Glinde. Bürgerentscheid über Schulfusion in Glinde am Sonntag. Das Abendblatt stellt Argumente von Befürwortern und Gegnern gegenüber.

Es ist das Thema, welches viele Glinder seit Monaten bewegt und über das heftig gestritten wurde: die von der Politik beschlossene Fusion der Gemeinschaftsschulen Wiesenfeld und Sönke-Nissen zum Sommer 2018. Ob es dazu kommt, ist jedoch ungewiss. Aufschluss gibt es am späten Sonntagabend, wenn alle Stimmen beim Bürgerentscheid ausgezählt sind. Diesen hatte die Wiesenfelder Elterninitiative „Interessengemeinschaft Schulvielfalt in Glinde“ durch ein vorheriges Bürgerbegehren herbeigeführt. Sie möchte keine Zwangsehe. Ihr steht die Initiative „Pro Schulfusion Glinde“ gegenüber. Das Abendblatt vergleicht ihre Positionen und nennt die wichtigsten Fakten.


WAS BEDEUTET EINE ZUSAMMENLEGUNG FÜR DIE SCHÜLER?

Die Glinder Initiative Pro Schulfusion mit ihrem Sprecher Philipp Maschmann (r.)
Die Glinder Initiative Pro Schulfusion mit ihrem Sprecher Philipp Maschmann (r.) © HA | Pro Schulfusion

Fusionsgegner:„Eine große Schule mit 1350 Schülern kann zu einer unpersönlichen Lernfabrik werden, die nicht für jedes Kind geeignet ist“, fürchtet die Interessengemeinschaft Schulvielfalt. Sie spricht von Nachteilen bei der Bewältigung von sozialen Problemen. Die jetzige Angebotsvielfalt und individuelle Entfaltungsmöglichkeiten von zwei Schulen seien bei einer Fusion nicht mehr gegeben.
Fusionsbefürworter: „Bei nur noch einer Gemeinschaftsschule wird es keine Ablehnung von Glinder Viertklässlern mehr geben“, heißt es bei Pro Schulfusion. Eine Zusammenlegung kombiniere die Stärken der beiden Schulen, das führe zu einer größeren Vielfalt bei Profilen, Wahlpflichtangeboten und Arbeitsgemeinschaften.

Die Sönke-Nissen-Schule hat keine Oberstufe und nimmt alle Kinder auf. Wer dort unterrichtet wird und sein Abitur machen möchte, muss nach der zehnten Klasse wechseln. Viele Viertklässler, die in der Vergangenheit bei ihrer Wunschschule Wiesenfeld nicht zum Zug kamen, entschieden sich dann für ihre B-Variante Sönke-Nissen.


GIBT ES VORSCHLÄGE FÜR EINE ALTERNATIVE LÖSUNG?

Fusionsgegner: Ja. „Sinnvoll ist eine Kooperation in der Sekundarstufe I mit dem Ziel einer garantierten Übernahme der qualifizierten Schüler in die Oberstufe der Gemeinschaftsschule Wiesenfeld“, sagt die Initiative. Sie kann sich auch eine Zusammenarbeit beim DAZ-Zentrum vorstellen.
Fusionsbefürworter: Nein. „Eine große Schule als problematisch zu betrachten, ist falsch. Schulen mit exzellentem Ruf wie die Stadtteilschule Bergedorf mit rund 1500 Schülern oder die Sachsenwaldschule Reinbek mit rund 1300 Schülern beweisen das Gegenteil“, so Pro Schulfusion. Außerdem werde schon heute im Glinder Schulzentrum, wo Gymnasium und Sönke-Nissen-Schule beheimatet sind, nahezu die identische Schülerzahl wie nach einer Fusion unterrichtet.

Die Fusionsbefürworter fürchten ein Ausbluten der Sönke-Nissen-Schule. Der aktuelle Schulentwicklungsplan prognostiziert bis 2022 an der Bildungseinrichtung 32 Prozent weniger Jungen und Mädchen auf dann 344. Im schlimmsten Fall kann das Bildungsministerium eine Schule schließen, wenn die geforderte Schülerzahl über einen längeren Zeitraum unterschritten wird. Für Gemeinschaftsschulen liegt diese bei 240. Allerdings würde Glinde laut Bürgermeister Rainhard Zug zeitig gegensteuern und ein neues Konzept erarbeiten.


WAS SAGEN DIE INITIATIVEN ZU DEN KOSTEN EINER FUSION?

Fusionsgegner: Realistisch erscheinen der IG Schulvielfalt zehn Millionen Euro. Sie spricht dabei aber im Konjunktiv, weil es keine eindeutige Faktenlage gibt. Trotzdem: Das Projekt ist ihr zu teuer mit dem Verweis auf die finanzielle Situation der Stadt, die 10,5 Millionen Euro Schulden hat. „Wir wollen verhindern, dass der Haushalt langfristig durch unnötige Fusionskosten ohne Mehrgewinn belastet wird.“
Fusionsbefürworter: Zahlen nennen sie nicht, sagen aber: „Große Teile der Investitionen im Schulzentrum sind Modernisierungen, die ohnehin anfallen werden. Es ist richtig, in die Bildung unserer Kinder zu investieren.“

In die Wiesenfelder Schule am Holstenkamp hat Glinde in den vergangenen Jahren elf Millionen Euro investiert. Sie soll ins Schulzentrum zur Sönke-Nissen-Schule ziehen und mit dem Gymnasium die Räume tauschen. Sogenannte Standortentwicklungskosten liegen bei 16,6 Millionen Euro, allerdings implizieren sie zum Beispiel neue Bio-Räume für eine Million Euro und eine Mensa für 3,5 Millionen Euro im Schulzentrum, was unabhängig von der Fusion verwirklicht werden muss. Bürgermeister Rainhard Zug schätzt die direkten Fusionskosten auf fünf Millionen Euro. Eine Schadstoffsanierung an beiden Standorten für acht Millionen Euro zählt übrigens nicht zu den Standortentwicklungskosten.

Initiativen kämpfen auf Marktplatz ein letztes Mal um Stimmen

Der Abstand zwischen ihren Ständen auf dem Marktplatz beträgt gerade mal 100 Meter. Auch an diesem Sonnabend werden die beiden Initiativen „Pro Schulfusion Glinde“ und „Interessengemeinschaft Schulvielfalt in Glinde“ wieder um Stimmen für ihre Position beim Bürgerentscheid am kommenden Sonntag kämpfen. „Man grüßt sich morgens freundlich beim Aufbau“, sagt Philipp Maschmann (51), Sprecher der Fusionsbefürworter, über die Kommunikation mit der anderen Seite.
Pro Schulfusion zählt 110 Mitglieder, darunter Politiker aller Parteien in der Stadtvertretung. Die Initiative hat 20.000 Flyer verteilt und 120 Plakate in der Stadt aufgehängt, dafür rund 5000 Euro investiert. Dazu wurden zwei Kampagnen auf Facebook gestartet.
In der IG Schulvielfalt haben sich 100 Menschen organisiert, zum Beispiel Sabine Lumpe (36). Sie sagt: „Wir haben auch mit Lehrern der Sönke-Nissen-Schule gesprochen. Die konnten unsere Argumente verstehen, der Austausch war sehr freundlich.“ Es sei das Ansinnen der Initiative, sich an Fakten zu halten und wenig Emotionen hinein zu bringen. Die 100 Plakate in der Stadt sowie die 18.000 Flyer, die verteilt wurden, sind durch Spenden finanziert. Sabine Lumpe sagt: „Es sind auch anonyme darunter.“

„Ja“ bedeutet „Nein“ zur Fusion

Die Fragestellung beim Bürgerentscheid lautet „Sind Sie für den Erhalt von zwei unabhängigen Gemeinschaftsschulen mit eigenem Schulprofil am Schulstandort Glinde?“. Wer die Zusammenlegung der Gemeinschaftsschulen Wiesenfeld und Sönke-Nissen will, muss also mit Nein votieren. Diejenigen, die für den Fortbestand der beiden Bildungseinrichtungen sind, müssen dementsprechend mit Ja stimmen.
Der Bürgerentscheid ist wirksam, wenn 18 Prozent der Wahlberechtigten bei der vergangenen Kommunalwahl im Jahr 2013 mitmachen, also 2596 Menschen. Genauso viele Stimmen und auf jeden Fall eine mehr als die Gegenseite benötigen die Fusionsgegner, um die Schulehe zu verhindern. Sollten sie Erfolg haben, ist eine Zusammenlegung trotzdem zu einem späteren Zeitpunkt möglich. Ein Bürgerentscheid ist für die Stadt zwei Jahre bindend.