Hamburg. Bewerber müssen mit 2200 Euro rechnen. 40 Prozent fallen durch – so viele wie nirgendwo in Deutschland. Fahrlehrer verzweifelt gesucht.

Mehr als ein halbes Jahr hat es gedauert, bis Anke Rebstock endlich ihr Stellenangebot abhaken konnte. Seit Dezember 2015 hatten sie und ihr Mann Wolfgang von der Niendorfer Fahrschule Rebstock nach einem neuen Fahrlehrer gesucht.

„Das Arbeitsamt hat uns acht Bewerber geschickt, aber nicht einer von denen hat sich bei mir gemeldet“, sagt Anke Rebstock. Sie arbeitet im Büro, ihr Mann gibt Unterricht und Fahrstunden in der Niendorfer Fahrschule Rebstock, die seit 30 Jahren Fahrneulinge ausbildet. Im Sommer hätten sie nun endlich jemanden gefunden, sagt Anke Rebstock. Es würden ja überall Fahrlehrer gesucht.

Hamburg hat nach Angaben von Sabine Darjus, Vorsitzende des Fahrlehrerverbands Hamburg, 193 Fahrschulen. Ihren Angaben zufolge gibt es keine Obergrenze und auch keinen Gebietsschutz. Dennoch sei die Zahl seit Jahren ziemlich konstant. „Von den etwa 600 Fahrlehrern sind nach unserer Schätzung aber höchstens 300 bis 400 tätig.“ Die übrigen hätten zwar noch ihre Fahrlehrererlaubnis, seien aber nicht aktiv, etwa weil sie bereits in Rente seien. Zurückgeben müsse man die Erlaubnis nicht. Fast alle Fahrlehrer in Hamburg sind männlich. Nur etwa sieben Prozent seien Frauen, auch bundesweit liege der Anteil unter zehn Prozent. Christian Hieff, Sprecher des ADAC Hansa, macht für den Fahrlehrermangel auch die speziellen Arbeitsbedingungen verantwortlich. Es gebe Nachwuchssorgen, weil nur sehr wenig junge Leute bereit seien, einen Beruf zu ergreifen, bei dem sie ungünstige Arbeitszeiten hätten: „Nicht jeder ist bereit, am Wochenende und abends zu arbeiten.“

Fahrlehrer müssen zehnmonatige Ausbildung durchlaufen

Neues Personal ist zudem nicht von heute auf morgen verfügbar. Laut Darjus müssen die Interessenten selbst Führerscheine aller wichtigen Klassen haben (Motorrad, Lkw und Pkw), eine zehnmonatige Ausbildung durchlaufen und mehrere Prüfungen ablegen.

Viele Fahrstunden haben sich in die zweite Tageshälfte verlagert. Wegen der Ganztagsschule haben viele Schüler heutzutage nur nachmittags oder am frühen Abend Zeit. „Am Nachmittag könnte ich alle möglichen Fahrlehrer beschäftigen“, sagt Anke Rebstock. Wer in Hamburg seinen Führerschein machen möchte, muss sich darauf gefasst machen, dass es inzwischen deutlich länger dauert, bis er das ersehnte Dokument in Händen hält. Denn immer mehr Fahrschüler drängen in die Fahrschulen – im vergangenen Jahr haben 21.295 Hamburger eine Fahrerlaubnis beim Landesamt für Verkehr beantragt.

Auto hat anderen Stellenwert als früher

Durch die demografische Entwicklung allein sei das nur schwer zu erklären, sagt Sabine Darjus. Zudem habe das Auto nicht mehr den gleichen Stellenwert wie früher. „Allerdings ist den jungen Leuten Unabhängigkeit wichtig. Und Carsharing-Angebote kann man nur mit Führerschein nutzen.“

Einerseits seien es daher viele Jugendliche, die den Führerschein mit 17 anstrebten (das sogenannte begleitete Fahren). Andererseits gibt es eine zweite große Gruppe: Fahrschüler, die älter seien als 20. Dafür gebe es zwar keine statistische Erhebung, das zeige aber die Erfahrung.

Die Fahrschulen müssen die Fahrerlaubnis beim Landesbetrieb Verkehr beantragen. Die Bearbeitungszeiten sind gestiegen. Online dauerte das früher eine Woche, inzwischen sind es zwei, auf dem Postweg inzwischen sogar bis zu sechs Wochen. Erst dann kann man sich für die Theorieprüfung anmelden. Die Wartezeit auf die eigentliche Prüfung beim TÜV dauert dann noch einmal bis zu vier Wochen.

40,3 Prozent fallen bei der praktischen Prüfung durch

„Theoretisch kann man den Führerschein innerhalb von drei Monaten machen, das schaffen aber die wenigsten“, sagt Darjus. „Die Ausbildung zieht sich teilweise über ein Jahr hin.“ Zu dem Gedränge an den Fahrschulen trägt auch bei, dass in Hamburg 40,3 Prozent der Prüflinge bei der praktischen Prüfung durchfallen. „Die brauchen dann auch wieder Fahrstunden“, sagt Darjus. Und während sie selbst ihre praktische Fahrprüfung vor etwa 40 Jahren nach nur 13 Fahrstunden machte, brauchen Fahrschüler heute im Schnitt 45 Fahrstunden. Darjus sagt, in einer Großstadt wie Hamburg fahren zu lernen und die praktische Prüfung abzulegen sei eine Härte. „Hamburg ist eine sehr schnelle Stadt.“ Theorie dagegen könne man lernen, sagt Darjus. Warum derzeit trotzdem 31 Prozent bei der theoretischen Prüfung durchfallen, sei unklar. Es seien neue Fragen dazugekommen, auch mit Videos, möglicherweise habe sich das Lernverhalten verändert. Selbst erfahrene Autofahrer hätten damit Schwierigkeiten, davon ist sie überzeugt.