Ahrensburg. Ingenieurbüro misst Verkehrsbelastung in Ahrensfelde, Siedlung Am Hagen und Waldgut Hagen und bereitet Machbarkeitsstudie vor.

Sie haben die Hoffnung auf weniger Verkehrslärm vor ihren Häusern, auf mehr Sicherheit für Radfahrer und Fußgänger sowie bessere Luft noch nicht aufgegeben: Die Rede ist von ungezählten Ahrensburger Anliegern in der Siedlung Am Hagen und im Ortsteil Ahrensfelde. Seit Jahren beklagen Bürger den stetig wachsenden Querverkehr im Süden der Stadt, fordern den Bau einer Ortsumgehung. Nun keimt neue Hoffnung, denn mit umfangreichen Verkehrszählungen haben die Vorbereitungen für eine Machbarkeitsstudie begonnen, deren Ergebnisse im Spätsommer präsentiert werden sollen. Doch in den Reihen der Politik herrscht große Skepsis gegenüber der Tangente, einige warnen vor hohen Erwartungen.

SPD, Grüne und FDP sehen kaum Chancen für das Projekt

Die Überraschung ist perfekt, als sich am Ende einer turbulenten Versammlung der Stadtverordneten im Juni 2017 eine knappe Mehrheit zu dieser kostspieligen Studie formiert. Sich dazu durchringt, wohl ein allerletztes Mal zu prüfen, ob es eine realistische Chance für eine Südtangente gibt. 14 Politiker von CDU und WAB überstimmen bei der Sitzung zwölf Vertreter von SPD, Grünen und FDP. Vier Stadtverordnete fehlen bei der Abstimmung, ein SPD-Mitglied enthält sich.

Mit solchen Geräten wird an der Dorfstraße in Ahrensfelde der Verkehr gemessen
Mit solchen Geräten wird an der Dorfstraße in Ahrensfelde der Verkehr gemessen © HA | Ralph Klingel-Domdey

Was geschieht nun aktuell auf den Straßen im Süden? Fußgänger, Rad- und Autofahrer werden dieser Tage auf graue Kästen aufmerksam, die an den Masten von drei Verkehrsschildern an verschiedenen Orten angebracht sind. „Das sind Verkehrszählgeräte, die eingesetzt werden, um die Machbarkeitsstudie für die Tangente zu erstellen“, sagt Stephan Schott, Ahrensburgs Fachdienstleiter für Straßenwesen. Die Geräte sowie manuelle Zählungen sollen helfen, „den Verkehr im gesamten Süden zu erfassen“, sagt Schott. Erste Ergebnisse sind beim zuständigen Hamburger Ingenieurbüro SBI noch nicht zu erfahren. Deren Mitarbeiter und Messgeräte werden in dieser Woche mehrfach an den Straßen Brauner Hirsch, Hagener Allee, Starweg, Dorfstraße und Ahrensfelder Weg eingesetzt.

Nach der Sommerpause wird die Studie der Politik vorgelegt

„Die Geräte zählen mit einem Sensor die Fahrzeuge rund um die Uhr“, sagt Stephan Schott. „Der Sensor registriert zudem, ob es sich bei dem Fahrzeug um einen Personenwagen, ein Motorrad oder einen Lastwagen handelt.“ Nach Auskunft des Ingenieurbüros geben die Messungen auch Aufschluss darüber, ob es sich um Anlieger- oder Durchgangsverkehr handelt. Die 17. Kalenderwoche und bestimmte Zeitfenster für manuelle Messungen tagsüber seien bewusst ausgewählt worden, „um realistische Zahlen zu erhalten“, sagt Schott. So hätten etwa Ferien- oder Feiertage keinen Einfluss auf das Ergebnis.

Mitarbeiter des Ingenieurbüros SBI aus Hamburg zählen im Auftrag der Stadt Autos, die im Waldgut Hagen den Ahrensfelder Weg passieren
Mitarbeiter des Ingenieurbüros SBI aus Hamburg zählen im Auftrag der Stadt Autos, die im Waldgut Hagen den Ahrensfelder Weg passieren © HA | Ralph Klingel-Domdey

Die Stadtverwaltung will die Studie den Mitgliedern des Bauauschusses nach der parlamentarischen Sommerpause vorstellen. „Sie wird mehr enthalten als die Ergebnisse der Zählung“, sagt Schott. So soll sie auch Einschätzungen dazu liefern, ob mögliche Trassen unter Berücksichtigung von Archäologie und Naturschutz zulässig und somit überhaupt realistisch sind. Zudem soll sie eine erste grobe Kostenschätzung für die Südtangente enthalten. Und die Ergebnisse von Vorgesprächen mit möglichen Straßenbaulastträgern wie Kreis und Land, die in die Planung und den Bau einbezogen werden könnten. Für die Kosten der Studie hat die Verwaltung 60.000 Euro von der Politik bewilligt bekommen. Hintergrund der Erhebungen ist eine für Ahrensburg richtungsweisende Entscheidung, die im Planfeststellungsverfahren der Deutschen Bahn ansteht: die künftige Querung der Gleise durch das Tunneltal. Diese wird mit dem bis Ende der 2020er-Jahre geplanten Ausbau der Strecke für die S 4 nicht länger über den beschrankten Bahnübergang am Braunen Hirsch möglich sein. An gleicher Stelle ist eine Brücke geplant.

Wichtig seien verlässliche Zahlen

Auch dieses Vorhaben käme die Stadt teuer zu stehen. Ob am Braunen Hirsch, wo sie ein Drittel der auf mehr als 18 Millionen Euro geschätzten Kosten tragen müsste, oder anderenorts. Und auf den Folgelasten bliebe allein Ahrensburg sitzen. Das sei einer der Gründe, weshalb die CDU prüfen lassen will, ob nicht doch eine Umfahrung durch den naturgeschützten und archäologisch bedeutsamen Raum Tunneltal möglich wäre. Und ob eine Landesstraße gebaut werden könnte, deren Hauptkosten das Land übernähme.

Die CDU-Stadtverordnete Anna-Margarete Hengstler begründet das Abstimmungsverhalten ihrer Fraktion vom Sommer 2017 so: „Dieses Hickhack um die Tangente dauert nun schon so lange. Alle bisherigen Untersuchungsergebnisse wurden immer wieder angezweifelt. Wir möchten einen frischen Blick von außen auf die Lage im Süden bekommen.“ Wichtig sei ihr, dass die Zahlen verlässlich erhoben werden. „Und dass alle Beteiligten das Ergebnis der Studie akzeptieren. Egal, was dabei herauskommt“, so Hengstler. Da sei sie ausnahmsweise einmal einer Meinung mit Bürgermeister Michael Sarach.

Hingegen bleiben Grüne, SPD und FDP bei ihrer ablehnenden Haltung. So sagt Christian Schubbert (Grüne): „Hundertprozentig stehen wir dazu, denn das Ergebnis ist erwartbar.“ Die Südtangente führte durch archäologisch wertvolles Areal und durch zwei FFH-Gebiete. Das sind Schutzareale, die nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie dem Schutz von Pflanzen (Flora), Tieren (Fauna) und Lebensraumtypen (Habitaten) dienen. Allein deshalb, so Schubbert, sei die Umgehung rechtlich nicht realisierbar. Die Kosten für die Studie hält er für „raugeschmissenes Geld“.

Bellizzi hält den Zeitpunkt der Messung für falsch

Zustimmung erhält der Grüne von Jochen Proske (SPD): „Es ist zwar gut, durch die Studie aktuelles Zahlenmaterial zur Verfügung gestellt zu bekommen, allein um die Entwicklung des Verkehrs im Blick behalten zu können. Gleichwohl bin ich mir sicher, dass die Studie eine Südtangente ausschließen wird.“ Er habe zwar Verständnis für die Anwohner der viel befahrenen Straßen Brauner Hirsch und Dorfstraße, „sie tun mir wirklich leid“, so Proske. „Aber ich habe mich jahrelang intensiv mit dem Thema befasst – die Rechtslage gibt das einfach nicht her.“

Thomas Bellizzi (FDP) stimmt dem zu: „Aus rechtlichen Gründen und zum Schutz der Umwelt bleiben wir bei unserer ablehnenden Haltung.“ Den Zeitpunkt der Messung hält er für falsch, „weil gerade wegen der Baustellen auf der A 1 viele Autofahrer auf alternative Strecken durch Ahrensburger Gebiet ausweichen“. Auch ergebe es keinen Sinn, wenn Bürger nach dem Sankt-Florians-Prinzip handelten. „Wenn bei der Diskussion um neue Baugebiete immer über den Landschaftsschutz gestritten wird, dann ist es inkonsequent, an anderer Stelle den Straßenverkehr aus der Stadt in ein Landschaftsschutzgebiet verlagern zu wollen.“ Das ist laut Thomas Bellizzi „nicht nur durchsichtig, sondern auch unlauter“.

Bürgermeister sieht „sehr hohe Hürden“

Peter Egan von der Wählergemeinschaft (WAB) hat eine andere Sicht auf die Dinge. Er sagt: „Die Südumfahrung ist eine der wenigen Optionen, die wir überhaupt noch haben, um auch die Ahrensburger Innenstadt vom Verkehr zu entlasten.“ Ihm sei bewusst, dass die rechtlichen Hürden für eine Südumfahrung hoch sind. Doch wolle er erst in Kenntnis neuer Zahlen beurteilen, ob das Projekt unterstützenswert sei. Egan: „Vielleicht kommt bei der Zählung heraus, das 90 Prozent der Autofahrer dort selbst im Süden der Stadt leben, das Problem also hausgemacht ist. Dann hätte die Umfahrung keinen Sinn. Es könnten aber auch ganz andere Ergebnisse dabei herauskommen.“ Er wolle Fakten sprechen lassen.

Ahrensburgs Bürgermeister sagt, „wir haben uns einvernehmlich auf die Studie festgelegt, um belastbare Zahlen zu bekommen.“ Die Ergebnisse und die Hochrechnungen zur erwarteten Zunahme des Autoverkehrs im Süden müssten genau geprüft werden. Mit den Ergebnissen müsse die Stadt später „politisch umgehen“, so Michael Sarach. Auch er sehe angesichts aller rechtlichen Aspekte und auch wegen der Vorbehalte aus Hamburg gegen Eingriffe in ein grenzübergreifendes Schutzgebiet „sehr hohe Hürden für eine Südumfahrung – bei allem Verständnis für die Belange der Anlieger“. Vor allem aber dürfe die Stadt bei der Diskussion auch nicht die Notwendigkeit einer Nordtangente aus den Augen verlieren.