Glinde . Streit um Denkmal Suck’sche Kate eskaliert, nachdem die versprochene Sanierung des Fackwerkhauses immer noch nicht begonnen hat.

Das Holz der Fenster im ersten Stock blättert wie die Bäume im Herbst, Fugen sind undicht, im Mauerwerk kurz über dem Boden im Eingangsbereich klafft ein großes Loch – und die eine Seite des Gebäudes ist von außen durch einen dicken Balken gestützt. Es bedarf nicht viel Fantasie, um zu erahnen, was passiert, wenn hier keine Spezialisten Hand anlegen: Dann wird die Sucksche Kate in Glinde, die als Kulturdenkmal Bestandsschutz genießt, so marode sein, dass sie nicht mehr zu retten ist. Die Kommunalpolitiker können den zusehenden Verfall nur schwer ertragen und gehen jetzt in die Offensive. Sie wollen den Eigentümer enteignen lassen.

Einen entsprechenden Antrag hat die SPD für die Stadtvertretersitzung am 25. Januar gestellt. Gleich im ersten Satz des zweiseitigen Schreibens wird die zuständige Behörde darum gebeten, unverzüglich ein Enteignungsverfahren einzuleiten. Bei CDU und Grünen stößt dieses Vorgehen auf Zustimmung.

Mit Verzögerungstaktik Verwaltungen hintergangen

„Alle Bitten an den Eigentümer, für den Erhalt zu sorgen, liefen bisher ins Leere“, sagt Frank Lauterbach, Fraktionschef der Sozialdemokraten. Mit einer beispiellosen Verzögerungstaktik habe er die Verwaltungen von Stadt und Kreis sowie die Öffentlichkeit hintergangen. Genauso sauer auf den Mann, der eine Sanierung schon vor Jahren versprochen hatte, ist die Grünen-Stadtvertreterin Petra Grüner. Sie sagt aber auch: „Ich hätte mir gewünscht, dass die Parteien einen gemeinsamen Antrag formulieren.“

In der Sache sind sich jedoch alle einig. Rainer Neumann, Fraktionsvorsitzender der Christdemokraten, beschreibt die Stimmungslage so: „Wir ärgern uns schon die ganze Zeit darüber, dass nichts passiert. Ich unterstütze den Antrag, der Zustand der Kate ist nicht hinnehmbar.“

Der Stadt war die Immobilie an der Dorfstraße zu teuer

Das reetgedeckte und derzeit unbewohnte Fachwerkhaus an der Dorfstraße wurde 1855 erbaut. Dort lebte einst der Schuhmacher Johannes-Hinrich Suck, der 28 Jahre lang Gemeindevorsteher war. Als seine Enkelin 2011 starb, veräußerten die Erben die Kate. Auch Glinde wurde die Immobilie angeboten, die Stadt machte davon aber keinen Gebrauch. „Der Betrag war zu hoch, im Nachhinein ist man immer schlauer“, sagt Grünen-Fraktionschef Wolf Tank.

Im September 2012 erwarb ein Geschäftsmann aus Hamburg-Bergedorf die Immobilie, die neben dem Gutshaus und der Glinder Mühle eines der Wahrzeichen der Stadt ist. Gerade deswegen machen die Entscheidungsträger, insbesondere die Grünen, seit Jahren Druck. Die Partei organisierte eine Demonstration und sammelte Hunderte Unterschriften für den Erhalt. Politiker aller Fraktionen zweifeln seit jeher an den Sanierungsabsichten des Eigentümers. Dieser hatte stets angekündigt, dort einzuziehen und den ursprünglichen Zustand des Gebäudes wiederherzustellen.

Eigentümer bannte Einsturzgefahr erst nach Aufforderung

Lauterbach, Neumann und Tank sagen, dass es für Glinde bei einem angemessenen Preis eine Option ist, die Kate zu kaufen, um dem Spuk ein Ende zu bereiten. Bürgermeister Rainhard Zug hat deswegen mehrfach beim Eigentümer nachgefragt. „Er hat immer wieder gesagt, dass er selbst einzieht“, so der Verwaltungschef.

Enteignung: Das ist die Rechtslage

In Deutschland hat jedes Bundesland sein eigenes Gesetz zum Schutz der Denkmale. Das aktuelle in Schleswig-Holstein ist seit dem 30. Januar 2015 gültig und regelt das Thema Enteignung in Paragraf 21.

Dort heißt es in Absatz eins: „Die Enteignung von Kulturdenkmalen ist zulässig, wenn auf andere Weise eine Gefahr für deren Erhaltung nicht zu beseitigen ist.“

Bei einer Enteignung wird ein Kulturdenkmal Eigentum des Landes, des Kreises oder der Gemeinde, in dessen oder in deren Zuständigkeitsbereich es sich befindet.

Eigentümer, die durch den Besitzentzug Vermögen verlieren, werden entschädigt. Über Art und Höhe entscheidet die obere Denkmalschutzbehörde nach Anhörung der Beteiligten. suk

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Die Stadt hatte ob des schlechten Zustands bereits im Herbst 2015 interveniert und bei der Unteren Denkmalschutzbehörde des Kreises Stormarn Handlungsbedarf angemeldet. Daraufhin wurde der Eigentümer aufgefordert, seinen Pflichten nachzukommen und die Kate vor Gefährdung zu schützen. Das machte er, bannte vorerst die Einsturzgefahr. Im vergangenen Sommer sah es sogar nach einem guten Ende aus, als dem Eigentümer die Baugenehmigung für die Sanierung erteilt wurde. Aus dem angedachten Arbeitsbeginn im Herbst wurde nichts. Klar ist, dass die Witterung dem Haus weiter zusetzt.

Das Denkmalschutzamt ist der Geschäftsmann auch jetzt nicht los. „Es ist ein laufendes Verfahren, das wir mit dem Eigentümer haben“, sagt Fachdienstleiter Stephan Brockmöller. Details will er nicht nennen. Nach Abendblatt-Informationen hatte die Behörde ein Zwangsgeld angedroht. Seit Kurzem ist der obere Teil des Reetdachs mit einer grünen Plane bedeckt, damit es nicht hereinregnet. Brockmöller spricht bei der Kate von „einem brisanten Objekt“. Die Erhaltungspflicht betreffe alle Teile des Gebäudes.

Bürgermeister Zug hat Verständnis für Politiker

Und wie beurteilt er die Chancen auf eine Enteignung? „Meines Wissens hat es so einen Fall in Stormarn noch nicht gegeben.“ Dieser Schritt sei das letzte Mittel. Er selbst habe mit so einem Vorgang keine Erfahrung, so Brockmöller. Bürgermeister Zug sagt, er halte das Schwert der Enteignung für ein schwieriges Feld. „Für mich ist das Ansinnen der Politik aber nachvollziehbar. Wenn die Sache auf den Weg gebracht wird, ist es nicht willkürlich.“ Der Eigentümer der Kate war auf Anfrage des Hamburger Abendblattes nicht zu sprechen.