Glinde. Anwohner des Alten Gleisdreiecks kritisieren Verwaltungschef Rainhard Zug. Sie gehen aber auch mit der Politik hart ins Gericht.
In seiner Ansprache auf dem Neujahrsempfang hatte Glindes Bürgermeister Rainhard Zug zunehmenden Egoismus kritisiert und das Wirken einer Bürgerinitiative genannt. Im Abendblatt-Bericht über die Verzögerung eines Sozialwohnungsprojekts im Zentrum wiederholte der Verwaltungschef jetzt seine Vorwürfe gegen die Gruppe. Eines ihrer Mitglieder – das ist aus formalen Gründen der Fall – hatte die Stadt wegen des Bebauungsplanes verklagt. Die Bürgerinitiative reagiert mit Empörung auf Zugs Äußerungen.
Deren Sprecher Michael Riedinger sagt gegenüber dem Abendblatt: „Ich empfinde es schon als starkes Stück, unser Engagement als Blockade darzustellen und uns öffentlich zu diffamieren.“ Riedinger und seine Mitstreiter wollen nicht, dass das Areal Altes Gleisdreieck bebaut wird. Sie hatten sich für den Erhalt des Waldstücks eingesetzt und darauf die Betonung gelegt. Inzwischen ist der Bereich gerodet. Doch das Unternehmen Semmelhaack kann nicht weitermachen, weil Projektgegner juristisch alle Register ziehen. Im Eilverfahren wurde 2017 eine Normenkontrollklage vom Oberverwaltungsgericht in Schleswig abgewiesen. Eine Entscheidung im Hauptverfahren steht aus. Deshalb gibt die Investitionsbank Schleswig-Holstein ein zugesagtes zinsgünstiges Darlehen nicht frei. Die Firma plant 89 Wohnungen, davon 62 öffentlich gefördert, und 30 Reihenhäuser zur Miete. Sie spricht von Mehrkosten in Höhe von drei Millionen Euro durch die Verzögerung und kalkuliert jetzt mit 31 Millionen Euro für das Projekt.
Riedinger: Stadt hat sich nicht an Gesetze gehalten
„Dass es zu dem Normenkontrollverfahren gekommen ist, liegt daran, dass die Stadt und damit auch der Bürgermeister sich im B-Planverfahren nicht an gesetzliche Vorgaben gehalten haben. Bevor man ein Waldgrundstück für Wohnbauzwecke opfert, hätten Alternativen geprüft werden müssen“, so Riedinger. Dies sei aber nicht getan worden. Der Initiativensprecher beziffert die Anwalts- und Verfahrenskosten für seine Gruppe auf mehr als 10.000 Euro. Er sagt: „Unser Ziel ist es, dass der Bereich wieder aufgeforstet wird.“
Riedinger wirft den Parteien Versäumnisse und Konzeptlosigkeit beim Thema sozialer Wohnungsbau vor. In den 1970er-Jahren gab es in Glinde noch rund 1900 öffentlich geförderte Einheiten, inzwischen sind es nur noch 264. „Diese desolate Situation jetzt bei uns als Bürgerinitiative abzuladen, ist die größte Frechheit, passt aber ins Bild, das Politik und Rathaus in Glinde seit Jahren abgeben.“ Riedinger und seine Mitstreiter haben noch Hoffnung auf ein für sie gutes Ende im Hauptverfahren. Dazu sagt Christine Nordmann, Sprecherin des Oberverwaltungsgerichts: „Im Eilverfahren wird summarisch geprüft, also nicht so detailliert. Ein anderes Urteil ist theoretisch möglich.“ Befürchtungen des Unternehmens Semmelhaack, bis zu einer Entscheidung könne es noch drei Jahre dauern, halte sie für hochgegriffen.
Ein genauer Termin sei aber noch nicht einschätzbar. Im Hauptverfahren sind drei Berufs- sowie zwei Ehrenamtsrichter für das Urteil zuständig. Bei der mündlichen Verhandlung werden beide Seiten gehört.