Reinbek. Ehemalige Auszubildende beteuert, sie sei zu einem Auflösungsvertrag gedrängt worden. Das Krankenhaus widerspricht.

Sie war so glücklich, als es gleich mit der ersten Bewerbung klappte. Kurz vor Ende der Frist ergatterte Leonie Stoller einen Ausbildungsplatz zur Gesundheits- und Krankenpflegerin am Reinbeker Krankenhaus St. Adolf-Stift, startete im September vergangenen Jahres. Die 18-Jährige fühlte sich wohl, schwärmt von den ersten Wochen im neuen Umfeld. Doch das änderte sich schlagartig, inzwischen ist ihr Vertrag aufgelöst. Die Glinderin spricht mit großer Verbitterung über die Geschehnisse im katholischen Haus und erhebt Mobbing-Vorwürfe. Sie sagt: „Die Klinik hat mich wegen meiner Krankheit rausgeekelt.“

Leonie Stollers Version der Ereignisse ist erschütternd. Mitte Oktober sucht sie einen Arzt auf wegen Problemen mit den Mandeln. „Er hat mir mitgeteilt, dass eine Operation unumgänglich und vor allem zeitnah nötig ist“, sagt die junge Frau. Daraufhin sucht sie das Marienkrankenhaus in Hamburg auf und erhält einen OP-Termin für den 29. Oktober. In der Krankenpflegeschule berichtet sie einer Lehrerin von dem bevorstehenden Eingriff.

Mitglied der Klasse bestätigt, dass auf Leonie Druck ausgeübt wurde

„Die Frau wollte wissen, wie lange ich ausfalle“, sagt die Glinderin. Sie gibt drei bis vier Wochen an und bezieht sich auf die Einschätzung der Mediziner in der Hansestadt. Es ist der 25. Oktober, als die Situation laut Stoller ein erstes Mal eskaliert. Die Lehrkraft habe sie vor der Klasse angeschrien. „Sie wollte, dass ich die Operation auf März in die Ferien verschiebe, weil ich sonst zu viele Fehlzeiten hätte.“ Stoller sagt, sie habe sich gerechtfertigt, sei dabei nicht ausfallend und den Tränen nahe gewesen.

Klinik-Geschäftsführer Björn Pestinger
Klinik-Geschäftsführer Björn Pestinger © BGZ | A.S-C

Einen Tag später kommt es noch schlimmer. Die junge Frau berichtet, dass sie ins Büro der Klassenlehrerin gebeten wurde. Was dann passiert, schildert sie so: „Die Pädagogin hat auf einen Auflösungsvertrag gedrängt. Ich war mit der Situation völlig überfordert.“ Dann habe die Lehrerin gefordert, sie solle jetzt ein Schreiben verfassen mit der Bitte um Auflösung des Ausbildungsvertrags zum 31. Oktober. „Das habe ich dann gemacht, und zwar im Klassenraum.“ Mitschüler seien dabei gewesen, die Lehrerin habe ihr über die Schulter geguckt. Ein Mitglied der Klasse bestätigte dem Abendblatt, dass auf Leonie Druck ausgeübt wurde. Namentlich will es nicht genannt werden. Laut Stoller hat ihr die Pädagogin vorgeschlagen, mit der Ausbildung im März dieses Jahres von vorn zu beginnen.

Drei Tage später, am 29. Oktober, wird die 18-Jährige operiert. An jenem Montag setzt das St. Adolf-Stift den Auflösungsvertrag auf. Das Dokument liegt dem Abendblatt genauso vor wie andere wichtige Schreiben in dieser Angelegenheit. Die Glinderin signiert aber nicht. Sie hatte kurz vor dem Eingriff ihre Oma Ingeborg Stoller (67) sowie ihre Großtante Marlies Kröpke (67) zu Rate gezogen. Die beiden Rentnerinnen sind im Gemeinderat der evangelischen Kirche St. Johannes in Glinde. In dem Gotteshaus engagiert sich auch Leonie Stoller ehrenamtlich, bastelt einmal im Monat mit Kindern und kocht auch für die Kleinen.

Oma und Großtante sind bei Gespräch mit Krankenhaus dabei

Kröpke, die früher an der Spitze der Mitarbeitervertretung des Kirchenkreises Hamburg-Ost stand, geht mit dem St. Adolf-Stift hart ins Gericht: „So handelt kein christliches Haus.“ Am 8. November zieht die 18-Jährige per Einschreiben ihre Bitte auf Auflösung des Arbeitsvertrags zurück. Das Dokument unterschreiben auch ihre Großmutter und Kröpke. Es ist unter anderem an Geschäftsführer Björn Pestinger, den Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung, Andreas Hein, und Schulleiterin Christa Knigge gerichtet. Leonie Stoller schlägt ein klärendes Gespräch vor.

Dazu kommt es zwei Wochen später. Kröpke ist dabei, sagt: „Wir wollten über die Daten der Auflösung reden, die Schulleitung hat sofort mit einer Kündigung binnen 14 Tagen gedroht.“ Es kommt dennoch zu einer Einigung. Der Ausbildungsvertrag wird zum 31. Dezember aufgelöst und Leonie freigestellt. Sie erhält bis dahin ihren Lohn – 995 Euro brutto pro Monat. Jetzt zahlt der Staat für die Glinderin.

In der Probezeit hätte die Klinik jederzeit kündigen können

Die Reinbeker Klinik widerspricht den Ausführungen der jungen Frau in einem wesentlichen Punkt. Schulleiterin Christa Knigge: „Es wurde kein Druck auf die Schülerin ausgeübt.“ Die Lehrkraft habe am 25. Oktober klar angesprochen, dass die Auszubildende bei drei bis vier Wochen Abwesenheit „zu viele Fehlzeiten hätte, es nach den gemachten Erfahrungen besser sei, das erste Halbjahr ab März zu wiederholen und üblicherweise darum ein Aufhebungsvertrag geschlossen wird“. Zur Überbrückung hatte die Klinik der Glinderin ein Praktikum angeboten, allerdings erst am 22. November. Sie hätte dabei 375 Euro netto im Monat verdient.

Da Leonie Stoller noch in der Probezeit war, hätte die Klinik den Vertrag ohne Angabe von Gründen und Einhaltung einer Frist kündigen können. „Dass wir diese Möglichkeit nie in Erwägung gezogen haben, macht deutlich, dass wir zu keinem Zeitpunkt das Ziel verfolgt haben, uns von der Schülerin zu trennen“, sagt Personalleiter Fabian Linke. Und Andreas Hein ergänzt, die Schülerin habe keine Beratung bei ihm oder einem Kollegen gesucht. „Eine versuchte Kontaktaufnahme meinerseits, als ich von der Gesprächsbitte mit dem Krankenhaus erfuhr, war aufgrund der Krankschreibung nicht möglich“, sagt der Mitarbeitervertreter.

Marlies Kröpke will Fall dem Sozialministerium schildern

Andreas Hein sagt, die Schülerin habe bei dem Treffen am 22. November auf den Vorschlag, das Geschehen mit der Lehrerin zu besprechen und alle Seiten anzuhören, ablehnend reagiert. Klinik-Geschäftsführer Björn Pestinger kommentiert die Personalie so: „Wir kämpfen um jeden Auszubildenden, sind dem Wunsch von Frau S. nach einem Auflösungsvertrag zum 31. Dezember nachgekommen.“

Leonie Stoller sagt, nach den Vorfällen sei eine Rückkehr ins Reinbeker Krankenhaus für sie ausgeschlossen gewesen. Sie sucht nun eine neue Lehrstelle, der Pflegebereich ist dabei kein Thema mehr. Marlies Kröpke will den Fall jetzt an das Sozialministerium in Kiel herantragen.