Grosshansdorf. Bundesweites Pilotprojekt auf der A 1 bei Großhansdorf: Wissenschaftler testen, ob eine neue Beschilderung den Verkehr flüssiger macht.
Mitten in Stormarn forschen Experten der Technischen Hochschule (TH) Lübeck daran, wie sich Staus vor Autobahn-Baustellen vermeiden lassen. Auf der A 1 bei Großhansdorf testen die Wissenschaftler eine neue Beschilderung. „Das Pilotprojekt kann bundesweit wegweisend sein“, sagt Thilo Rohlfs (FDP), Staatssekretär bei Landesverkehrsminister Bernd Buchholz (FDP).
Der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr (LBV) hat den 120.000 Euro teuren Testlauf im Alltagsbetrieb mit dem Institut für Verkehrswesen der TH initiiert. Auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) Schleswig-Holstein und der Verband „Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung“ (VGL) beteiligen sich finanziell am Vorhaben „Stauvermeidung durch optimierte Baustelleneinrichtung“.
„Wir brauchten eine stark befahrene Autobahn und eine Verengung von drei auf zwei Spuren, weil das immer der neuralgische Punkt ist“, sagt Jens Sommerburg, Leiter der LBV-Niederlassung Lübeck. Diese Anforderungen erfüllt die Baustelle zur Sanierung der Wöhrendamm-Brücke, die zwischen Großhansdorf und Siek über die Autobahn 1 führt. Dort sind laut einer Zählung von 2016 mehr als 90.000 Fahrzeuge täglich unterwegs, darunter rund 11.000 Lastwagen.
Beschilderung beginnt schon vier Kilometer vor Engpass
„In Richtung Lübeck haben wir die konventionelle Version der Fahrstreifenreduzierung eingerichtet, in Richtung Hamburg die moderne Variante“, sagt Jens Sommerburg. Wichtigster Unterschied: Die traditionelle Beschilderung führt Autofahrer über einen Kilometer in die Baustelle, die Testbeschilderung über vier Kilometer. Mobile Geschwindigkeitsanzeige können das Tempolimit jederzeit verändern. So gilt es abends und nachts bei wenig Verkehr später.
Außerdem gibt es keine Hinweisschilder auf das Reißverschlussverfahren. Direkt an der Baustelleneinfahrt ist stattdessen eine Fläche mit gelber Farbe schraffiert worden. „Ziel ist es, das starke Abbremsen direkt vor der Baustelle zu verhindern, das häufig eine Kettenreaktion und damit Staus auslöst“, sagt Sommerburg. Ob das im Alltag gelingt, soll das Pilotprojekt zeigen.
„Wir können in Simulationen alles berechnen, nur nicht das Verhalten der Verkehrsteilnehmer“, sagt Jens Emig, Professor an der TH Lübeck. Noch bis Anfang Oktober zeichnen elf Videokameras je Richtung alle Autos auf, ermitteln unter anderem Geschwindigkeit, Herkunft und Fahrzeugklasse. Alle Ergebnisse werden vom System codiert. Das Bildmaterial wird sofort gelöscht, sodass keine personenbezogenen Daten erfasst werden.
723.000 Staumeldungen gab es im Vorjahr auf Deutschlands Fernstraßen. 2002 lag diese Zahl bei knapp über 100.000. „Die Staukosten betragen bundesweit mehr als 30 Milliarden Euro jährlich“, sagt Bernd Moser, im Vorstand des Logistik-Unternehmensverbands. Acht bis zehn Prozent ihrer Zeit ständen die Lastwagen auf Autobahnen.
Abschlussbericht der Forscher soll Ende 2019 vorliegen
„Wenn wir die Stauzeiten reduzieren, vermindern wir gleichzeitig den CO2- Ausstoß, schonen die Umwelt und senken die Transportkosten“, so Moser. Auf Unfälle habe man natürlich keinen Einfluss, aber bei Baustellen lasse sich bestimmt einiges verbessern. Was genau, das will die TH Lübeck herausfinden. Zunächst werten die Wissenschaftler die Stormarner Daten aus, um anschließend Simulationsmodelle zu erstellen. Die Ergebnisse können dann auf andere Beispielbereiche übertragen werden. Der Abschlussbericht soll im Dezember 2019 vorliegen.
Der schleswig-holsteinische LBV-Direktor Torsten Conradt betont, dass auch künftig mit reichlich Baustellen zu rechnen ist, da viele Autobahnen saniert werden müssen. Das Pilotprojekt verfolge drei Ziele: Erhöhen der Verkehrssicherheit und des Arbeitsschutzes, Verbessern der Verkehrsqualität durch Homogenisieren des Fahrverhaltens der Verkehrsteilnehmer und ein frühzeitiges Ankündigen der Baustelle sowie Verringern der Umweltbelastungen durch geringeren Schadstoffausstoß und weniger Lärm.
Manfred Braatz, stellvertretender Geschäftsbereichsleiter Standortpolitik bei der IHK, ist zuversichtlich. „Wenn die Ergebnisse entsprechend ausfallen, haben wir Pionierarbeit für das ganze Land geleistet“, sagt er. Im günstigsten Fall könnten erhebliche volkswirtschaftliche Kosten gespart werden.