Ahrensburg. Gewerkschaft und Philologenverband verzeichnen auch steigenden Bedarf an Sonderpädagogen. Ahrensburg hat neue Stellen bewilligt.
Schulsozialarbeit ist nicht nur in sozialen Brennpunkten deutscher Großstädte nötig. Schon vor einem Jahr hatten sich Lehrer verschiedener Stormarner Schulen über das Abendblatt an die Landespolitik mit der Bitte um Unterstützung gewandt. „Wir brauchen dringend mehr Sonderpädagogen und Schulsozialarbeiter, um verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche besser betreuen und den Unterricht für die anderen Schüler sicherstellen zu können.“ Viele Pädagogen stießen wegen dieser Problematik an die Grenzen der Belastbarkeit. Nun erneuern die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Philologenverband (DPhV) diese Forderungen.
Manchmal helfen nur noch Psychiater oder Psychologen
Der Bedarf steigt, sagt Thomas Gehrke, Schulleiter der Ahrensburger Gemeinschaftsschule Am Heimgarten. „Er wächst so stark, dass unsere beiden Sozialarbeiterinnen wegen der Notfallbetreuung die Präventionsarbeit zurückfahren mussten.“ Zusammen mit dem Erik-Kandel-Gymnasium (EKG) beantragte Gehrke deshalb eine zusätzliche halbe Stelle. Eine weitere halbe Stelle ist für die Grundschule Am Aalfang vorgesehen. Dem hatten die Stadtverordneten Ende 2017 zugestimmt, zunächst befristet auf drei Jahre. Damit haben in der Schlossstadt künftig bis auf die Grundschule Am Hagen und das Gymnasium Stormarnschule alle Schulen Sozialarbeiter.
Heiko Winkel-Rienhoff von der GEW Stormarn sagt: „Es ist der dringende Wunsch der Kollegen, Hilfe von multiprofessionellen Teams zu bekommen.“ Er meint nicht nur Sozialpädagogen, sondern auch Erzieher und in Einzelfällen Psychologen oder Psychiater. Gute Erfahrung mit Schulsozialarbeit an Gymnasien hat auch Jan Kunze von der DPhV gemacht. Der Lehrer sagt: „Für Sozialarbeit sind wir nicht ausgebildet.“ Die Unterstützung der Kollegen werde gut angenommen, da sie von den Kindern und Jugendlichen als unabhängige Instanz wahrgenommen würden.
Probleme: Streit, Schwänzen, selbstverletzendes Handeln
Beispiel Schulzentrum Am Heimgarten: „Wir betreuen zurzeit 85 Schüler, die Mehrzahl davon von der Gemeinschaftsschule“, sagt Jorinde Rose, eine der Schulsozialarbeiterinnen. Das ist eine hohe Zahl – hat die Gemeinschaftsschule doch nur knapp 500 Schüler, das Gymnasium etwa 700. Vielzahl und Schwere der Probleme führten dazu, dass sie und ihre Kollegin Kathleen Bahr voll ausgelastet seien. Die Probleme reichten von Streitigkeiten mit Freunden über das Schwänzen bis hin zu selbstverletzendem Verhalten. Rektor Gehrke erklärt, wie sich die Belastung der Kinder verstärkt hat: „Durch die sozialen Medien verfolgen sie die Probleme heute oft den ganzen Tag.“ Klassenkameraden nutzen das Smartphone, machen Bilder von peinlichen Situationen. Und drohen damit, diese über WhatsApp zu verbreiten. Entsprechend schwer falle das Abschalten auch außerhalb der Schule. Mit Unterstützung der Sozialarbeiterinnen soll in solchen und in anderen Fällen sichergestellt werden, dass die Kinder und Jugendlichen beschulbar bleiben.
Für Schulsozialarbeit zahlen die Kommunen
Ob der Schwere psychischer Auffälligkeiten kommen jedoch auch die Sozialarbeiterinnen immer öfter an ihre Grenzen. „Wir sind keine Psychiater oder Therapeuten“, sagt Rose. Deswegen werde die Netzwerkarbeit immer wichtiger. So wird die Konsultation und Weitervermittlung an entsprechend ausgebildete Fachleute bezeichnet. Sie hat im vergangenen Jahr bereits fast die Hälfte der Arbeitszeit eingenommen. Hier fungieren die Sozialarbeiterinnen als erste Ansprechpartner, überbrücken die Zeit, bis ein Therapieplatz zur Verfügung steht. Im Schuljahr 2015/16 betrug ihr Anteil lediglich 23 Prozent.
Wie wichtig die Unterstützung ist, betont auch Thomas Gehrke. „Schulsozialarbeit ist heute mehr als nur Feuerwehr.“ Er meint damit, dass die Sozialpädagogen nicht nur in Krisen eingreifen, sondern den Unterricht auch präventiv begleiten. „Wir haben heute eine viel diversere Schülerschaft.“ Die Gemeinschaftsschulen seien besonders betroffen. Neben Kindern, die den ersten allgemeinbildenden Schulabschluss anstreben (früher Hauptschulabschluss), besuchen auch solche die Schule, die nach dem mittleren Schulabschluss noch die Oberstufe besuchen wollen. Hinzu kommen junge Flüchtlinge und lernbehinderte Kinder. Für ihn eine anstrengende, aber auch befriedigende Aufgabe: „Es ist etwas anderes, diese Schüler zu einem Abschluss zu führen, als einen guten Gymnasiasten zum Abitur.“
Gemeinschaftsschule hat schon länger Unterstützung
Unabhängig von der Herkunft seien die Schüler heute „herausfordernder“ als früher. Sozialarbeit sei daher bereits an Grundschulen erforderlich. Gehrke sagt: „Wir sehen an unseren fünften Klassen, dass wir dort erzieherisch eingreifen und erst einmal Grundlagen des Miteinanders vermitteln müssen.“
Während es an der heutigen Gemeinschaftsschule bereits seit 1999 Schulsozialarbeit gibt, befindet sich das Angebot am benachbarten Gymnasium noch im Aufbau. Beide Sozialarbeiterinnen arbeiten während der Schulzeit in Vollzeit. „Bis zu 15 Stunden in der Woche sind mittlerweile für das EKG vorgesehen“, sagt Jorinde Rose. Denn auch vor dessen Tür machen die Probleme nicht Halt. Außerdem gibt es mit Bente Hirsekorn noch eine weitere Sozialpädagogin in Teilzeit, die sich in der Offenen Ganztagsschule (OGS) am Nachmittag um die Kinder kümmert.
Jorinde Rose sagt: „Auf dem Gymnasium sind die Probleme andere, treten häufig subtiler auf, sind deswegen aber nicht weniger belastend.“ Leistungsdruck sei ein großes Thema, aber auch die Vielzahl an Möglichkeiten. Berufliche Wege seien heute weniger vorgezeichnet, Unterstützung sei wichtiger denn je. Bei allen Kindern.