Ahrensburg. Vertreter des Bauministeriums raten: Innenstadt entlasten, Autos runter vom Rathausplatz, Straße am Alten Markt zeitweise sperren!

Das Urteil ist eindeutig – und es fällt miserabel aus für Politik und Verwaltung in Ahrensburg: Die Verkehrssituation in der Innenstadt sei eine Katastrophe. „Die City wird von Autos dominiert. Das halten wir für falsch.“ Die Kritik kommt aus berufenem Munde. Einer der Absender ist Gerd Weiß, Vorsitzender der Expertengruppe Städtebaulicher Denkmalschutz. Er sagt: „Wir wollen die Stadt Ahrensburg zu mehr Mut im Umgang mit dem Straßenverkehr ermuntern.“

Zum Beispiel zwischen Schloss und Innenstadt. „Der älteste Teil Ahrensburgs ist wegen des Verkehrs vom Zentrum abgehängt“, sagt Weiß. „Dagegen muss etwas getan werden. Die fußläufige Verbindung sollte aufgewertet werden.“ Der Kunsthistoriker spricht vom Schloss, dem Schlosspark sowie dem Alten Markt. Sie gehörten zum wertvollsten Besitz der Stadt, das müsse für Einwohner und Touristen aber besser erkennbar sein. Vor allem der Alte Markt werde nicht als historischer Ort wahrgenommen. Der Rat der Expertengruppe: Die Straße Am Alten Markt, die zurzeit den Platz durchtrennt, in einer verkehrsärmeren Zeit wie den Sommerferien für eine gewisse Zeit sperren. „Und dann schauen, was passiert“, sagt Weiß. „Die Erfahrungen aus anderen Kommunen zeigen, dass sich der Verkehr in dieser Zeit neue Wege sucht.“

Expertengruppe hat sich zwei Tage in Ahrensburg umgesehen

Zwei Tage lang haben elf Mitglieder der Expertengruppe, die dem Bundesministerium für Bau unterstellt ist, die Schlossstadt unter die Lupe genommen. Anlass ist die Teilnahme Ahrensburgs am Programm „Städtebaulicher Denkmalschutz“, die das Gremium fachlich begleitet. Wie berichtet, soll die City in den kommenden 15 Jahren runderneuert werden. 60 Projekte sieht das Innenstadtkonzept zwischen Bahnhof und Schloss vor, für viele gibt es Fördergeld von Bund und Land.

Als weiteres Problem haben die Fachleute die Manfred-Samusch-Straße ausgemacht. Sie sorge dafür, dass die gestalterische Einheit von Rathaus und Rathausplatz nicht mehr erkennbar sei, kritisiert Arnold Bartetzky, ebenfalls Vorsitzender der Expertengruppe. „Beides steht unter Denkmalschutz und gehört zusammen. Der Verkehr hat in diesem Fall aber eine trennende Wirkung.“ Deshalb habe das Gremium angeregt, die Straße zurückzubauen.

Ein freier Rathausplatz würde auch der Schlossstadt gut tun

Auch der Rathausplatz müsse in Angriff genommen werden, so die Meinung der Gruppe. Das Wichtigste: Die Autos müssten runter. Der Göttinger Stadtbaurat Thomas Dienberg stellte der Ahrensburger Verwaltung vor, wie seine Stadt ihren Wochenmarktplatz unter Einbindung der Bürger umgestalten wird. Er soll künftig vor allem als Querung und Abkürzung für die Fußgänger dienen. „Keine Angst vor der Leere“, lautet die Empfehlung von Gerd Weiß an die Stadt Ahrensburg. „Sie müssen im Vorfeld nicht verschiedene Nutzungen für den Platz entwickeln, die ergeben sich von allein.“ Ein Rathausplatz dürfe frei sein, sagt Margita Meyer vom Landesamt für Denkmalpflege in Schleswig-Holstein. „Das würde auch Ahrensburg gut tun.“

Fachleute einig: Mit wenigen Eingriffen wäre viel zu erreichen

Bisher wirke sich der Verkehr in Ahrensburg beeinträchtigend auf die Freiräume aus, so Weiß. Die Innenstadt müsse dringend von Autos entlastet werden – durch eine Umgehungsstraße, aber auch mit Tempo-Reduzierungen und verkehrsberuhigenden Pflastersteinen. Ahrensburg sei eine lebendige, wachsende Stadt – mit zu viel brachliegenden Potenzialen. Weiß: „Mit relativ wenigen Eingriffen könnte man viel erreichen.“ Zum Beispiel beim geplanten Umbau der Hamburger Straße. Die Experten empfehlen, die ursprüngliche Allee wiederherzustellen, um die barocke Struktur und den besonderen Wert Ahrensburgs auch an dieser Stelle hervorzuheben. Sie ermahnen die Stadt zudem, beim Lärmschutz für die neue S-Bahn-Linie überlegt zu handeln und nicht die 08/15-Lösung mit drei bis sechs Meter hohen Wänden zu nutzen.

Verwaltung will Nordtangente und Tiefgarage vorantreiben

Die Expertengruppe, der unter anderem Architekten, Stadtplaner und Kunsthistoriker angehören, beschäftigte sich auch mit dem geplanten Rathausanbau. Sie spricht sich für den Standort zwischen Rathaus und Peter-Rantzau-Haus aus. „Im ursprünglichen Entwurf des Rathausarchitekten war an dieser Stelle bereits ein Anbau vorgesehen“, sagt Bartetzky. Die Verwaltung hatte bisher eher die Variante hinter dem Rathaus verfolgt, will das nun ändern. Bartetzky: „Es wäre eine vertane Chance, wenn der Bau versteckt und sein Gesicht nicht Richtung Innenstadt zeigen würde.“

Die Expertenrunde will ihre Empfehlungen jetzt in Form eines Arbeitspapieres an die Stadt überreichen. Für Ahrensburgs Bauamtsleiter Peter Kania sind das „wichtige Anregungen“. Er will nun vor allem zwei Projekte vorantreiben: den Bau einer Nordtangente, um den Verkehr zu entlasten, und die Errichtung einer Tiefgarage unter dem Stormarnplatz, um die Parkplatzprobleme zu lösen. „Bei der Nordtangente gibt es seit 15 Jahren keine politische Einigung“, sagt er. „Aber sie ist die einzige Möglichkeit, um den Verkehr auf der Lübecker Straße und am Alten Markt zu reduzieren und die Große Straße verkehrsberuhigt umgestalten zu können.“