Ahrensburg. Planung einer Umgehungsstraße im Norden von Ahrensburg stockt seit Jahren. Denn die Politik ist uneins über den Verlauf der Trasse.

Auto um Auto rollt über die Lübecker Straße in Ahrensburg an den Stadtteilen Erlenhof und Gartenholz vorbei. Es ist 17 Uhr, Feierabendverkehr. In beiden Richtungen ist auf der ehemaligen Bundesstraße 75 viel los. „Die Verkehrssituation auf der Lübecker Straße ist katastrophal für uns Anwohner“, sagt Werner Haering, „der Berufsverkehr morgens und nachmittags ist eine große Belastung mit Lärm und Abgasen.“ Haering ist Sprecher der Interessengemeinschaft Ahrensburg Nord-Ost (Igano), einer Initiative von Bürgern aus dem Nordosten Ahrensburgs.

Die Igano fordert den Bau einer Umgehungsstraße nördlich von Ahrensburg. Die Nordtangente soll den Verkehr umleiten und die Lübecker Straße, die jetzt die Landesstraße 82 ist, entlasten. Laut der Bürgerinitiative fahren rund 19.000 Fahrzeuge täglich auf der Lübecker Straße – Tendenz steigend. „Durch die Bebauung des Erlenhofes und die Erweiterung des Gewerbegebiets im Norden nimmt der Verkehr zu“, sagt Werner Haering, der seit mehr als 60 Jahren an der Lübecker Straße wohnt.

Trasse führt immer auch über das Gebiet von Delingsdorf

„Der Verkehr staut sich zu Stoßzeiten bis Delingsdorf zurück“, berichtet Anwohner Dierk Riesen. Gabi Buchdrücker erzählt: „Durch den Verkehr ist die Straße immer wieder beschädigt. Die Schlaglöcher bringen noch mehr Lärm.“ Jutta Menzel, die seit 1959 an der Lübecker Straße wohnt, meint: „Wir fühlen uns von der Politik im Stich gelassen.“

Anwohner der Lübecker Straße und des Erlenhofes in Ahrensburg fordern die Nordtangente als Umgehungsstraße
Anwohner der Lübecker Straße und des Erlenhofes in Ahrensburg fordern die Nordtangente als Umgehungsstraße © Klaus Bodig / HA

Dabei ist die Forderung der Igano nach einer Nordtangente nicht neu. Über die Umfahrung wird seit Jahren diskutiert, mal mehr, mal weniger stark. Zu ihrer Streckenführung gibt es jedoch unterschiedliche Planungsvarianten. Hinzu kommt, dass eine Nordtangente über das Gebiet von Ahrensburgs Nachbargemeinde Delingsdorf führen und letztere daher einer Trasse zustimmen muss. So herrscht seit einiger Zeit Stillstand in der Sache.

Drei Varianten der Wegführung im Gespräch

Bislang wurden für die Umgehung vor allem drei Wegführungen angedacht. Die südlichste Trasse von ihnen erhielt den Namen Clariant-Variante, da sie südlich vom Betriebsgrundstück der Firma Clariant im Ahrensburger Gewerbegebiet Nord verläuft. Sie wird auch als Variante 7 bezeichnet.

Die Clariant-Variante ist die einzige Variante, der Delingsdorf zustimmen will. Jedoch hat sie bislang keine politische Mehrheit in Ahrensburg gefunden. Ihre Gegner kritisieren vor allem, dass die Trasse sehr nah am Wohngebiet Gartenholz entlangführt und für dessen Bewohner neue Lärmbelastungen mit sich bringt.

Als eine andere Nordtangenten-Lösung wurde die Variante 11 entwickelt. Allerdings: Durch eine Unterführung der Bahnstrecke Hamburg–Lübeck ist sie mit rund 20 Millionen Euro die teuerste Lösung.

Delingsdorf hält an Clariant-Variante fest

Bleibt noch Variante 15. Im Jahr 2015 hat der Ahrensburger Bauausschuss sich für Gespräche mit Delingsdorf über diese Trasse ausgesprochen. Zu einer Einigung der beiden Kommunen kam es bislang nicht.

Delingsdorf hält bis heute an der Clariant-Variante fest. „Sie ist nach den geltenden Beschlüssen der Gemeindevertreter die von uns favorisierte Variante“, sagt Bürgermeisterin Andrea Borchert (Wählergemeinschaft). „Diese Trasse verbraucht am wenigsten Fläche und greift am wenigsten in die Natur ein.“ Auch aus Lärmschutzgründen werde sie von der Gemeinde bevorzugt.

Laut der Bürgermeisterin hat es zuletzt keine Treffen mehr zwischen ihrer Gemeinde und Ahrensburg zur Nordtangente gegeben. „Wir sind aber gesprächsbereit und stehen in Wartestellung“, sagt Andrea Borchert.

Drei Varianten stehen noch zur Debatte

Die Clariant-Variante oder Variante 7 soll in Ahrensburg an der alten Ziegelei am Kremerberg mit einem Kreisverkehr an die Lübecker Straße (L 82) angebunden werden. Von dort verläuft sie östlich und südöstlich über eine Brücke über die Bahntrasse bis zur Einmündung Kornkamp/Ewige Weide. Dort ist ebenfalls ein Kreisverkehr geplant, der das Gewerbegebiet Nord anbindet.

Variante 11 führt vom Kornkamp über das Grundstück des Famila-Supermarktes – er wird nach Beimoor-Süd umziehen – zu einem neuen Kreisel, der die Kurt-Fischer-Straße anbindet. Vom Kreisel verläuft die Umgehung unter der Bahnstrecke Hamburg–Lübeck an die Lübecker Straße.

Variante 15 ist teilweise identisch mit der Clariant-Variante, verläuft aber größtenteils weiter nördlich, also weiter weg vom Gartenholz, überbrückt die Bahn und führt bis zu einem neuen Kreisel an der Kurt-Fischer-Straße. cit

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Aktuellen Redebedarf hat Ahrensburgs Bürgermeister Michael Sarach allerdings nicht. „Ich habe derzeit kein Mandat zum Verhandeln“, sagt er. Der Grund sei, dass Delingsdorf eben nur die Clariant-Variante akzeptiere, die aber in Ahrensburg keine politische Mehrheit habe.

Grundsätzlich will Sarach die Nordtangente für die Schlossstadt. „Sie ist notwendig und richtig. Das habe ich immer gesagt.“ Er verweist auf ihre Bedeutung für die Wirtschaft: „Die Tangente ist wichtig für den Anschluss der Gewerbegebiete im Norden.“ Die Stadtverwaltung ist für die Clariant-Variante. Neben der Akzeptanz durch Delingsdorf habe sie andere Vorzüge. „Sie ist die optimale Variante, was den Verkehrsfluss angeht“, sagt Ahrensburgs Bauamtsleiter Peter Kania.

Verwaltung will Projekt wieder zur Sprache bringen

Er kündigt an, dass die Bauverwaltung nach der Sommerpause bei der anstehenden Debatte um einen neuen Flächennutzungsplan in den Fachausschüssen wieder auf die Nordtangente hinweisen will. Kania sagt aber auch: „Entscheidend ist ein Planfeststellungsverfahren, und das ist unabhängig vom Flächennutzungsplan.“

Ob es jemals zu so einem Verfahren kommt, hängt davon ab, wie sich Ahrensburgs Lokalpolitiker zur Nordtangente positionieren. „Wir sind ohne Wenn und Aber für die Nordtangente“, sagt Detlef Levenhagen, Fraktionsvorsitzender der CDU. „Delingsdorf sollte Ahrensburg entgegenkommen, schließlich stehen die Autos auf der L 82 auch dort im Stau.“ Levenhagen geht davon aus, dass seine Fraktion bei künftigen Entscheidungen einheitlich abstimmen wird. Das war nicht immer der Fall: 2012 scheiterte ein Durchbruch für die Tangente daran, dass Ahrensburgs Stadtverordnete einen Gebietstausch mit Delingsdorf mit einer Stimme Mehrheit ablehnten. Unter den Nein-Stimmen waren dabei auch drei der CDU.

Fraktion der Grünen gegen Nordtangente

„Wir müssen an der Lübecker Straße für Entlastung sorgen und einen neuen Anlauf mit Delingsdorf starten“, sagt SPD-Fraktionsvorsitzender Jochen Proske. „Ich glaube, es ist möglich, alle Interessen unter einen Hut zu bringen.“ Seine Fraktion sei nicht auf eine Trasse fixiert.

Gegen die Nordtangente sind die Ahrensburger Grünen. „Wir lehnen sie grundsätzlich ab“, sagt Fraktionsvorsitzende Susanna Hansen. „Durch ihren Bau werden immer Anwohner belastet, egal bei welcher Trasse.“ Die Grünen wollen stattdessen den Autoverkehr allgemein reduzieren, indem bessere Radwege und mehr öffentlicher Nahverkehr geschaffen werden.

Die Fraktion der Linken hat nach eigenen Angaben noch keine feste Meinung zur Nordtangente. „Wichtig ist, dass eine Trasse möglichst wenige Anwohner belastet und nur wenige Grünflächen verbraucht“, sagt Fraktionschef Ali Haydar Mercan.

Die Wählergemeinschaft WAB favorisiert eine Nordtangente mit der Variante 11. „Die Clariant-Variante ist problematisch, da sie sehr nah am Wohngebiet Gartenholz vorbeiführt“, sagt Fraktionsvorsitzender Peter Egan. Er möchte, dass die Verwaltung die Stadtverordneten über den Gesprächsstand mit Delingsdorf informiert.

Bürgerinitiative: Land könnte Bauplanung übernehmen

Die FDP will eine Nordtangente mit der Variante 11 oder 15. „Die Clariant-Lösung verschiebt nur die Lärmbelastung zu anderen Anwohnern, zudem belegt sie die Familienwiese im Gartenholz und ein für Gewerbeansiedlung wertvolles Grundstück am Kornkamp“, sagt Thomas Bellizzi, Fraktionsvorsitzender der Liberalen.

Die Anwohner der Lübecker Straße und die Igano wären froh, wenn aus den Reihen der Ahrensburger Politik möglichst bald ein neuer Anlauf für die Nordtangente gestartet würde. Als eine Alternativlösung schlägt die Bürgerinitiative vor, die Planung für den Trassenverlauf an den Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr (LBV) zu übertragen, wie es bei der Ortsumgehung Hammoor gemacht wurde. Igano-Sprecher Werner Haering sagt: „Die Politik müsste sich vorher verpflichten, den Beschluss der LBV zu akzeptieren, das würde die Planung voranbringen.“