Verkehrsexperte kritisiert: Autos dominieren das Stadtbild. Er bringt eine zeitweilige Sperrung der Innenstadt für den Durchgangsverkehr ins Gespräch
Ahrensburg. Ein Mann, eine Botschaft: Ahrensburg unternimmt zu wenig, um den Straßenverkehr zu beruhigen. Autos seien in der Stadt viel präsenter, als es sich rational rechtfertigen lasse. Politik und Verwaltung müssten mehr wagen, um die „Lebens- und Aufenthaltsqualität im Zentrum zu verbessern“, sagt Stefan Luft. Der seit fast zehn Jahren im Dienste der Stadt tätige Verkehrsgutachter, der den Lärmaktionsplan, das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK) und den Masterplan Verkehr mit auf den Weg gebracht hat, benennt klar, was wohl so etwas wie ein Paradigmenwechsel ist: „Der riesige Parkplatz vor dem Rathaus, die Tatsache, dass in Ahrensburg Autos an vielen Stellen das Stadtbild dominieren und dass das Zentrum weiter für Autofahrer fast ohne Einschränkungen erschlossen wird, ist nicht mehr zeitgemäß. Die Stadt sollte mehr experimentieren, denn hier liegen potenzielle Qualitäten brach.“
Ein möglicher Ansatz für mehr städtebauliche Qualität und eine Förderung von Fußgänger- und Radverkehr ist das Modell Shared Space. Das ist ein Planungsmodell, in den 90er-Jahren federführend entwickelt von dem Niederländer Hans Mondermann, das bereits in vielen Städten angewendet wird. Statt einer dominanten Stellung des motorisierten Verkehrs soll der gesamte Verkehr „mit dem sozialen Leben, der Kultur und Geschichte des Raums im Gleichgewicht stehen“. So die Planungsphilosophie. Doch wie sieht es mit der Praxis aus? Auch in Ahrensburg könne sich jeder ein Bild davon machen, wie die Lebensqualität steigt, wenn der Autoverkehr beruhig wird. Stefan Luft: „Und zwar am Rondeel und an der Großen Straße.“ Beide Bereiche böten den Menschen Raum zum Flanieren. Dazu, das Leben bei gutem Wetter vor Restaurants und Cafés zu genießen, Menschen zu begegnen. „Ein Pendant dazu fehlt an der Hamburger Straße, der Hagener Allee oder der Manhagener Allee“, sagt Stefan Luft. „Wo man hinschaut: fahrende oder geparkte Autos.“
Der Gutachter bezeichnet die derzeitige Planung für das Stadtzentrum als „unentschlossen“. Der polarisierende Vorschlag des Experten: Hamburger Straße, Hagener Allee und Manhagener könnten stärker verkehrsberuhigt oder sogar zu bestimmten Zeiten für den Durchgangsverkehr gesperrt werden, um die südliche Innenstadt für Besucher attraktiver zu machen. Den Geschäften entstünde dadurch kein Schaden. Das zeigten Beispiele aus anderen Städten. Stefan Luft: „Ich bin fest davon überzeugt, dass der Einzelhandel deshalb nicht zusammenbricht. Möglicherweise eröffnen sich sogar neue Chancen, wenn die Kunden entspannter durch die Stadt bummeln könnten.“
Mehr als 1800 öffentliche Plätze in Parkhäusern und Tiefgaragen
Parkplätze gebe es jedenfalls ausreichend. Ein Problem sei die „räumlich unterschiedliche Auslastung“. Will heißen, Parkflächen im östlichen Innenstadt-Bereich würden weniger stark genutzt als die im westlichen. Von der P+R-Anlage Alter Lokschuppen abgesehen, stellt Ahrensburg zurzeit mehr als 1800 öffentliche Stellplätze in Parkhäusern und Tiefgaragen zur Verfügung. Luft: „Vergleichbare Städte wie Itzehoe haben mehr Parkplätze, aber deswegen nicht mehr Besucher.“ Die Parkgebühren seien relativ günstig, so Luft. „Selbst Gratis-Stellplätze bringen dem Handel keine zusätzlichen Kunden“, für Besucher sei die Attraktivität eines Stadtzentrums letztlich entscheidend. Lufts klare Ansage: „Stellplätze hat Ahrensburg eigentlich genug.“ Zumal nach neuen Erhebungen die Zahl der Pkw-Zulassungen nachlasse und immer mehr Menschen auf das Fahrrad und den öffentlichen Nahverkehr umsteigen. Tatsächlich liegt das Mittelzentrum mit etwa 460 privat genutzten Autos auf 1000 Einwohner auf vergleichsweise niedrigem Niveau in Schleswig-Holstein, aber auf hohem Niveau der Städte im Hamburger Umland.
Verstopfte Straßen zeugen regelmäßig im Berufsverkehr davon, dass etwa die Hälfte aller Ahrensburger für ihren Arbeitsweg ihr Auto nutzen. Bei den rund 13.000 täglichen Einpendlern sind es sogar fast 70 Prozent. „Bei der Wahl der Verkehrsmittel verzeichnen wir eine Veränderung gegenüber früher“, sagt Stefan Luft. „Jüngere Menschen sind hier flexibler und umweltbewusster.“ Dennoch müsse man sich der Tatsache stellen, dass zum Beispiel täglich rund 20.000 Fahrzeuge über die ehemalige B75 durch Ahrensburg rollen. Durch den Zuzug in Neubaugebiete wie den Erlenhof in Ahrensburgs Norden oder andere in Delingsdorf oder Bargteheide werde hier die Zahl der Autofahrten weiter steigen. Deshalb hält Luft den Bau der umstrittenen Nordtangente für „absolut notwendig – vor allem in Hinblick auf die Weiterentwicklung des Gewerbegebietes Beimoor Süd“. Auch für die Menschen im südlichen Stadtgebiet könne eine Südtangente erhebliche Entlastung bedeuten. Luft: „Aber wenn die Nordtangente nicht kommt, kommt die Südtangente erst recht nicht.“
Während viele Ahrensburger auch kurze Wege ins Stadtzentrum noch mit dem Auto zurücklegen, nutzt inzwischen ein vergleichsweise hoher Anteil von Einwohnern das Fahrrad (41 Prozent). Mit dem Bus kommen (vier Prozent), als Mitfahrer in einem Auto (zwei Prozent) oder zu Fuß (19 Prozent) der Ahrensburger ins Zentrum. Gutachter Luft sagt: „Da lässt sich viel steuern, über die Parkgebühren beispielsweise. Aber ich propagiere ein System aus einem Guss: Mehr und bessere Wege für Fußgänger und Radfahrer, mehr Stellplätze für Fahrräder und mehr Aufenthaltsqualitäten. Die Stadt muss offensiv vor allem für den Radverkehr werben.“
Lufts Resümee: „Das Herz Ahrensburgs braucht nicht mehr Parkplätze, sondern mehr Aufenthalts- und mehr Lebensqualität sowie mehr alternative Mobilitätsangebote.“
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