabel geltenden 35 Prozent lag. In seinem Antwortschreiben erklärte Kleber die vielfältigen Gründe für ein Nicht-Bestehen: Viele Fahrschüler lernten nicht ausreichend für die Theorie. Auch sei die Quote so hoch, weil in der Statistik Personen mit einer Lernschwäche oder Aufmerksamkeitsstörung nicht gesondert gewertet würden.

Immer mehr Fahrschüler klagen über Prüfungsangst

Als zwei Jahre später eine weitere Mahnung bei ihm eintraf, beschloss Kleber, seine Fahrschüler nur noch nach einem nahezu fehlerfreien Vortest zur theoretischen Prüfung zuzulassen. Den pädagogischen Aspekt dahinter sieht er zwiegespalten. Auch verliere er dadurch jedes Jahr einige Fahrschüler, die sich der theoretischen Prüfung ohne großen Aufwand unterziehen wollen. Doch auch wenn einige „zwanzigmal den Vortest machen müssen“, so zahle sich die Maßnahme aus: Für das Jahr 2017 kann Kleber eine Durchfallquote von unter elf Prozent verbuchen. Daniel Pacher berichtet von weiteren Gründen für eine hohe Durchfallquote: „Uns Fahrlehrer stellen Migranten, die einen deutschen Führerschein erwerben möchten, vor Herausforderungen.“

Häufig müssten Personen mit einer ausländischen Fahrerlaubnis zwar in Deutschland erneut die Prüfungen bewältigen, nicht aber die vorgeschriebene Mindestzahl an Theorie- und Fahrstunden absolvieren. Hinzu kommt, dass „sie aus finanziellen Gründen oft schnell fertig werden wollen.“ Das führe oft zum Scheitern und spiegele sich im Landesschnitt wider. Auch gibt es laut Pacher sprachliche Hürden. „Meist sind Migranten andere Verkehrsregeln und -verhältnisse gewöhnt, dann fällt es besonders schwer, wenn man sich kaum verständigen und die hiesigen Regeln erklären kann“, sagt Pacher. Um Abhilfe zu schaffen, kann in solchen Fällen ein Dolmetscher mitfahren und die Theorieprüfung auf Arabisch absolviert werden.

In der praktischen Prüfung sei der häufigste Grund für ein Scheitern die Nervosität. „Wir nehmen wahr, dass die Prüfungsangst zunimmt“, sagt Pacher. Sein Eindruck sei, dass den Fahrschülern der Respekt vor dem Prüfungstag von Eltern oder Freunden regelrecht eingeredet werde.